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Die vorkapitalistischen Produktionsweisen

In ihrer bisherigen Entwicklung hat die Menschheit – keineswegs geradlinig und vollständig – vier ökonomische Gesellschaftsformationen durchschritten: die Urgesellschaft, die Sklavenhaltergesellschaft, die Feudalgesellschaft und die kapitalistische Gesellschaft. Gegenwärtig befindet sie sich in der von der Großen sozialistischen Oktoberrevolution 1917 eingeleiteten Epoche des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus.[12]

Die Urgesellschaft

1. Die Produktionsverhältnisse der Urgesellschaft. Die naturwüchsige Teilung der Arbeit.
2. Die Gentilverfassung. Die matriarchalische Gens. Die patriarchalische Gens.
3. Die Entstehung der gesellschaftlichen Arbeitsteilung und des Austausches.
4. Die Entstehung des Privateigentums und der Klassen. Der Zerfall der Urgemeinschaft.
5. Die gesellschaftlichen Vorstellungen der Epoche der Urgemeinschaft
6. Kurze Zusammenfassung

1. Die Produktionsverhältnisse der Urgesellschaft. Die naturwüchsige Teilung der Arbeit.

Die Produktionsverhältnisse werden durch den Charakter, durch den Stand der Produktivkräfte bestimmt.

In der Urgemeinschaft ist die Grundlage der Produktionsverhältnisse das Gemeineigentum an den Produktionsmitteln. Das Gemeineigentum entspricht in dieser Periode dem Charakter der Produktivkräfte. Die Arbeitswerkzeuge waren in der Urgesellschaft so primitiv, dass sie für die Menschen der Urgemeinschaft die Möglichkeit ausschlossen, einzeln gegen die Naturkräfte und die Raubtiere zu kämpfen. „Dieser primitive Typus der genossenschaftlichen oder kollektiven Produktion“, schrieb Marx, „war wohlbemerkt das Ergebnis der Schwäche des einzelnen isolierten Individuums und nicht der Vergesellschaftung der Produktionsmittel.“[13]

Hieraus ergab sich die Notwendigkeit der kollektiven Arbeit, des Gemeineigentums am Grund und Boden und an den anderen Produktionsmitteln sowie an den Arbeitsprodukten. Die Menschen der Urgemeinschaft hatten keinen Begriff vom Privateigentum an den Produktionsmitteln. In ihrem persönlichen Eigentum befanden sich nur einige Produktionsinstrumente, die ihnen zugleich als Waffen zum Schutz gegen Raubtiere dienten.

Die Arbeit des Menschen der Urgemeinschaft schuf keinerlei Überschuss über das zum Leben notwendige Maß, das heißt kein Mehrprodukt. Unter diesen Umständen konnte es in der Urgemeinschaft keine Klassen und keine Ausbeutung des Menschen durch den Menschen geben. Das gesellschaftliche Eigentum erstreckte sich nur auf kleine Gemeinwesen, die mehr oder weniger isoliert voneinander bestanden. Der gesellschaftliche Charakter der Produktion umfasste hier, wie es Lenin kennzeichnete, nur die Mitglieder eines Gemeinwesens.

Die Arbeitstätigkeit der Menschen der Urgesellschaft beruhte auf der einfachen Zusammenarbeit (der einfachen Kooperation). Die einfache Kooperation ist die gleichzeitige Anwendung einer mehr oder minder bedeutenden Anzahl von Arbeitskräften zur Ausführung gleichartiger Arbeiten. Schon die einfache Zusammenarbeit bot den Menschen der Urgemeinschaft die Möglichkeit, solche Aufgaben zu lösen, die zu lösen für einen einzelnen Menschen undenkbar gewesen wäre (zum Beispiel Bau von Behausungen und Transportschlitten oder Jagd auf große Tiere).

Bei dem damaligen äußerst niedrigen Entwicklungsniveau der Produktivkräfte war eine gleichmäßige Verteilung der Produkte der gemeinsamen Arbeit unumgänglich. Eine andere Teilung war auch nicht möglich, da die Produkte der Arbeit kaum zur Befriedigung der dringendsten Bedürfnisse hinreichten.

