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Imperialismus von 1953 bis heute

1. Charakter der Epoche.
2. Der Kampf des Imperialismus gegen den aufstrebenden Sozialismus.
3. Wiederherstellung der einheitlichen kapitalistischen Welt.
4. Der Machtkampf zwischen den imperialistischen Zentren.
5. Die ökonomische Krise des Kapitalismus.
6. Der kapitalistische Entwicklungsweg.
7. Entwicklungstrends.
8. Gefahren der imperialistischen Barbarei.
9. Die Frage der Kleinproduzenten.
10. Dynamik des Imperialismus.
11. Kurze Zusammenfassung

1. Charakter der Epoche.

Die wichtigsten ökonomischen Merkmale des Imperialismus, die Lenin 1916 beschrieb, haben auch heute Gültigkeit: 1. fortschreitende Konzentration des Kapitals bis zur Monopolbildung (trotz der regulierenden Gesetzen der imperialistischen Staaten, die darauf zielen, dass ein gewisses Maß an Wettbewerb (d.h. Konkurrenz) bestehen bleibt, die aber nicht verhindern können, dass einige wenige Branchenriesen die Märkte unter sich aufteilen); 2. Verschmelzung des Bank- und Industriekapitals zum Finanzkapital; 3. ständig wachsender Kapitalexport; 4. internationale Kapitalvereinigungen; 5. Die Welt ist territorial in Einflusssphären der Großmächte aufgeteilt.

Die allgemeine Krise des Kapitalismus datiert seit dem 1. Weltkrieg und dauert, ungeachtet der Niederlage des realexistierende Sozialismus, bis heute an.

Das Kennzeichen der allgemeinen Krise des Kapitalismus sind Revolutionen und Kriege. Seit 1989 sind die Krisengebiete der Welt nicht weniger geworden. Unruhen, Bürgerkriege und Kriege prägen viele Regionen der Welt. In der Folge der Konterrevolution 1989/90 wurde zwar ein einheitlicher kapitalistischer Weltmarkt wiederhergestellt, doch diese Entwicklung verlief für die sogenannten Transformationsökonomien krisenreichund war von einer schnellen Verelendung der werktätigen Bevölkerung begleitet. In einigen Ländern erhielten sich Reste der Planwirtschaft (z.B. in China, Weißrussland), in anderen Ländern erhielt sich ein staatlicher Wirtschaftssektor oder wurde, der Not gehorchend, ein geschützter staatlicher Sektor der Wirtschaft wiedererrichtet (z.B. Russland, Kasachstan u.a.). Über Lateinamerika rollte eine Welle volksdemokratischer Bewegungen, die ebenfalls zu eine Beschränkung des imperialistischen Weltmarktes führten. Enklaven der sozialistischen Planwirtschaft wie Kuba und die KDVR werden seit dem Untergang des sozialistischen Weltsystems infolge wirtschaftlicher Sanktionen der „Weltgemeinschaft“ immer weiter geknebelt.

Die inneren Widersprüche des Imperialismus verschärfen sich weiter, denn der Grundwiderspruch des Kapitalismus, der Widerspruch zwischen dem gesellschaftlichen Charakter der Produktion und der privatkapitalistischen Form der Aneignung der Produktionsergebnisse wird durch den Imperialismus bekanntlich nicht aufgehoben.

Der Charakter der Epoche bleibt der Übergang vom Imperialismus zum Sozialismus.

2. Der Kampf des Imperialismus gegen den aufstrebenden Sozialismus.

Mit der Oktoberrevolution, dem folgenden schnellen Aufstieg der Sowjetunion und später des entstehenden sozialistischen Weltsystems schien der Untergang des Imperialismus besiegelt. So beschreibt es das vorliegende sowjetische Lehrbuch der Politischen Ökonomie von 1954. Schon die Existenz der Sowjetunion und erst recht die des sozialistischen Lagers nach dem 2. Weltkrieg setzten dem Imperialismus Grenzen: Aus Europa war der Krieg bis zur Konterrevolution verbannt. Friedlich aber wurde der Imperialismus nie; allein die USA als die nunmehr stärkste imperialistische Macht führten seit dem 2. Weltkrieg etliche brutale Kriege.

