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Der Arbeitslohn

1. Der Preis der Arbeitskraft. Das Wesen des Arbeitslohns.
2. Die Grundformen des Arbeitslohns.
3. Antreiber-Lohnsysteme.
4. Nominallohn und Reallohn.
5. Das Sinken des Reallohns im Kapitalismus.
6. Der Kampf der Arbeiterklasse um die Erhöhung des Arbeitslohns.
7. Kurze Zusammenfassung

1. Der Preis der Arbeitskraft. Das Wesen des Arbeitslohns.

Wie jede andere Ware hat auch die Arbeitskraft in der kapitalistischen Produktionsweise einen Wert. Der in Geld ausgedrückte Wert der Arbeitskraft ist der Preis der Arbeitskraft.

Der Preis der Arbeitskraft unterscheidet sich vom Preis der übrigen Waren. Verkauft ein Warenproduzent zum Beispiel Leinwand auf dem Markt, dann stellt die ihm dafür gezahlte Geldsumme nichts anderes dar als den Preis der verkauften Ware. Wenn aber der Proletarier seine Arbeitskraft an den Kapitalisten verkauft und dafür eine bestimmte Geldsumme in Form des Arbeitslohns erhält, dann entsteht der Anschein, als stelle diese Geldsumme nicht den Preis der Ware Arbeitskraft, sondern den Preis der Arbeit dar.

Dies hat folgende Ursachen. 1. zahlt der Kapitalist dem Arbeiter erst dann einen Arbeitslohn, wenn der Arbeiter bereits gearbeitet hat. 2. wird der Arbeitslohn entweder anhand der Menge der geleisteten Arbeitszeit (Stunden, Tage, Wochen) oder anhand der Menge der hergestellten Erzeugnisse festgelegt. Verwenden wir das obige Beispiel. Angenommen, der Arbeiter arbeite 8 Stunden am Tag. Im Verlaufe von 4 Stunden schafft er einen Wert von 80 Euro, der dem Wert seiner Arbeitskraft entspricht. Während der restlichen 4 Stunden schafft er einen Wert von 80 Euro, den sich der Kapitalist als Mehrwert aneignet. Da der Kapitalist aber den Proletarier für den vollen Arbeitstag gedungen hat, bezahlt er ihm für die ganzen 8 Stunden Arbeit 80 Euro. Auf diese Weise entsteht die Vorstellung, als sei der Arbeitslohn der Preis der Arbeit, als würde mit den 80 Euro der ganze 8stündige Arbeitstag voll bezahlt. In Wirklichkeit aber stellen die 80 Euro nur den Tageswert der Arbeitskraft dar, während die Arbeit des Proletariers einen Wert von 160 Euro geschaffen hat. Wenn sich hingegen die Bezahlung nach der Menge der hergestellten Erzeugnisse richtet, entsteht der Anschein, als werde dem Arbeiter die von ihm zur Herstellung einer jeden Wareneinheit aufgewandte Arbeit bezahlt, d.h., auch hier entsteht die Vorstellung, als erhalte der Arbeiter die aufgewandte Arbeit voll bezahlt.

Diese falsche Vorstellung ist kein zufälliger Irrtum. Sie ergibt sich aus den spezifischen Bedingungen der kapitalistischen Produktion, bei der die Ausbeutung verdeckt, d.h. maskiert ist und sich das Verhältnis des Unternehmers zum Lohnarbeiter in entstellter Form, als Verhältnis einander gleicher Warenbesitzer darstellt.

In Wirklichkeit stellt der Arbeitslohn des Lohnarbeiters nicht den Wert oder Preis seiner Arbeit dar. Wenn die Arbeit eine Ware ist und Wert besitzt, so muss die Größe dieses Werts durch irgend etwas gemessen werden. Offensichtlich muss die Größe des „Werts der Arbeit“ wie bei jeder anderen Ware durch die Menge der in ihr enthaltenen Arbeit gemessen werden. Unter dieser Voraussetzung ergibt sich der fehlerhafte Schluss: Arbeit wird durch Arbeit gemessen.

Ferner, wenn der Kapitalist dem Arbeiter den „Wert der Arbeit“ bezahlte, d.h., wenn er die Arbeit voll bezahlte, dann gäbe es keine Quelle für das Wachstum des investierten Kapitals und damit keine Bereicherung des Kapitalisten. Mit anderen Worten, unter dieser Voraussetzung könnte die kapitalistische Produktionsweise überhaupt nicht bestehen.

Die Arbeit schafft den Wert der Waren, ist aber selbst keine Ware und besitzt daher selbst keinen Wert. Das, was im gewöhnlichen Leben „Wert der Arbeit“ genannt wird, ist in Wirklichkeit der Wert der Ware Arbeitskraft.

Der Kapitalist kauft also auf dem Markt nicht die Arbeit, sondern eine besondere Ware – die Arbeitskraft. Der Gebrauch der Arbeitskraft, das heißt die Verausgabung von Muskel, Nerv und Hirn des Arbeiters, ist die Arbeit im Produktionsprozess. Der Wert der Arbeitskraft ist stets geringer als der durch die Arbeit des Arbeiters geschaffene Neuwert. Da aber der Arbeitslohn der Form nach die Bezahlung der Arbeit zu sein scheint, entsteht die Vorstellung, als werde der gesamte Arbeitstag voll bezahlt. Daher nennt Marx den Arbeitslohn in der bürgerlichen Gesellschaft die verwandelte Form des Werts oder Preises der Arbeitskraft. Marx stellt fest, dass der Arbeitslohn „nicht das ist, was er zu sein scheint, nämlich der Wert, respektive Preis der Arbeit, sondern nur eine maskierte Form für den Wert, respektive Preis der Arbeitskraft.“[58] Der Arbeitslohn ist der Geldausdruck des Werts der Arbeitskraft, ihr Preis, der als Preis der Arbeit erscheint.