Gesellschaftliche Produktion, gesellschaftliche Verteilung und gesellschaftliche Konsumtion auf Basis des Gemeineigentums an Produktionsmitteln kennzeichnen den in der Urgesellschaft herrschenden Grundtyp der Produktionsverhältnisse. Davon ausgehend, kann man das ökonomische Grundgesetz der Urgemeinschaft folgendermaßen formulieren: Sicherung der äußerst dürftigen Existenzbedingungen der Menschen mit Hilfe primitiver Produktionsinstrumente durch gemeinschaftliche Arbeit im Rahmen eines Gemeinwesens und durch gleichmäßige Verteilung der Produkte.

Mit der Entwicklung der Produktionsinstrumente entsteht die Teilung der Arbeit. Ihre einfachste Form war die naturwüchsige Arbeitsteilung, das heißt die Teilung der Arbeit nach Geschlecht und Alter: zwischen Männern und Frauen, zwischen Erwachsenen, Kindern und Greisen.

In dem Maße, wie sich die Produktivkräfte entwickelten, setzte sich allmählich die naturwüchsige Arbeitsteilung durch und festigte sich. Die Spezialisierung der Männer auf die Jagd und der Frauen auf das Sammeln von Pflanzennahrung und auf die Hauswirtschaft führte zu einer gewissen Steigerung der Arbeitsproduktivität.

2. Die Gentilverfassung. Die matriarchalische Gens. Die patriarchalische Gens.

Solange der Prozess der Aussonderung des Menschen aus der Tierwelt dauerte, lebten die Menschen in Horden, in Rudeln, wie ihre unmittelbaren Vorfahren. Doch in der Folgezeit bildete sich in Zusammenhang mit der Entstehung der Wirtschaft der Urgemeinschaft und dem Anwachsen der Bevölkerung die Gentilverfassung der Gesellschaft heraus.

Die primitiven Produktionsinstrumente beschränkten die Möglichkeiten der kollektiven Arbeit auf den engen Rahmen der Gruppe von Menschen, die durch Verwandtschaft und gemeinschaftliches Leben miteinander verbunden waren. Der Mensch der Urgemeinschaft stand gewöhnlich jedem feindlich gegenüber, der mit ihm nicht durch Verwandtschaft und gemeinschaftliches Leben verbunden war. Die Gens stellte eine Gruppe dar, die in der ersten Zeit nur aus einigen Dutzend Menschen bestand und durch die Bande der Blutsverwandtschaft zusammengehalten wurde. Eine jede dieser Gruppen lebte für sich, abgesondert von den anderen, ihr ähnlichen Gruppen. Im Laufe der Zeit wuchs die Zahl der Angehörigen der Gens und erreichte oft einige Hundert Menschen.

Morgan, der das Leben der Menschen der Urgemeinschaft erforschte, hat eine Gentilverfassung beschrieben, die sich noch um die Mitte des 19. Jahrhunderts bei den Irokesen erhalten hatte. Die Hauptbeschäftigung der Irokesen war die Jagd, der Fischfang, das Sammeln von Früchten und der Ackerbau. Die Arbeit war zwischen Männern und Frauen geteilt. Die Jagd und der Fischfang, die Anfertigung von Waffen und Arbeitswerkzeugen, die Rodung des Bodens, der Bau von Hütten und Befestigungen oblag den Männern. Die Frauen leisteten die Hauptarbeiten auf den Feldern, sie brachten die Ernte ein und bargen sie in Vorratsspeichern, sie kochten das Essen, fertigten Kleidungsstücke und Tongefäße an und sammelten wilde Früchte, Beeren, Nüsse und Knollen. Der Boden war Gemeineigentum der Gens. Größere Arbeiten wie Rodung des Waldes, Ausroden des Bodens zwecks Verwendung als Ackerland, große Jagdzüge wurden gemeinsam ausgeführt. Die Irokesen lebten in sogenannten „Langhäusern“, in denen zwanzig und mehr Familien Platz hatten. Eine solche Gruppe besaß gemeinsame Vorratsspeicher, in denen die Vorräte aufbewahrt wurden. An der Spitze der Gruppe stand eine Frau, die die Nahrungsmittel auf die einzelnen Familien verteilte. Bei Kriegshandlungen wählte die Gens einen Kriegsanführer, der aber keinerlei materielle Vorteile genoss; mit Beendigung der Kriegshandlungen hörte seine Macht auf.