Auch wirtschaftliche Grenzen waren gesetzt: Mit den sozialistischen Staaten konnte man nur über das sozialistische Außenhandelsmonopol handeln. Die imperialistische Gegenmaßnahme war das Embargo gegen sozialistische Länder, teil vollständig, teils auf strategisch wichtige Güter beschränkt. Mit Hilfe des Embargos wurde versucht, die wirtschaftliche Entwicklung der sozialistischen Länder zu behindern. Die sozialistischen Länder waren gezwungen, die notwendigen wissenschaftlich-technischen Entwicklungen selbständig nachzuvollziehen. Beispiele dafür sind das Röhrenembargo und die Mikroelektronik/Computertechnik.

Der Imperialismus war um seiner Existenz willen gezwungen, auf die sozialistische Herausforderung zu reagieren, auch wenn er anfangs Niederlage auf Niederlage einstecken musste: 1. Russland und die anderen Sowjetrepubliken gingen verloren; 2. Nach dem 2. Weltkrieg, mit dem Sieg der Roten Armee, entstanden in den befreiten Ländern Volksdemokratien, die nach gewisser Zeit mit dem sozialistischen Aufbau begannen; 3. China beschritt nach langen Befreiungskampf mit Hilfe der SU den Weg der sozialistischen Entwicklung; 4. Das Kolonialsystem brach zusammen.

Der Imperialismus entwickelte langfristige Gegenstrategien:

1. Die imperialistischen Staaten bemühten sich erfolgreich, die führenden Kräfte der nationalen Befreiungsbewegungen auf den kapitalistischen Entwicklungsweg zu bringen. So entstand schon in der 60er Jahren eine Gruppe junger Nationalstaaten (ehemalige Kolonien), die den Kapitalismus entwickelten und die über den kapitalistischen Weltmarkt in ökonomischer Abhängigkeit gehalten wurde. Mittel dazu waren der Internationale Währungsfonds, die Weltbank, die Welthandelsorganisation. Die ökonomische Gewalt trat unter dem Mäntelchen der Freiheit, nämlich der Handelsfreiheit, auf.

2. In den imperialistischen Hauptländern, wurde per Keynesianismus, also gezielter staatlicher Nachfragepolitik, der soziale Wohlfahrtsstaat entwickelt, ganz besonders in der BRD, die das Schaufenster zum Sozialismus war.

Damit wurde die eigene Arbeiterklasse korrumpiert und erfolgreich vom revolutionären Weg abgebracht. Die Arbeiter in den imperialistischen Hauptländern hatten nun bedeutend mehr zu verlieren als ihre Ketten und sie waren gegen alle Lebensrisiken halbwegs abgesichert.

Finanziert wurde das alles natürlich aus den Profiten der Ausbeutung der Kolonien und abhängigen Länder. Auch dieses Phänomen ist nicht neu: Lenin zeigt es bereits 1916 am Beispiel Englands. Registrierte Lenin aber noch nur eine Spaltung der Arbeiterbewegung in marxistisch-revolutionär und opportunistisch, so gelang es dem Imperialismus in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts, Gewerkschaften und Parteien fast vollständig dem Opportunismus auszuliefern. Begünstigt wurde diese Entwicklung durch die wankelmütige Haltung der regierenden kommunistischen Parteien, die den Klassenkampf nicht mehr mit vollem Ernst führten und bereit waren, auch vom Kapitalismus zu lernen.

Im Westen nannte man diese Strategie „Wandel durch Annäherung“.

3. Wiederherstellung der einheitlichen kapitalistischen Welt.

Mit dem Sieg der Konterrevolution 1989/90 stellte der Imperialismus die einheitliche kapitalistische Welt wieder her. Die kapitalistische Ausbeutung wird seitdem auch in den führenden kapitalistischen Ländern kaum mehr verschleiert. Der „Sozialstaat“ wurde abgeschafft; er war nicht mehr notwendig, da kein sozialistisches Beispiel die eigene Arbeiterklasse mehr in Versuchung führen konnte.