In der Sklavenhaltergesellschaft findet zwischen Sklavenhalter und Sklave kein Kauf und Verkauf der Arbeitskraft statt. Der Sklave ist Eigentum des Sklavenhalters. Daher entsteht der Anschein, als verrichte der Sklave die gesamte Arbeit unentgeltlich, als sei sogar der Teil der Arbeit, der die Aufwendungen für die Erhaltung des Sklaven ersetzt, unbezahlte Arbeit, Arbeit für den Sklavenhalter. In der Feudalgesellschaft sind die notwendige Arbeit des Bauern in der eigenen Wirtschaft und die Mehrarbeit in der Wirtschaft des Gutsherrn zeitlich und räumlich deutlich voneinander geschieden. In der kapitalistischen Ordnung dagegen erscheint selbst die unbezahlte Arbeit des Lohnarbeiters als bezahlt.

Der Arbeitslohn löscht jede Spur der Teilung des Arbeitstages in notwendige und Mehrarbeitszeit, in bezahlte und unbezahlte Arbeit aus und maskiert damit das Verhältnis der kapitalistischen Ausbeutung.

2. Die Grundformen des Arbeitslohns.

Die Grundformen des Arbeitslohns sind: 1. der Zeitlohn und 2. der Stücklohn (Akkordlohn).

Der Zeitlohn ist die Form des Arbeitslohns, bei der die Höhe des Verdienstes des Arbeiters direkt von der geleisteten Arbeitszeit – Stunden, Tage, Wochen, Monate – abhängig ist. Dementsprechend unterscheidet man: Stundenlohn, Tageslohn, Wochenlohn, Monatslohn.

Bei ein und derselben Höhe des Zeitlohns kann die tatsächliche Bezahlung des Arbeiters unterschiedlich sein, je nach der Dauer des Arbeitstages. Als Maß der Bezahlung des Arbeiters für die von ihm in einer bestimmten Zeiteinheit aufgewandte Arbeit dient der Preis der einzelnen Arbeitsstunde. Obwohl die Arbeit selbst, wie wir festgestellt haben, keinen Wert und somit auch keinen Preis besitzt, wird, um die Höhe der Entlohnung des Arbeiters zu bestimmen, der bedingt gebrauchte Ausdruck „Preis der Arbeit“ verwandt. Als Maßeinheit für den „Preis der Arbeit“ dient die Bezahlung für eine Arbeitsstunde bzw. der Preis einer Arbeitsstunde. Wenn also der durchschnittliche Arbeitstag 8 Stunden währt und der durchschnittliche Tageswert der Arbeitskraft 80 Euro beträgt, beläuft sich der Durchschnittspreis der Arbeitsstunde 10 Euro.

Der Zeitlohn gibt dem Kapitalisten die Möglichkeit, die Ausbeutung des Arbeiters durch Verlängerung des Arbeitstages zu verstärken und den Preis der Arbeitsstunde herabzudrücken, indem er den Arbeitslohn für einen Tag, eine Woche bzw. einen Monat unverändert lässt. Nehmen wir an, dass der Tageslohn derselbe bleibt wie vorher – 80 Euro –, während der Arbeitstag von 8 auf 10 Stunden verlängert wird; in diesem Fall sinkt der Preis einer Arbeitsstunde 10 Euro auf 8 Euro. Unter dem Druck der Forderungen der Arbeiter ist der Kapitalist bisweilen genötigt, den Tageslohn (und entsprechend den Wochenlohn bzw. Monatslohn) zu erhöhen; hierbei kann jedoch der Preis einer Arbeitsstunde unverändert bleiben oder sogar fallen. Wenn z.B. der Tageslohn von 80 Euro auf 96 Euro erhöht und der Arbeitstag zugleich von 8 auf 12 Stunden verlängert wird, dann sinkt der Preis der Arbeitsstunde auch in diesem Fall auf 8 Euro.

Ein Anwachsen der Intensivierung der Arbeit bedeutet faktisch ebenfalls ein Sinken des Preises der Arbeitsstunde, weil bei erhöhtem Energieaufwand – was einer Verlängerung des Arbeitstages gleichkommt – der Lohn derselbe bleibt wie vorher. Ist der Preis der Arbeitsstunde des Proletariers gesunken, so muss dieser, um existieren zu können, entweder mit größerer Anspannung arbeiten oder aber eine weitere Verlängerung des Arbeitstages in Kauf nehmen. Maßlose Intensivierung der Arbeit wie auch Verlängerung des Arbeitstages führt zu erhöhter Verausgabung von Arbeitskraft und damit zur Untergrabung der Arbeitskraft. Je geringer die einzelne Arbeitsstunde bezahlt wird, desto größer die Arbeitsmenge, die der Arbeiter aufwenden muss, bzw. desto länger der von ihm abzuleistende Arbeitstag, damit er überhaupt auf seinen, wenn auch kläglichen, Lohn kommt.

Den Umstand, dass sich mit der Verlängerung des Arbeitstages bzw. mit der Steigerung der Arbeitsintensität die Bezahlung für die einzelne Arbeitsstunde verringert, nutzt der Kapitalist in seinem Interesse aus. Bei günstigen Bedingungen für den Absatz der Waren verlängert er den Arbeitstag, indem er Überstundenarbeit einführt, das heißt Arbeit über die Dauer des festgelegten Arbeitstages hinaus. Wenn jedoch die Marktbedingungen ungünstig sind und der Kapitalist die Produktion zeitweilig einschränken muss, dann verkürzt er den Arbeitstag und führt den Stundenlohn ein. Durch den Stundenlohn wird bei nicht vollem Arbeitstag oder bei nicht voller Arbeitswoche der Arbeitslohn erheblich vermindert. Wenn in unserem Beispiel der Arbeitstag von 8 auf 4 Stunden verkürzt wird und der frühere Arbeitslohn von 10 Euro für die Stunde bestehen bleibt, dann beträgt der Tageslohn des Arbeiters insgesamt 40 Euro, d.h. die Hälfte des Tageswerts der Arbeitskraft. Folglich verliert der Arbeiter nicht nur bei übermäßiger Ausdehnung des Arbeitstages an Lohn, sondern auch dann, wenn er zu Kurzarbeit gezwungen ist.