Auf der ersten Stufe der Gentilverfassung hatte die Frau die dominierende Stellung inne, was sich aus den damaligen Bedingungen des materiellen Lebens der Menschen ergab. Die Jagd mit Hilfe primitiver Waffen, die Sache der Männer war, vermochte die Existenz der Menschen nicht völlig zu sichern: ihre Ergebnisse waren mehr oder weniger vom Zufall abhängig. Unter diesen Bedingungen hatten selbst die Keimformen des Ackerbaus und der Viehzucht (Zähmung von Tieren) große wirtschaftliche Bedeutung. Die Beschäftigung mit ihnen war eine zuverlässigere und beständigere Quelle von Existenzmitteln als die Jagd. Der Ackerbau und die Viehzucht aber waren, solange sie auf primitive Weise betrieben wurden, vornehmlich eine Beschäftigung der Frauen, die am häuslichen Herd blieben, während die Männer auf die Jagd gingen. Die Frau spielte eine lange Periode hindurch die führende Rolle in der Gentilgemeinschaft. Die Verwandtschaft wurde nach der mütterlichen Linie gerechnet. Der Rahmen der Gentilgemeinschaft war eng, ihr gehörten nur die Nachkommen einer Frau an. Dies war die mutterrechtliche oder matriarchalische Gens (Matriarchat).

Im Laufe der weiteren Entwicklung der Produktivkräfte, als die nomadenhafte Viehzucht (Hirtenviehzucht) und der entwickeltere Ackerbau (Getreideanbau), beides Sache der Männer, die entscheidende Rolle im Leben der Urgemeinschaft zu spielen begannen, wurde die matriarchalische Gens durch die vaterrechtliche oder patriarchalische Gens (Patriarchat) abgelöst. Die führende Rolle ging an den Mann über. Er trat an die Spitze der Gentilgemeinschaft. Die Verwandtschaft wurde von nun an nach der väterlichen Linie gerechnet. Der Rahmen der Gemeinschaft erweiterte sich merklich gegenüber der mutterrechtlichen Gens. Die patriarchalische Gens bestand in der letzten Periode der Urgemeinschaft.

„In der Urgesellschaft ... sind noch keine Anzeichen für das Bestehen des Staates sichtbar. Wir sehen die Herrschaft der Sitten, wir sehen die Autorität, Achtung, Macht, die die Ältesten der Geschlechtsverbände genießen, wir sehen, dass diese Macht mitunter Frauen zuerkannt wird – die damalige Lage der Frau war nicht ihrer heutigen rechtlosen, unterdrückten Lage ähnlich –, nirgends aber sehen wir eine besondere Kategorie von Menschen, die herausgehoben werden, um andere zu regieren und um im Interesse und zum Zweck des Regierens planmäßig und ständig über einen bestimmten Zwangsapparat, einen Gewaltapparat verfügen...“[14]

3. Die Entstehung der gesellschaftlichen Arbeitsteilung und des Austausches.

Mit dem Übergang zur Viehzucht und zum Ackerbau entstand die gesellschaftliche Arbeitsteilung, d.h. eine solche Teilung der Arbeit, bei der zunächst verschiedene Gemeinwesen, dann aber auch einzelne Mitglieder der Gemeinwesen sich mit verschiedenen Arten der Produktionstätigkeit zu beschäftigen begannen. Die Aussonderung der Hirtenstämme war die erste große gesellschaftliche Arbeitsteilung.

In der Viehzucht erzielten die Hirtenstämme wesentliche Erfolge. Sie lernten, das Vieh so zu pflegen, dass sie mehr Fleisch, Wolle und Milch erhielten. Schon diese erste große gesellschaftliche Arbeitsteilung führte zu einer für die damalige Zeit bedeutsamen Steigerung der Arbeitsproduktivität.

Lange Zeit hindurch gab es in der Urgemeinschaft keine Grundlage für den Austausch zwischen den einzelnen Mitgliedern eines Gemeinwesens: alle Produkte wurden gemeinsam gewonnen und konsumiert. Der Austausch entstand und entwickelte sich zunächst zwischen den Gentilgemeinschaften und trug lange Zeit zufälligen Charakter.