Mit dem Untergang der Sowjetunion, die jahrzehntelang den Imperialisten das Alibi für ihre Aufrüstung bot, wurde die Welt keineswegs friedlicher. Schon 1991 griffen die USA den Irak an und mit dem Balkankrieg kehrte der Krieg nach Europa zurück. Es folgten der Krieg in Afghanistan, der Krieg gegen den Irak. Krieg ist jetzt wieder die legitime Fortsetzung der Politik mit militärischen Mitteln. Die Armeen der imperialistischen Staaten bereiten sich ganz offen darauf vor, weltweit „eingreifen zu können“, wo auch immer imperialistische Interessen bedroht sind. Ideologische Verbrämungen sind kaum noch nötig.

Die USA treten ungeniert als Weltmacht Nr. 1 auf, die keine Rücksichten zu nehmen hat, weil sie über die weltweit stärksten Streitkräfte verfügt. Die internationalen Beziehungen sind nicht einmal pro forma mehr gleichberechtigt. Die USA verweigern sich der Abrüstung wie dem Klimaschutz, verlangen aber vom Rest der Welt Wohlverhalten. Die USA führen schwarze Listen von „Schurkenstaaten“, die USA erpressen Sanktionen gegen missliebige Staaten, die USA überziehen die Welt mit einem Netz von Militärbasen. Hierbei geht es nicht nur um Machtpolitik, sondern immer mehr um den Zugang zu wichtigen Ressourcen, besonders um Erdöl. Die USA nehmen sich das Recht, jeden beliebigen Staat der Welt unter Druck zu setzen und auch anzugreifen. Die schäbigen ideologischen Mäntelchen wie „Kampf gegen den Terrorismus“, Durchsetzung der Menschenrechte, Verteidigung von Demokratie und Freiheit (was immer Handelsfreiheit und freies Unternehmertum meint) können die wahre Interessenlage der Herrschenden dieser Welt nicht verdecken.

4. Der Machtkampf zwischen den imperialistischen Zentren.

Die USA, Westeuropa und Japan bildeten in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts die wichtigsten imperialistischen Machtzentren. Westeuropa (die Europäische Union) gliederte sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion Osteuropa an. Die osteuropäischen Länder machten seit der Konterrevolution eine abenteuerliche Entwicklung durch: Zusammenbruch der bestehenden Volkswirtschaft, rasantes Wachstum der Arbeitslosigkeit, Privatisierung der Reste der ehemals volkseigenen Betriebe. Ehemalige Staats- und Parteifunktionäre bewiesen kriminelle Energie und bereicherten sich hemmungslos. Währungskrisen brachten die Bevölkerung um die letzten Ersparnissen und machten sie brauchbar für das internationales Kapital, das hier bestmögliche Kapitalverwertungs-, also Ausbeutungsmöglichkeiten findet. Mit der Einführung der Gemeinschaftswährung Euro startete die Europäische Union einen Angriff auf die bis dahin einzige Weltwährung, den Dollar. Diesen europäischen Vorstößen begegnen die USA mit ihrem beherrschenden Einfluss in der NATO. Die USA greifen, wenn es um ihre Interessen geht, militärisch ein, ohne Rücksicht auf ihre Verbündeten zu nehmen. Die Stellung zu den militärischen Abenteuern der USA zeigt, wessen andersgeartete Interessen tangiert wurden. Der Europäischen Union ist es noch nicht gelungen, eine einheitliche europäische Strategie, ggf. auch gegen USA-Interessen zu formulieren, geschweige denn durchzusetzen, so dass es den USA immer wieder gelingt, einen Teil der europäischen Staaten auf ihre Seite zu ziehen, während ein anderer Teil sich gegenüber dem NATO-Bündnispartner zumindest zurückhält.

Japan überlässt nach seiner Niederlage im 2. Weltkrieg die militärische Politik der Stärke im asiatisch-pazifischen Raum den USA und hat indessen besorgniserregende Mengen US-Dollar an Währungsreserven angehäuft.

Mit seinen Dollarreserven steht Japan seit einigen Jahren nicht mehr allein. Während die USA ein steigendes Handelsdefizit aufweisen, horten die Erdöl exportierenden Länder Dollar, ebenso wie China, das sich langsam zur Werkstatt der Welt entwickelt.

Hier wirkt das Gesetz der ungleichmäßigen Entwicklung der kapitalistischen Länder. Neben China werden weitere ehemalige Entwicklungsländer kapitalistische Industrienationen (Indien, Südkorea u.a.)