„Der Kapitalist kann jetzt ein bestimmtes Quantum Mehrarbeit aus dem Arbeiter herausschlagen, ohne ihm die zu seiner Selbsterhaltung notwendige Arbeitszeit einzuräumen. Er kann jede Regelmäßigkeit der Beschäftigung vernichten und ganz nach Bequemlichkeit, Willkür und augenblicklichem Interesse die ungeheuerste Überarbeit mit relativer oder gänzlicher Arbeitslosigkeit abwechseln lassen.“[59]

Beim Zeitlohn ist die Höhe des Verdienstes des Arbeiters nicht direkt vom Intensitätsgrad seiner Arbeit abhängig: mit der Steigerung der Arbeitsintensität erhöht sich der Zeitlohn nicht; der Preis der Arbeitsstunde sinkt faktisch. Um die Ausbeutung zu verstärken, beschäftigt der Kapitalist besondere Aufsichtspersonen, die dafür Sorge tragen, dass die Arbeiter die kapitalistische Arbeitsdisziplin einhalten und noch intensiver arbeiten.

Der Zeitlohn war auf den ersten Entwicklungsstufen des Kapitalismus verbreitet, als der Unternehmer eine Erhöhung des Mehrwerts durch Verlängerung des Arbeitstages erreichen konnte, ohne dabei schon auf einen irgendwie organisierten Widerstand der Arbeiter zu stoßen. Der Zeitlohn wird jedoch auch im höchsten Stadium des Kapitalismus beibehalten. In einer Reihe von Fällen bietet er dem Kapitalisten nicht geringe Vorteile: durch Beschleunigung der Laufgeschwindigkeit oder der Anzahl der zu überwachenden Maschinen zwingt der Kapitalist die Arbeiter, immer intensiver zu arbeiten, ohne dass er den Zeitlohn erhöht.

Der Stücklohn (Akkordlohn) ist die Form des Arbeitslohns, bei der die Höhe des Verdienstes des Arbeiters direkt von der Menge der in einer bestimmten Zeiteinheit von ihm hergestellten Erzeugnisse oder Einzelteile. bzw. von der Menge der ausgeführten Operationen abhängig ist. Beim Zeitlohn wird die vom Arbeiter aufgewandte Arbeit durch die Dauer der Arbeit gemessen, beim Stücklohn aber durch die Menge der hergestellten Erzeugnisse (oder ausgeführten Operationen), von denen jedes nach bestimmten Stückpreisen bezahlt wird.

Bei der Festlegung der Stückpreise geht der Kapitalist 1. vom Tageszeitlohn des Arbeiters und 2. von der Menge der Erzeugnisse oder Einzelteile aus, die der Arbeiter im Verlaufe des Arbeitstages herstellt, wobei als Norm gewöhnlich die Höchstleistung bestimmter Arbeiter zugrunde gelegt wird. Wenn der durchschnittliche Tageslohn in dem betreffenden Produktionszweig bei Bezahlung im Zeitlohn 80 Euro beträgt und der Arbeiter eine Menge von 40 Erzeugnissen einer bestimmten Art herstellt, so beträgt der Stückpreis für das Erzeugnis bzw. den Einzelteil 2 Euro. Der Stückpreis wird von dem Kapitalisten so berechnet, dass kein höherer Stundenlohn (und entsprechend Tageslohn bzw. Wochenlohn) für den Arbeiter herauskommt als beim Zeitlohn. Somit ist der Stücklohn im Grunde genommen eine modifizierte Form des Zeitlohns.

Der Akkordlohn erweckt in noch höherem Maße als der Zeitlohn den Anschein, als verkaufe der Arbeiter dem Kapitalisten nicht die Arbeitskraft, sondern die Arbeit und erhalte dafür den vollen Arbeitslohn in Übereinstimmung mit der Menge der hergestellten Erzeugnisse.

Der kapitalistische Akkordlohn bewirkt eine ständige Steigerung der Arbeitsintensität. Gleichzeitig erleichtert er dem Unternehmer die Überwachung der Arbeiter. Der Grad der Arbeitsintensität wird hier vermittels der Quantität und Qualität der Erzeugnisse kontrolliert, die der Arbeiter herstellen muss, um die notwendigen Existenzmittel zu erlangen. Der Arbeiter ist gezwungen, mehr Erzeugnisse herzustellen, immer intensiver zu arbeiten. Sobald aber ein mehr oder weniger großer Teil der Arbeiter das neue, erhöhte Niveau der Arbeitsintensität erreicht, setzt der Kapitalist die Stückpreise herab. Wenn in unserem Beispiel der Stückpreis, wie wir annehmen wollen, auf die Hälfte herabgedrückt wird, muss der Arbeiter, um den früheren Verdienst zu erzielen, für 2 Mann arbeiten, das heißt, er muss entweder länger arbeiten oder die Arbeitsintensität noch mehr steigern, um im Verlaufe des Arbeitstages nicht 40, sondern 80 Erzeugnisse herzustellen. „Der Arbeiter sucht die Masse seines Arbeitslohns zu behaupten, indem er mehr arbeitet, sei es, dass er mehr Stunden arbeitet, sei es, dass er mehr in derselben Stunde liefert... Das Resultat ist: Je mehr er arbeitet, um so weniger Lohn erhält er.“[60] Darin besteht die wichtigste Besonderheit des Akkordlohns im Kapitalismus.

Der Zeitlohn und der Stücklohn werden nicht selten in ein und demselben Betrieb gleichzeitig angewandt. Im Kapitalismus sind diese beiden Formen des Arbeitslohns nur verschiedene Mittel zur Verschärfung der Ausbeutung der Arbeiterklasse. Der kapitalistische Akkordlohn liegt den Antreiber-Lohnsystemen zugrunde, die in den bürgerlichen Ländern angewandt werden.

3. Antreiber-Lohnsysteme.

Der wichtigste Zug des kapitalistischen Stücklohns ist die maßlose Intensivierung der Arbeit, die alle Kräfte des Arbeiters aussaugt. Dabei ersetzt der Lohn in keiner Weise die erhöhte Verausgabung von Arbeitskraft. Wenn eine bestimmte Grenze in bezug auf die Länge des Arbeitstages oder die Arbeitsintensität überschritten ist, kann keine zusätzliche Entschädigung die direkte Zerstörung der Arbeitskraft abwenden.