Mit der ersten großen gesellschaftlichen Arbeitsteilung änderte sich die Lage. Die Hirtenstämme erzielten einen gewissen Überschuss an Vieh, Milchprodukten, Fleisch, Fellen und Wolle. Gleichzeitig hatten sie Bedarf an anderen landwirtschaftlichen Produkten. Die ackerbautreibenden Stämme ihrerseits erzielten im Laufe der Zeit gewisse Erfolge in der Erzeugung von Ackerbauprodukten. Die Ackerbauer und Viehzüchter benötigten Dinge, die sie an ihrem Wohnplatz nicht erlangen konnten. All dies führte zur Entwicklung des Austausches.

Neben Ackerbau und Viehzucht entwickelten sich auch andere Arten der Produktionstätigkeit. Bereits in der Epoche der Steinwerkzeuge lernten die Menschen, Gefäße aus Ton herzustellen. Später kam die Handweberei auf. Schließlich wurde mit der Entdeckung des Schmelzens von Eisen die Herstellung metallener Arbeitswerkzeuge (Hakenpflug mit eiserner Schar, eiserne Axt) und metallener Waffen (Eisenschwerter) möglich. Es wurde immer schwieriger, diese Arbeiten mit dem Ackerbau oder mit der Hirtenarbeit zu vereinbaren. In den Gemeinwesen sonderten sich allmählich Menschen aus, die sich mit Handwerk beschäftigten. Die Erzeugnisse der Handwerker – der Schmiede, Waffenschmiede, Töpfer usw. – gelangten immer häufiger in den Austausch. Die Sphäre des Austausches erweiterte sich bedeutend.

4. Die Entstehung des Privateigentums und der Klassen. Der Zerfall der Urgemeinschaft.

Die Urgemeinschaft erlebte ihre Blüte im Matriarchat. Die patriarchalische Gens barg schon die Keime des Zerfalls der Urgemeinschaft in sich.

Die Produktionsverhältnisse der Urgemeinschaft stimmten bis zu einem gewissen Zeitpunkt mit dem Entwicklungsniveau der Produktivkräfte überein. Auf der letzten Stufe des Patriarchats, als neue, vollkommenere Produktionsinstrumente aufkamen (Eisenzeit), hörten die Produktionsverhältnisse der Urgesellschaft auf, den neuen Produktivkräften zu entsprechen. Der enge Rahmen des Gemeineigentums und die gleichmäßige Verteilung der Arbeitsprodukte begannen die Entwicklung der neuen Produktivkräfte zu hemmen.

Früher konnte das Feld nur durch die gemeinsame Arbeit einiger Dutzend Menschen bearbeitet werden. Unter diesen Verhältnissen war die gemeinsame Arbeit eine Notwendigkeit. Mit der weiteren Entwicklung der Produktionsinstrumente und dem Wachstum der Arbeitsproduktivität wurde bereits eine Familie allein in den Stand gesetzt, ein Bodenstück zu bearbeiten und sich die notwendigen Existenzmittel zu verschaffen. Die Notwendigkeit der gemeinsamen Arbeit, der Gemeinwirtschaft entfiel immer mehr.

Die Entstehung des Privateigentums ist unlösbar verbunden mit der gesellschaftlichen Arbeitsteilung und mit der Entwicklung des Austausches. In der ersten Zeit wurde der Austausch von den Vorstehern der Gentilgemeinschaften, von den Ältesten, den Patriarchen, vorgenommen. Sie traten bei den Tauschvereinbarungen als Vertreter der Gemeinschaften auf. Das, was sie austauschten, war Gemeingut.[15] Doch die weitere Entwicklung der gesellschaftlichen Arbeitsteilung und die Erweiterung des Austausches untergruben immer mehr das Gemeineigentum. Unter diesen Bedingungen begannen die Vorsteher der Gentilgemeinschaften allmählich, das Gemeingut als ihr Privateigentum zu behandeln.[16]

Zunächst war der Hauptgegenstand des Austausches das Vieh. Die Hirtengemeinschaften besaßen große Herden von Schafen, Ziegen und Rindern. Die Ältesten und Patriarchen, die in der Gesellschaft schon große Macht hatten, gewöhnten sich daran, über diese Herden zu verfügen, als ob es ihre eigenen wären. Das faktische Recht, über die Herden zu verfügen, wurde ihnen auch von den übrigen Gemeinschaftsmitgliedern zuerkannt. So wurde zuerst das Vieh zum Privateigentum, sodann allmählich alle Produktionsinstrumente. Am längsten erhielt sich das Gemeineigentum am Grund und Boden.