5. Die ökonomische Krise des Kapitalismus.

Es zeigen sich immer deutlicher die „Grenzen des Wachstums“ der kapitalistischen Produktionsweise. Die Entwicklung der Produktivkräfte der Gesellschaft ist soweit vorangeschritten, dass um die benötigten, aber auch absetzbaren Waren zu produzieren, immer weniger Arbeit benötigt wird. Es kommt zur strukturellen Arbeitslosigkeit, die auch in Zeiten der Konjunktur nicht mehr beseitigt wird. Mögliche Auswege scheitern an der kapitalistischen Produktionsweise selbst: der Massenkonsum ist durch die zahlungsfähige Nachfrage beschränkt. Arbeitszeitverkürzung scheitert an der Tatsache, dass die Arbeitskraft eine Ware ist, die ihr Käufer einen möglichst ausgedehnten Arbeitstag lang benutzen will. Die ganze Welt ist kapitalisiert, d.h. überall werden die unmittelbaren Produzenten von ihren Produktionsmitteln getrennt und sind darauf angewiesen, ihr Leben durch den Verkauf ihrer Arbeitskraft zu fristen. Das Überangebot an Arbeitskräften steigt also ständig. Längst ist der Wettbewerb der Nationen um die billigsten Arbeitskräfte entbrannt. Die Konzerne verlagern zunehmend die Produktion aus den reichen Industrieländern mit ihren verhältnismäßig hohen Löhnen in Billiglohngebiete. Beliebt sind die osteuropäischen Staaten, deren Lohnniveau umso niedriger ist, je weiter östlich sie liegen; China lockt nicht nur mit Billiglöhnen, sondern auch mit einem potentiell riesigen Markt. Die Verhältnisse kehren sich um: Wurden früher durch die führenden kapitalistischen Länder Waren exportiert und Rohstoffe importiert, folgte in der weiteren Entwicklung der Kapitalexport, jetzt ergänzt durch den massiven Warenimport aus den Billiglohnländern. Dieser Warenimport verschärft in den alten Industrieländern, die noch immer mit ihrer ökonomischen Kraft die Weltwirtschaft beherrschen, die Arbeitslosigkeit. Der Bodensatz aller kapitalistischen Gesellschaften ist arbeitslos – weltweit. In Krisengebieten liegt die Arbeitslosigkeit weit über 50%.

Der Imperialismus ist längst nicht mehr imstande, alle vorhandene Arbeitskraft auszubeuten. Der Anteil der weltweit überflüssigen Bevölkerung vergrößert sich von Jahr zu Jahr. Die Bourgeoisie „ist unfähig zu herrschen, weil sie unfähig ist, ihren Sklaven die Existenz selbst innerhalb seiner Sklaverei zu sichern, weil sie ihn ernähren muss, statt vom ihm ernährt zu werden“[187], schrieben schon Marx und Engels ins Manifest. Langsam geht die Bourgeoisie dazu über, ihre überzähligen Sklaven verhungern zu lassen.

Die Vergesellschaftung der Produktion hat weltweit zugenommen; sogenannte Global Player beherrschen die Weltwirtschaft; das Finanzkapital herrscht unbeschränkt. Die Arbeitsteilung wird zunehmend international und ist soweit fortgeschritten, dass die einzelne Ware, bis sie zum Endverbraucher gelangt, durch immer mehr kapitalistische Unternehmen in verschiedenen Ländern geht. Die Jagd nach dem billigsten Lieferanten vom Einzelteilen oder Produkten verschiedener Verarbeitungsstufen geht über alle Kontinente. Mit dieser (internationalen) Arbeitsteilung wachsen die Märkte und geben der kapitalistischen Produktionsweise den Anschein von Dynamik. Wie schon zu Marxens Zeiten wächst die organische Zusammensetzung des Kapitals (das Wachstum der Abteilung I erfolgt schneller als das der Abteilung II) und damit fällt tendenziell die Profitrate. Das verstärkt die Flucht arbeitsintensiver Produktion in die Billiglohnländer. Um dem Fall der Profitrate zumindest teilweise entgegenzuwirken, drückt das Kapital immer energischer auf die Löhne, um den Preis der Arbeitskraft weit unter ihren Wert zu drücken.