Durch die Anwendung alle Kräfte auszehrender Methoden der Arbeitsorganisation in den kapitalistischen Betrieben zeigt sich gewöhnlich am Ende des Arbeitstages eine Überanstrengung der Muskel- und Nervenkräfte des Arbeiters, wodurch die Arbeitsproduktivität sinkt. In seinem Streben nach Vergrößerung des Mehrwerts greift der Kapitalist zu verschiedenen Antreiber-Lohnsystemen, um während des gesamten Arbeitstages eine hohe Arbeitsintensität zu erzielen. Den gleichen Zwecken dient im Kapitalismus auch die so genannte „wissenschaftliche Arbeitsorganisation“, der generell das Prinzip der maximalen Steigerung der Arbeitsintensität zugrunde liegt.

Das Taylorsystem: Die kräftigsten und geschicktesten Arbeiter werden gezwungen, mit maximaler Anspannung zu arbeiten. Die Zeitdauer eines jeden einzelnen Arbeitsganges wird in Sekunden und Bruchteilen von Sekunden festgehalten. Unter Zugrundelegen der gestoppten Zeiten werden Produktionsregime und Zeitnormen für die gesamte Masse der Arbeiter festgelegt. Bei Übererfüllung der Norm erhält der Arbeiter einen geringen Zuschlag zum Tageslohn, eine Prämie; wenn der Arbeiter die Norm nicht erfüllt, wird er nach stark herabgesetzten Sätzen bezahlt. Die kapitalistische Arbeitsorganisation nach dem Taylorsystem holt alle Kräfte aus dem Arbeiter heraus, verwandelt ihn in einen Automaten, der mechanisch ein und dieselbe Bewegung ausführt.

W. I. Lenin führt ein konkretes Beispiel (Verladen von Gussstücken) dafür an, wie ein Kapitalist bei Einführung des Taylorsystems allein bei einem einzigen Arbeitsgang die Anzahl der Arbeiter von 500 auf 140 Personen, das heißt um 72%, verringern konnte; durch die ungeheuerliche Steigerung der Arbeitsintensität erhöhte sich die Tagesnorm des Arbeiters für das Verladen von 16 t auf 59 t, das heißt auf das 3,7fache; während der Arbeiter im Verlaufe eines Tages die gleiche Arbeit verrichtete, für die er vorher 3 bis 4 Tage benötigte, erhöhte sich sein Tageslohn nominell insgesamt um 63% (und das auch nur in der ersten Zeit). Mit anderen Worten, mit der Einführung dieses Lohnsystems verminderte sich der Tageslohn des Arbeiters im Vergleich zur aufgewandten Arbeit tatsächlich um 56,5%. „Im Ergebnis“, schrieb Lenin, „wird während der gleichen 9 bis 10 Stunden Arbeit aus dem Arbeiter die 3fache Arbeit herausgepresst, werden alle seine Kräfte erbarmungslos ausgenutzt, wird dem Lohnsklaven mit verdreifachter Geschwindigkeit jedes bisschen Nerven- und Muskelenergie ausgesogen. Er wird früher sterben? - Viele andere warten an den Toren!“[61] Diese Organisation der Arbeit und der Entlohnung des Arbeiters nannte Lenin ein „wissenschaftliches“ System zur Schweißauspressung.

Das von dem amerikanischen „Automobilkönig“ H. Ford eingeführte System der Arbeitsorganisation und Entlohnung (Fordsystem) verfolgt das gleiche Ziel - aus dem Arbeiter die Höchstmenge Mehrwert durch maximale Steigerung der Arbeitsintensität herauszupressen. Dies wird durch immer größere Beschleunigung des Tempos der Fließbänder und die Einführung von Antreiber-Lohnsystemen erreicht. Die Einförmigkeit der Arbeitsoperationen des Arbeiters an den Fordschen Fließbändern gestattet es, in großem Umfang unqualifizierte Arbeiter zu beschäftigen und diesen niedrige Lohnsätze zu zahlen. Mit der ungeheuren Intensivierung der Arbeit geht keine Erhöhung des Arbeitslohns oder Verkürzung des Arbeitstages einher. Im Ergebnis wird der Arbeiter rasch verbraucht, zum Invaliden gemacht, wegen Untauglichkeit entlassen und in die Armee der Arbeitslosen gestoßen.

Eine der auf Betrug der Arbeiter beruhenden Methoden zur Vergrößerung des Mehrwerts ist die so genannte „Gewinnbeteiligung“ der Arbeiter. Unter dem Vorwand, dass der Arbeiter an einer Gewinnerhöhung des Betriebes interessiert sei, verringert der Kapitalist den Grundlohn des Arbeiters und bildet mit den einbehaltenen Geldern einen Fonds zur „Verteilung der Gewinne auf die Arbeiter“. Am Jahresende erhält der Arbeiter dann in Form von „Gewinn“ faktisch den vorher einbehaltenen Teil des Arbeitslohns ausgezahlt. In Wirklichkeit erhält der „am Gewinn beteiligte Arbeiter“ letzten Endes höchstens den üblichen Arbeitslohn. Dasselbe trifft zu für die Verteilung von Aktien eines gegebenen Betriebes an die Arbeiter.

Mit allen diesen raffinierten Lohnsystemen verfolgen die Kapitalisten die Absicht, möglichst viel Mehrwert aus dem Arbeiter herauszupressen. Sie nutzen alle Mittel, um das Bewusstsein der Arbeiter zu vergiften, um zu erreichen, dass sich die Arbeiter einbilden, selbst an der Steigerung der Arbeitsintensität, der Verringerung der Lohnkosten je Einheit des Produkts und der Steigerung der Gewinne des Betriebes interessiert zu sein. Die Kapitalisten suchen auf diese Weise den Widerstand des Proletariats gegen den Angriff des Kapitals zu schwächen und die Arbeiter vom Eintritt in die Gewerkschaften und von der Beteiligung an Streiks abzuhalten. Sie wollen so die Arbeiterbewegung spalten.