Durch die immer weiter vorangetriebene Arbeitsteilung wird der Produktionsprozess immer weniger durchschaubar. Der Arbeiter macht nicht nur keine Sache mehr ganz, oft bleibt ihm der Zusammenhang seiner Arbeit mit einem konkreten Produkt völlig fremd. Er verliert die Qualifikation, wird zum einseitigen und damit unqualifizierten Spezialisten. Berufserfahrung entwertet sich, jegliches Interesse an der konkreten Arbeit geht verloren. Arbeitsteilung ist erklärtes Ziel der kapitalistischen Gesellschaft – die moderne bürgerliche Gesellschaft braucht keine allseits entwickelten und gebildeten Menschen, sondern nur „Experten“ für jedes Spezialgebiet. Durch die fortschreitende Entfremdung der Werktätigen von der Arbeit geht deren Reiz verloren, es bleiben nur noch Nützlichkeitsbestrebungen, die „Jagd nach Profit“ im Kleinen.

Die Grenze der Verwertbarkeit der Arbeitskraft ist die Erwirtschaftung mindestens des Durchschnittsprofits. Die steigende organische Zusammensetzung des Kapitals zeigt sich darin, dass „die Schaffung von Arbeitsplätzen“ immer teurer wird, d.h., der Kapitalist muss immer mehr Kapital in Ausrüstung und Vorprodukt zur Verfügung stellen, um einen Arbeiter zusätzlich beschäftigen zu können. Außerdem kann er den zusätzlichen Arbeiter nur beschäftigen, wenn die zusätzlichen Produkte auch verkaufbar sind – aber alle Märkte sind aufgeteilt. Es kommt zum Verdrängungswettbewerb, der die Löhne weiter unter Druck setzt. Arbeit, die keinen hinreichend großen Gewinn abwirft, wird einfach nicht oder nur schlecht erledigt. Oase der Verwahrlosung tauchen immer häufiger an unerwarteten Stellen auf. Selbst in den reichen Ländern verrottet die Infrastruktur nicht nur in den Armenvierteln.

6. Der kapitalistische Entwicklungsweg.

Die imperialistischen Hauptländer sind immer noch die, die schon Lenin Anfang des 20. Jahrhunderts kennt. Die Konzerne dieser Länder haben ungeheure Mengen an Kapital angehäuft, um mit Hilfe der aggressiven Politik ihrer Staaten die ganze Welt abhängig zu machen. Der kapitalistische Entwicklungsweg führt für die meisten Länder, die nicht zu diesem erlauchten Kreis gehören, ins Elend. Das erfuhren nicht nur die Länder Afrikas, Lateinamerikas und Asiens, sondern auch die ehemals sozialistischen Länder Osteuropas. Die Wirtschaft brach ein, die Bevölkerung verarmte; in den neuen Bananenrepubliken blüht die Korruption und arbeitet das ausländische Kapital, selbst bei den Musterschülern der westlichen Demokratie, wie Polen oder Tschechien, die „alles richtig“ machten. Eine Ausnahme bildet China, das eine „gelenkte Marktwirtschaft“ unter Beibehaltung eines noch relativ starken staatlichen Sektors einführte. Aufgrund des zunehmenden Kapitalex- und Warenimports durch die führenden imperialistischen Staaten gelang China eine erfolgreiche Wirtschaftsentwicklung, die die chinesische Wirtschaft zur Zeit zur dynamischsten Volkswirtschaft der Welt macht. Diese Entwicklung vollzog sich fast unbemerkt und gegen den Willen der Kapitalexporteure: doch plötzlich blicken die führenden imperialistischen Staaten besorgt nach Osten. Auch Russland betreibt seit einigen Jahren eine dem nationalen Interesse dienender Wirtschaftspolitik, um nicht ein halbkoloniales Anhängsel der führenden imperialistischen Mächte zu werden. Ebenfalls seit einigen Jahren entstehen antiimperialistische Wirtschafts- bzw. Handelsbündnisse in Lateinamerika, Afrika, Eurasien.

Die kapitalistische Welt verändert sich. Das Gesetz der ungleichen Entwicklung wirkt nach dem Untergang des sozialistischen Weltsystems wieder mit voller Kraft.