Bei aller Vielfalt der Formen des kapitalistischen Stücklohns bleibt sein Wesen stets unverändert: mit einer Steigerung der Arbeitsintensität oder der Arbeitsproduktivität verringert sich faktisch der Lohn der Arbeiter, während die Einnahmen der Kapitalisten wachsen.

4. Nominallohn und Reallohn.

Auf den ersten Entwicklungsstufen des Kapitalismus war die Bezahlung der Lohnarbeiter mit Naturalien weit verbreitet: der Arbeiter erhielt Unterkunft, spärliche Nahrung und eine geringe Geldsumme. In der Landwirtschaft ist es üblich, insbesondere Erntehelfern einen Teil des Lohns in Naturalien abzugeben.

Für die entwickelte kapitalistische Produktionsweise ist indessen der Geldlohn charakteristisch. Dabei ist immer zwischen Nominallohn und Reallohn zu unterscheiden.

Der Nominallohn ist der in Geld ausgedrückte Arbeitslohn; dies ist die Geldsumme, die der Arbeiter für die an den Kapitalisten verkaufte Arbeitskraft erhält. Der Nominallohn als solcher vermittelt keine Vorstellung vom tatsächlichen Lohnniveau des Arbeiters. Bleibt z.B. der Nominallohn unverändert, während zur gleichen Zeit die Preise für Bedarfsgüter und die Steuern wachsen, dann verringert sich in Wirklichkeit der Lohn des Arbeiters. Der Arbeitslohn kann sich sogar bei steigendem Nominallohn verringern, wenn nämlich die Lebenshaltungskosten in der gleichen Zeit rascher steigen als der Nominallohn.

Der Reallohn ist der in Existenzmitteln des Arbeiters ausgedrückte Lohn; er zeigt, wie viele und welche Gebrauchsgüter und Dienstleistungen der Arbeiter für seinen Geldlohn kaufen kann. Bei der Ermittlung des Reallohns des Arbeiters sind folgende Faktoren zu berücksichtigen: die Höhe des Nominallohns, das Niveau der Preise für Gebrauchsgüter, die Höhe der Miete, die Last der vom Arbeiter aufzubringenden Steuern, die Dauer des Arbeitstages, der Grad der Arbeitsintensität, der Lohnausfall bei Kurzarbeit und schließlich auch die Anzahl der Arbeitslosen und Kurzarbeiter, die auf Kosten der Arbeiterklasse erhalten werden.

In Anbetracht des niedrigen Niveaus des Arbeitslohns, der systematischen Erhöhung der Lebenshaltungskosten und des Anwachsens der Arbeitslosigkeit sichert der Arbeitslohn im Kapitalismus der Mehrheit der Arbeiter nicht einmal das Existenzminimum.

Die Erhöhung der Lebenshaltungskosten und das damit verbundene Sinken des Reallohns werden vor allem durch das dauernde Anwachsen der Preise für Güter des Massenbedarfs bedingt. In Frankreich z.B. bewirkte die Inflation, dass die Einzelhandelspreise für Lebensmittel im Jahre 1938 mehr als das Siebenfache der Preise von 1914 betrugen.

Einen beträchtlichen Teil des Lohns der Arbeiter verschlingt die Miete. In Deutschland stieg die Miete in der Zeit von 1900 bis 1930 durchschnittlich um 69%. Den Angaben des Internationalen Büros für Arbeitsstatistik zufolge mussten die Arbeiter in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts für Miete, Heizung und Beleuchtung aufwenden: in den USA 25%, in England 20% und in Kanada 27% des Familienbudgets. Im zaristischen Russland erreichten die Ausgaben der Arbeiter für Wohnung ein Drittel des Arbeitslohns.

Einen erheblichen Abzug vom Lohn bedeuten die Steuern, die die Werktätigen aufbringen müssen. In den wichtigsten kapitalistischen Ländern verschlangen die direkten und indirekten Steuern in den Nachkriegsjahren mindestens ein Drittel des Einkommens der Arbeiterfamilie.

In der kapitalistischen Gesellschaft bildet der Arbeitslohn keine beständige und sichere Existenzquelle für den Arbeiter und seine Familie. Der Preis der Arbeitskraft ist wie der jeder anderen Ware unter dem Einfluss der Elementargewalt des Marktes ständigen Schwankungen unterworfen. Perioden, in denen der Arbeiter Beschäftigung in der Produktion findet, wechseln mit Perioden, in denen er dauernd oder zeitweilig arbeitslos ist und infolgedessen entweder überhaupt keinen oder nur einen ganz geringen Lohn erhält.

Bei der Ermittlung des durchschnittlichen Lohnniveaus verfälschen die bürgerlichen Statistiker die Wirklichkeit ganz bewusst. Sie rechnen die Einnahmen der leitenden Oberschicht der Industrie- und Finanzbürokratie (der Betriebsleiter, Bankdirektoren usw.) zum Arbeitslohn hinzu, beziehen nur die Löhne der qualifizierten Arbeiter in die Berechnungen ein, schließen die Löhne der breiten Schicht der gering bezahlten unqualifizierten Arbeiter und des landwirtschaftlichen Proletariats aus und ignorieren das Vorhandensein einer riesigen Armee von Arbeitslosen und Kurzarbeitern, das Steigen der Preise für Güter des Massenbedarfs und das Anwachsen der Steuern. Mit diesen und anderen Fälschungsmethoden versuchen sie die tatsächliche Lage der Arbeiterklasse im Kapitalismus zu beschönigen.

5. Das Sinken des Reallohns im Kapitalismus.

Auf der Grundlage der Analyse der kapitalistischen Produktionsweise stellte Marx folgende grundlegende Gesetzmäßigkeit in bezug auf den Arbeitslohn fest: „..die allgemeine Tendenz der kapitalistischen Produktion geht dahin, den durchschnittlichen Lohnstandard nicht zu heben, sondern zu senken.“[62]

Wie bereits erwähnt, verringert sich der Reallohn der Arbeiterfamilie und folglich der gesamten Masse der Arbeiter durch die inflationäre Verteuerung der Gebrauchsgüter, die Zunahme der Steuerlast und die Erhöhung der Miete. Zugleich sinkt das allgemeine Niveau des Reallohns der Arbeiterklasse insgesamt unter dem Einfluss des kapitalistischen Arbeitsmarktes.