7. Entwicklungstrends.

Die weltweite Konkurrenz treibt die Entwicklung der Produktivkräfte und die Konzentration des Kapitals weiter voran. Die Ausbeutung verschärft sich (der Anteil des Mehrwerts m am Arbeitstag wächst immer mehr, das variable Kapital v wird tendenziell immer weiter unter den Wert der Arbeitskraft gedrückt). Die strukturelle Arbeitslosigkeit wächst weltweit weiter, weil das Kapital zunehmend ausbeutungsunfähig wird: Immer weniger müssen immer mehr arbeiten, der Rest sieht hungrig zu.

Der Kampf um die knappen Rohstoffquellen wird härter und schon jetzt erfolgen die Auseinandersetzungen immer öfter kriegerisch.

Der imperialistische Weltzustand führt die Menschen immer wieder in Elend und Verzweiflung und zeigt ihnen, dass sie keine Chance zum Leben bekommen. Widerstand formiert sich immer wieder neu. Volksdemokratische Bewegungen veränderten das Kräfteverhältnis in Lateinamerika und richten sich konkret gegen den USA-Imperialismus. Kuba verbündet sich mit Venezuela. Streikwellen fluten fast unaufhörlich durch die imperialistischen Zentren und richten sich gegen die Verschlechterung des Arbeiterlebens. Der Islamismus ist ebenfalls nur eine Antwort der dritten Welt auf die „westlichen Werte“, den Kapitalismus. Fundamentalismus wird gegen brutalen Kapitalismus gesetzt und der kapitalistische „Werteverfall“ zum Feindbild gemacht. Der Islamismus sucht die heile Welt der guten alten (vorkapitalistischen) Zeit. Dieser Kampf muss scheitern, auch wenn er noch so erbittert geführt wird: Aus dem imperialistischen Elend heraus führt nicht der Weg zurück, sondern nur der Weg nach vorn:die kapitalistischen Produktionsweise muß durch die kommunistische Produktionsweise abgelöst werden. In der Arbeiterbewegung herrscht der Opportunismus. In den imperialistischen Zentren erfolgt die Bestechung der Führungsschicht der Arbeiterklasse ganz ungeniert: Gewerkschaftsbosse sitzen in den Aufsichtsräten der Konzerne. Doch die sich verschlechternde Lage der Arbeiterklasse zwingt zunehmend zum ökonomischen Klassenkampf. Das ist heute schon viel, denn nach der Blamage des realexistierenden Sozialismus sieht die Arbeiterklasse vorerst keine Perspektive. Bezahlte „Vordenker“ der Bourgeoisie beruhigen die Arbeiterklasse und das ganze Volk wie immer mit den Thesen von der Reformfähigkeit des Kapitalismus. Für den unruhigeren Teil des Volkes wird nach einem „Dritten Weg“ gesucht.

8. Gefahren der imperialistischen Barbarei.

Der Imperialismus ist seit seinem Beginn eine Bedrohung der Menschheit. Was haben die hundert Jahre Imperialismus seit Lenin den armen Ländern gebracht? - Zwei Weltkriege. Umweltschäden. Rohstoffknappheit. Doch die Armen sind arm geblieben, abgesehen von einigen hochindustrialisierte Stützpunkten in den Ländern der Dritten Welt. Die ehemals sozialistische Staaten verarmten. Der dreiste Raub des Volkseigentums und der damit verbundene Wegfall von Arbeitsplätzen sowie Währungskrisen brachten die Bevölkerung um ihr Hab und Gut. In diesen Ländern kam es zur Bildung einer Klasse neuer Kapitalisten, denen man noch ansieht, wie kriminell sie sind.

Der realexistierende Sozialismus war Zeit seines Lebens eine Friedensmacht und konnte den Imperialismus vom Krieg zurückhalten. Der Frieden ist heute viel labiler geworden. Kriege und die ungenierte Androhung diverser militärischer Strafaktionen stehen auf der Tagesordnung.

Die Friedensbewegung des Westens wurde zum Mittel des Klassenkampfs gegen den Sozialismus, weil sie die Hauptkriegsgefahr nicht im imperialistischen System, sondern zunehmend in der „Systemauseinandersetzung“ zwischen den „freien“ Westen und dem „Sowjetimperialismus“ sah. Heute unterstützen viele ehemalige Friedensfreunde im Namen von „Freiheit, Demokratie und Menschenrechten“ die Kriege der USA und der NATO.