Der Arbeitslohn als Preis der Arbeitskraft weicht wie der Preis jeder anderen Ware von ihrem Wert ab. Die Warenpreise schwanken im Kapitalismus unter dem Einfluss von Angebot und Nachfrage um den Warenwert. Der Preis der Arbeitskraft aber weicht zum Unterschied von den Preisen der übrigen Waren in der Regel nach unten von ihrem Wert ab. Diese Erscheinung, dass der Arbeitslohn vom Wert der Arbeitskraft nach unten abweicht und sich im Zusammenhang damit der Reallohn verringert, ist vor allem durch die Arbeitslosigkeit bedingt. Der Kapitalist versucht, die Arbeitskraft möglichst billig zu kaufen. Bei Arbeitslosigkeit übersteigt das Angebot an Arbeitskräften die Nachfrage. Nun unterscheidet sich die Ware Arbeitskraft u.a. dadurch von den übrigen Waren, dass der Proletarier den Verkauf dieser Ware nicht hinausschieben und auf bessere Zeiten warten kann. Um leben zu können, muss er seine Arbeitskraft zu den Bedingungen verkaufen, die ihm der Kapitalist bietet. Die Arbeitslosigkeit verstärkt die Konkurrenz zwischen den Arbeitern. In Ausnutzung dessen zahlt der Kapitalist dem Arbeiter einen Lohn, der unter dem Wert der Arbeitskraft liegt. Auf diese Weise beeinflusst die elende Lage der Arbeitslosen, die einen Bestandteil der Arbeiterklasse bilden, die materielle Lage der in der Produktion beschäftigten Arbeiter und drückt deren Löhne.

Ferner bietet die Anwendung der maschinellen Technik dem Kapitalisten ausgedehnte Möglichkeiten, Männerarbeit durch Frauen- und Kinderarbeit zu ersetzen. Der Wert der Arbeitskraft wird durch den Wert der Existenzmittel bestimmt, die der Arbeiter für sich und seine Familie benötigt. Daher verringert sich der Lohn, wenn die Frau und die Kinder des Arbeiters in die Produktion einbezogen werden; jetzt erhält die ganze Familie annähernd soviel, wie das Oberhaupt der Familie früher allein verdiente. Damit verschärft sich die Ausbeutung der Arbeiterklasse insgesamt noch mehr. In den kapitalistischen Ländern erhalten die Arbeiterinnen für die gleiche Arbeit wie die Männer einen geringeren Lohn.

Das Kapital verschafft sich Mehrwert auch durch hemmungslose Ausbeutung von Kinderarbeit. Der Arbeitslohn der Kinder und Jugendlichen ist in allen kapitalistischen und kolonialen Ländern um vieles geringer als der Lohn der erwachsenen Arbeiter. Die Ausbeutung von Kinderarbeit durch das Kapital nimmt besonders grausame Formen in den kolonialen und abhängigen Ländern an.

Der niedrige Lohn der Arbeiterinnen und die Ausbeutung der Kinderarbeit führen zu einem gewaltigen Anwachsen der Krankheitsfälle und der Kindersterblichkeit und wirken sich verderblich auf die Erziehung und Bildung der heranwachsenden Generation aus.

Das Sinken des Reallohns der Arbeiter ist ferner dadurch bedingt, dass sich mit der Entwicklung des Kapitalismus die Lage eines bedeutenden Teils der qualifizierten Arbeiter verschlechtert. Wie bereits erwähnt, gehen in den Wert der Arbeitskraft die Aufwendungen für die Ausbildung des Arbeiters ein. Die Arbeit des qualifizierten Arbeiters schafft in einer bestimmten Zeiteinheit mehr Wert, darunter auch Mehrwert, als die Arbeit des ungelernten Arbeiters. Der Kapitalist muss die qualifizierte Arbeitskraft höher bezahlen als die ungelernte. Mit der Entwicklung des Kapitalismus, mit dem Wachstum der industriellen Technik aber entsteht einerseits eine Nachfrage nach hochqualifizierten Arbeitern, die imstande sind, komplizierte Mechanismen zu bedienen, während auf der anderen Seite viele Arbeitsoperationen vereinfacht werden und so die Arbeit eines beträchtlichen Teils der qualifizierten Arbeiter überflüssig wird. Viele gelernte Arbeiter verlieren ihre Qualifikation, werden auf die Straße geworfen und sehen sich gezwungen, unqualifizierte Arbeit zu verrichten, die wesentlich geringer bezahlt wird.

Gleichzeitig schafft die Bourgeoisie durch Verringerung des Lohns der großen Masse der Arbeiter und durch Ausplünderung der Kolonien Vorzugsbedingungen für eine verhältnismäßig kleine Schicht der Arbeiteraristokratie. Zu dieser gehören die verschiedenen Meister, Aufseher und Vertreter der Gewerkschafts- und Genossenschaftsbürokratie. Die Bourgeoisie benutzt die Arbeiteraristokratie dazu, die Arbeiterbewegung zu spalten und das Bewusstsein der großen Masse der Proletarier durch Propagierung des Klassenfriedens und der Interessengemeinschaft von Kapital und Arbeit zu verwirren.

Das Sinken des Reallohns der Arbeiter wird ferner durch die überaus niedrige Bezahlung des landwirtschaftlichen Proletariats bedingt. Die große Armee der überschüssigen Arbeitskräfte auf dem Lande drückt das Lohnniveau der beschäftigten Arbeiter nach unten.