So lange das imperialistische System besteht, werden Kriege geführt.. Diese „lokalen“ Kriege tragen stets die Gefahr eines neuen Weltkrieges in sich. Ein neuer Weltkrieg unter dem Einsatz von Massenvernichtungswaffen aber kann die Existenz der ganzen Menschheit gefährden.

Neben der Kriegsgefahr nimmt die Verelendung eines immer größeren Teils der Menschheit gewaltige Ausmaße an. Die Natur und die Naturschätze sind einem gnadenlosen Raubbau unterworfen. Umweltschutz ist mit einer Menge Privateigentümer, die jährlich ihren Maximalprofit sichern müssen, nicht realisierbar.

Die sinkende Profitrate treibt das Kapital in Billiglohnländer und führt so zur Verarmung der Bevölkerung der Metropolen. Die sinkende Profitrate heizt Spekulationen an, weil immer mehr Geldkapital vorhanden ist, das sich verwerten soll, die Verwertungsmöglichkeiten der Realwirtschaft sind aber begrenzt. Ständig lauert deshalb die Gefahr des Börsenkrachs, der Inflation, die die normalen Krisen verschärfen.

9. Die Frage der Kleinproduzenten.

Die Bauernschaft ist weitgehend ruiniert, hat großen Landwirtschaftsbetrieben Platz gemacht. Dieser Prozess ist aber nicht vollständig abgeschlossen, es erhalten sich Reste der Kleinproduktion: Nebenerwerbslandwirtschaft, Spargel- und Weinbauern, also Spezialisten, auch Neugründungen wie industrielle Geflügelhaltung im Kleinformat.

Die Kleinproduzenten sind als Klasse aber auch in den Metropolen keineswegs verschwunden, im Gegenteil, sie entstehen immer wieder neu trotz der fortschreitenden Konzentration des Kapitals. Auch der technische Fortschritt verhindert die Kleinproduktion nicht.

Kleinproduzenten entstehen heute immer wieder in fast allen Zweigen der Wirtschaft. Das große Kapital ist bestrebt, dem tendeziellen Fall der Profitrate entgegenzuwirken. Teilprozesse werden aus bestehenden Unternehmen ausgegliedert, weil sie gewinnmindernd wirken. Früher gehörten zu einem ordentlichen Betrieb ganz selbstverständlich z.B. Buchhaltung, Transport oder Reinigung. Heute wird nicht nur bei diesen Nebenprozessen, sondern bei ganzen Produktionsstufen geprüft, ob eine Fremdfirma das nicht billiger erledigen könnte. So werden spezielle Dienstleistungsfirmen im Inland beauftragt, Zulieferteile aus dem Billiglohn-Ausland bezogen oder ehemalige Betriebsabteilungen verselbständigt. Das „Kerngeschäft“ soll die hohe Profitrate (mindestens Durchschnitt) sichern.

Ein Kleinproduzent muss nicht die Durchschnittsprofitrate erzielen, denn bekommt er als Selbstarbeitender den Arbeitslohn v und wird mit einem Bruchteil vom Mehrwert m abgespeist, so steht er nicht schlechter da als ein Betriebsangehöriger. Neuentstehende Kleinunternehmen zahlen ihren Arbeitern in der Regel einen Lohn unter dem üblichen Niveau. Die Produktivkraftentwicklung kann dazu führen, dass ausgelagerte Prozesse produktiver werden, z.B. durch Software-Einsatz in Buchhaltungsfirmen. In diesem Falle findet dann wieder Wachstum und Konzentration statt. Die new oeconomy in den 90er Jahren zeigte, wie Massen von Kleinstfirmen entstehen und zu Grunde gehen. Einige wenige schafften es, groß und reich zu werden.

Kleinproduzenten entstehen immer wieder in Massen und werden in Massen in den Ruin getrieben. Oft führt der Weg aus der Arbeitslosigkeit in die Scheinselbständigkeit und von da zum Schuldenberg. Aber die Kleinproduzenten sind Kleinbürger und leben so lange von der Hoffnung, es doch bis nach oben zu schaffen, Bourgeois zu werden, bis sie gnadenlos ins Proletariat zurückgestoßen werden.

Neben ihrer ökonomischen Funktion, die Profitrate der großen Kapitaleigentümer zu stabilisieren, wirken die Kleinproduzenten mit ihrer ausgeprägten Eigentümermentalität (einerseits Werktätiger, andererseits Eigentümer seiner schäbigen Produktionsmittel) als Kitt der bürgerlichen Gesellschaft.

10. Dynamik des Imperialismus.

Das Auf und Ab der Pleiten und Firmen-Neugründungen erzeugt den Anschein von Wirtschaftsdynamik. Doch diese Art von Dynamik wird zur Existenzbedrohung für immer größere Bevölkerungsteile. Verarmung, jahrelange Arbeitslosigkeit, Ruin der Kleinproduzenten, Firmenübernahmen, Firmenverlagerung und Firmenzerschlagung ruinieren ganze Landstriche, sogar ganze Staaten. Diese Dynamik ist eine Dynamik der sich verschärfenden allgemeinen Krise des Kapitalismus. Der Arbeiter, und auch große Teile der Intelligenz, können nicht mehr „Verantwortung für sich selbst übernehmen“, weil sie nicht wissen, ob ihre Arbeitskraft morgen noch nachgefragt wird. Die zunehmende Verunsicherung zeigt sich z.B. im Rückgang der Geburtenraten in Europa. Etliche der „führenden Industriestaaten“ haben ein „Demographie-Problem“: nicht einmal die einfache Reproduktion der Bevölkerung ist gesichert. Das ist ein vernichtendes Urteil, das der Imperialismus sich selbst spricht. Das „Altern der Gesellschaft“ ist nicht nur biologisch, sondern viel mehr historisch zu sehen. Imperialismus ist sterbender Kapitalismus, reißt die ganze Gesellschaft in den Untergang; durch Katastrophen oder schleichend. Der Imperialismus hat sich überlebt und im Interesse der Menschheit muss er überwunden werden.

Den Untergang des Imperialismus konnten bis jetzt nur die Sozialisten verhindern, die am sozialistischen Aufbau scheiterten.

11. Kurze Zusammenfassung

1. Die charakteristischen Merkmale des Imperialismus sind unverändert. Der Charakter der Epoche ist der Übergang vom Imperialismus zum Sozialismus.

2. Der Imperialismus entwickelte langfristige Gegenstrategien gegen den Sozialismus. Die nach dem Zerfall des Kolonialsystems entstehenden jungen Nationalstaaten wurden gezielt mit ökonomischen, politischen und militärischen Mitteln auf den kapitalistischen Entwicklungsweg gedrängt. Der Arbeiterklasse in den imperialistischen Staaten wurde mittels Keynesianismus eine „sozialstaatliche Marktwirtschaft“ vorgegaukelt, die revolutionäre Veränderungen angeblich überflüssig macht..

3. Mit dem Sieg der Konterrevolution 1989/90 stellte der Imperialismus die einheitliche kapitalistische Welt wieder her. Seitdem verschärft sich die Ausbeutung schnell, die Widersprüche innerhalb des imperialistischen System brechen mit neuer Wucht auf.

4. Der Imperialismus zeigt sich immer deutlicher als faulender, sterbender Kapitalismus. Die ökonomische Krise wird chronisch. Der Imperialismus stößt weltweit immer mehr Menschen ins Elend, weil er nicht mehr imstande ist, sie auszubeuten, andere Existenzmöglichkeiten aber dank der imperialistischen Entwicklung nicht mehr vorhanden sind. Die Verwertung des Geldkapitals stößt an die Grenzen der realen Wirtschaft. Kriege und Umweltzerstörung sind zur Normalität geworden.

5. Mit der Vertiefung der Arbeitsteilung, der ständigen Umverlagerung des Kapitals sowie der Ruinierung und Erzeugung von Kleinproduzenten erweckt der Imperialismus den Anschein von Dynamik. Diese Dynamik ist eine Dynamik der Krise und trägt dazu bei, dass die Existenz immer größerer Bevölkerungsteile bedroht ist.

6. Der Imperialismus hat sich überlebt und muss im Interesse der Menschheit überwunden werden.