Zum Beispiel schwankte der durchschnittliche Monatslohn des Landarbeiters in den USA während des Zeitraumes von 1910 bis 1939 zwischen 28% bis 47% des Arbeitslohns des Industriearbeiters. Außergewöhnlich schwer war die Lage der Landarbeiter im zaristischen Russland. Bei einem Arbeitstag von 16 bis 17 Stunden betrug der durchschnittliche Tageslohn des landwirtschaftlichen Saisonarbeiters in Russland in der Zeit von 1901 bis 1910 69 Kopeken, wobei zu berücksichtigen ist, dass dieser von dem in der Saison verdienten kärglichen Lohn außerdem den Lebensunterhalt in den übrigen Monaten bestreiten musste, während deren er dauernd oder zeitweilig arbeitslos war.

Eine verbreitete Methode zur Herabdrückung des Arbeitslohnes ist das System der Strafen und Disziplinarmaßnahmen, mit denen der Kapitalist sowohl seinen Herr-im-Hause-Standpunkt durchzusetzen sowie auf subtilste Weise die Arbeitsintensität zu erhöhen sucht. Im kapitalistischen Betrieb wird der Arbeiter überwacht und bei jeder sich bietenden Gelegenheit bestraft; für „nachlässige Arbeit“, „Verletzung der Ordnung“, Unterhaltung während der Arbeitszeit, Teilnahme an Demonstrationen usw.

Insgesamt ist die Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise von einem Sinken des Reallohns der Arbeiterklasse begleitet.

Im Jahre 1924 betrug der Reallohn der deutschen Arbeiter im Vergleich zum Lohnniveau von 1900 75% und 1935 66%. In den USA stieg der Nominallohn in der Zeit von 1900 bis 1938 (unter Berücksichtigung der Arbeitslosen) um 68 %; in demselben Zeitraum stiegen die Lebenshaltungskosten auf das 2,3fache, was bedeutet, dass der Reallohn im Jahre 1938 gegenüber dem Stand von 1900 auf 74 % gefallen war. In Frankreich, Italien und Japan, ganz zu schweigen von den kolonialen und abhängigen Ländern, ist der Reallohn während des 19. und 20. Jahrhunderts weitaus stärker gesunken als in den USA. Im zaristischen Russland war der Reallohn der Industriearbeiter im Jahre 1913 auf 90 % des Standes von 1900 gefallen.

In den verschiedenen Ländern ist der Wert der Arbeitskraft von unterschiedlicher Größe. Die Bedingungen, die den Wert der Arbeitskraft in jedem einzelnen Lande bestimmen, verändern sich: Daher rührt die nationale Verschiedenheit der Arbeitslöhne. Marx lehrte, dass man bei einem Vergleich der Arbeitslöhne in den verschiedenen Ländern unbedingt sämtliche Momente berücksichtigen muss, die die Wertgröße der Arbeitskraft in dieser oder jener Richtung beeinflussen: die historischen Bedingungen der Formierung der Arbeiterklasse und das Niveau ihrer Bedürfnisse, das sich herausgebildet hat, die Aufwendungen für die Ausbildung des Arbeiters, die Rolle der Frauen- und Kinderarbeit, die Arbeitsproduktivität, die Arbeitsintensität, die Preise für Gebrauchsgüter usw.

Besonders niedrig ist das Lohnniveau in den Kolonien und in den abhängigen Ländern (zu denen heute auch die ehemals sozialistischen Länder gehören). In Durchführung seiner Politik der Knechtung und systematischen Ausplünderung der kolonialen und abhängigen Länder nutzt das Kapital den großen Überschuss an Arbeitskräften in diesen Ländern aus und bezahlt die Arbeitskraft erheblich unter ihrem Wert. Dabei wird auch die Nationalität des Arbeiters in Betracht gezogen. So werden z.B. Weiße und Farbige für die gleiche Arbeit unterschiedlich entlohnt.

6. Der Kampf der Arbeiterklasse um die Erhöhung des Arbeitslohns.

In jedem Land bildet sich im Gefolge des hartnäckigen Klassenkampfes zwischen Proletariat und Bourgeoisie auf Grundlage des Wertgesetzes ein bestimmtes Lohnniveau heraus.

Die Abweichungen des Arbeitslohns vom Wert der Arbeitskraft haben ihre Grenzen. Die Minimalgrenze des Arbeitslohns im Kapitalismus wird durch rein physische Bedingungen bestimmt; der Arbeiter muss eine bestimmte Menge Existenzmittel zur Verfügung haben, die absolut notwendig ist, damit er leben und seine Arbeitskraft reproduzieren kann. „Sinkt der Preis der Arbeitskraft 'auf dieses Minimum, so sinkt er unter ihren Wert, denn sie kann sich so nur in verkümmerter Form erhalten und entwickeln.“[63] Sinkt der Lohn unter diese Grenze, dann vollzieht sich ein beschleunigter Prozess der direkten physischen Zerstörung der Arbeitskraft und der Dezimierung der Arbeiterbevölkerung. Dies findet seinen Ausdruck in einer Verringerung der durchschnittlichen Lebensdauer, einer Verminderung der Geburtenzahl und einer Erhöhung der Sterblichkeit innerhalb der Arbeiterbevölkerung sowohl der entwickelten kapitalistischen Länder als auch ganz besonders der Kolonien.

Die Maximalgrenze des Arbeitslohns ist im Kapitalismus der Wert der Arbeitskraft. In welchem Maße sich das durchschnittliche Lohnniveau dieser Grenze nähert, wird durch das Wechselverhältnis der Klassenkräfte von Proletariat und Bourgeoisie bestimmt.

Auf der Jagd nach Erhöhung des Profits versucht die Bourgeoisie, den Arbeitslohn unter die Grenze des physischen Minimums hinabzudrücken. Die Arbeiterklasse kämpft gegen Lohnkürzungen, für Lohnerhöhung, Festlegung eines garantierten Mindestlohns, Einführung einer Sozialversicherung und Verkürzung des Arbeitstages. In diesem Kampf stehen der Arbeiterklasse die Kapitalistenklasse in ihrer Gesamtheit sowie der bürgerliche Staat gegenüber.

Der hartnäckige Kampf der Arbeiterklasse für Lohnerhöhung begann mit der Entstehung des industriellen Kapitalismus. Früher als in allen übrigen kapitalistischen und kolonialen Ländern entfaltete er sich in England.

In dem Maße, wie sich das Proletariat zur Klasse formiert, schließen sich die Arbeiter in Gewerkschaften zusammen, um den ökonomischen Kampf mit Erfolg führen zu können. Dadurch steht dem Unternehmer nicht mehr ein einzelner Arbeiter, sondern die ganze Organisation gegenüber. Mit der Entwicklung des Klassenkampfes entstehen neben den lokalen und nationalen Gewerkschaftsorganisationen internationale Gewerkschaftsvereinigungen. Die Gewerkschaften sind für die breiten Massen der Arbeiter die Schule des Klassenkampfes (sofern sie nicht von korrumpierten Gewerkschaftsfunktionären und unter Verzicht auf den entschiedenen Klassenkampf, daher entgegen den Interessen der Arbeiterklasse, geführt werden).

Die Kapitalisten schließen sich ihrerseits in Unternehmerverbänden zusammen. Sie bestechen die käuflichen Führer der reaktionären Gewerkschaften, organisieren Streikbruch, spalten die Arbeiterorganisationen und bedienen sich zur Unterdrückung der Arbeiterbewegung der Polizei, der Armee, der Gerichte und Gefängnisse.

Ein wirksames Mittel im Kampf der Arbeiter für Lohnerhöhungen, Verkürzung des Arbeitstages und Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Kapitalismus ist der Streik. In dem Maße, wie sich die Klassengegensätze verschärfen und die Organisiertheit der proletarischen Bewegung in den kapitalistischen und kolonialen Ländern wächst, werden viele Millionen Arbeiter in den Streikkampf einbezogen. Wenn die Arbeiter in ihrem Kampf gegen das Kapital Entschlossenheit und Beharrlichkeit an den Tag legen, werden die Kapitalisten durch die ökonomischen Streiks gezwungen, die Bedingungen der Streikenden anzunehmen.

Nur durch unablässigen Kampf der Arbeiterklasse (national und international) für ihre Lebensinteressen können die bürgerlichen Regierungen gezwungen werden, Gesetze über Mindestlohn, Verkürzung des Arbeitstages oder Beschränkung der Kinderarbeit zu erlassen. Der Einfluss des sozialistischen Weltsystems hat in einigen kapitalistischen Ländern den Kampf der Arbeiterklasse um die Verbesserung ihrer Lebenslage erheblich erleichtert.

Der ökonomische Kampf des Proletariats ist von großer Bedeutung, denn werden die Gewerkschaften richtig und konsequent im Interesse der Klasse geführt, dann vermögen sie den Unternehmern erfolgreich Widerstand zu leisten. Der ökonomische Kampf der Arbeiterklasse vermag jedoch nicht die ökonomischen Gesetze des Kapitalismus zu beseitigen und die Arbeiter von Ausbeutung und Not zu befreien.

Der Marxismus-Leninismus, der die große Bedeutung des ökonomischen Kampfes der Arbeiterklasse gegen die Bourgeoisie anerkennt, lehrt, dass sich dieser Kampf nur gegen die Folgeerscheinungen des Kapitalismus und nicht gegen die eigentliche Ursache der unterdrückten Lage und des Elends des Proletariats richtet. Diese eigentliche Ursache ist die kapitalistische Produktionsweise selbst.

Nur durch revolutionären politischen Kampf kann die Arbeiterklasse das System der Lohnsklaverei – die Wurzel ihrer ökonomischen und politischen Unterdrückung – vernichten.

7. Kurze Zusammenfassung

1. In der kapitalistischen Gesellschaft ist der Arbeitslohn der Geldausdruck des Werts der Arbeitskraft, ihr Preis, der der Preis der Arbeit zu sein scheint. Der Arbeitslohn verschleiert das kapitalistische Ausbeutungsverhältnis und erweckt die falsche Vorstellung, als würde die gesamte Arbeit des Arbeiters bezahlt, während der Arbeitslohn in Wirklichkeit nur den Preis seiner Arbeitskraft darstellt.

2. Die Grundformen des Arbeitslohns sind der Zeitlohn und der Stücklohn (Akkordlohn). Beim Zeitlohn hängt die Höhe des Verdienstes des Arbeiters von der von ihm geleisteten Arbeitszeit ab. Beim Stücklohn wird die Höhe des Verdienstes des Arbeiters durch die Menge der von ihm hergestellten Erzeugnisse bestimmt. Zwecks Vergrößerung des Mehrwerts wenden die Kapitalisten verschiedene Antreiber-Lohnsysteme an, die zu einer ungeheuren Steigerung der Arbeitsintensität und zu einem beschleunigten Verschleiß der Arbeitskraft führen.

3. Zum Unterschied von den Preisen der übrigen Waren weicht der Preis der Arbeitskraft in der Regel nach unten von ihrem Wert ab. Durch umfassende Anwendung von Frauen- und Kinderarbeit und überaus geringe Bezahlung der landwirtschaftlichen Arbeiter sowie der Arbeiter in den kolonialen und abhängigen Ländern verstärkt das Kapital die Ausbeutung der Arbeiterklasse.

4. Der Nominallohn ist die Geldsumme, die der Arbeiter für die dem Kapitalisten verkaufte Arbeitskraft erhält. Der Reallohn ist der in Existenzmitteln des Arbeiters ausgedrückte Arbeitslohn; er zeigt, welche Menge an Existenzmitteln und Dienstleistungen der Arbeiter für seinen Geldlohn kaufen kann. Mit der Entwicklung des Kapitalismus sinkt der Reallohn.

5. Die Arbeiterklasse, die sich in Gewerkschaften zusammenschließt, führt den Kampf für die Verkürzung des Arbeitstages und die Erhöhung der Löhne. Allein durch ökonomischen Kampf gegen den Kapitalismus kann sich das Proletariat nicht von der Ausbeutung befreien. Nur mit der Beseitigung der kapitalistischen Produktionsweise auf dem Wege des revolutionären politischen Kampfes werden die Bedingungen für die ökonomische und politische Unterdrückung der Arbeiterklasse beseitigt.