Das Aufkommen des Privateigentums führte zum Zerfall der Gens. Die Gens zerfiel in große patriarchalische Familien. Mit dem Wachstum des Privateigentums lockerten sich die Gentilbande. An die Stelle der Gentilgemeinschaft begann die Dorfgemeinschaft zu treten. Die Dorfgemeinschaft oder Markgenossenschaft bestand zum Unterschied von der Gens aus Menschen, die nicht unbedingt miteinander durch verwandtschaftliche Bande verbunden waren. Das Haus, die Hauswirtschaft, das Vieh – all das war Privateigentum einzelner Familien. Dagegen bildeten die Waldungen, die Wiesen, die Gewässer und verschiedene andere nutzbare Ländereien und eine bestimmte Zeit lang auch das Ackerland Gemeineigentum. Ursprünglich wurde das Ackerland periodisch unter die Mitglieder der Gemeinschaft neu aufgeteilt, später ging es in Privateigentum über.

Die Entstehung des Privateigentums und des Austausches war der Beginn einer tiefgreifenden Umwälzung in der gesamten Struktur der Urgesellschaft. Die Entwicklung des Privateigentums und der Vermögensunterschiede führte dazu, dass innerhalb der Gemeinschaften bei den verschiedenen Mitgliedergruppen verschiedene Interessen aufkamen. Unter diesen Umständen nutzten die Personen, die in den Gemeinschaften die Stellung eines Ältesten, eines Heerführers oder Priesters innehatten, ihre Stellung zur persönlichen Bereicherung aus. Sie bemächtigten sich eines bedeutenden Teils des Gemeineigentums. Die Personen, die diese öffentlichen Stellungen bekleideten, lösten sich immer mehr von der Masse der Gemeinschaftsmitglieder los, sie bildeten den Stammesadel, und ihre Macht wurde immer häufiger erblich. Die Adelsfamilien wurden zugleich die reichsten Familien. Die Masse der Mitglieder der Gemeinschaft geriet allmählich in diese oder jene ökonomische Abhängigkeit von der reichen und adligen Oberschicht. Die Produktionsverhältnisse der Urgemeinschaft zerfielen, gingen zugrunde und machten neuen Produktionsverhältnissen Platz, die dem Charakter der neuen Produktivkräfte entsprachen. Mit dem Wachstum der Produktivkräfte begann die Arbeit des Menschen in der Viehzucht und beim Ackerbau mehr Existenzmittel zu liefern als zum Lebensunterhalt des Menschen notwendig waren. Es bot sich die Möglichkeit der Aneignung der Mehrarbeit und des Mehrprodukts, das heißt des Überschusses an Arbeit und an Produkten über das hinaus, was zur Ernährung des Arbeitenden selbst erforderlich ist. Unter diesen Umständen erwies es sich als vorteilhaft, die in Gefangenschaft geratenen Menschen nicht zu töten, wie es vordem geschah, sondern sie zu Sklaven zu machen und arbeiten zu lassen. Der Sklaven bemächtigten sich die adligen und reichen Familien. Die Sklavenarbeit wiederum führte zu einer weiteren Vertiefung der Ungleichheit, da die Wirtschaften, die Sklaven verwendeten, rasch reich wurden. Mit der zunehmenden Vermögensungleichheit begannen die Reichen, nicht nur Gefangene, sondern auch ihre eigenen verarmten und verschuldeten Stammesbrüder zu Sklaven zu machen. So entstand die erste Spaltung der Gesellschaft in Klassen, die Spaltung in Sklavenhalter und Sklaven. Es entstand die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, d.h. die unentgeltliche Aneignung der Arbeitsprodukte der einen Menschen durch andere Menschen.

Die gemeinsame Arbeit machte der individuellen Arbeit Platz, das gesellschaftliche Eigentum dem Privateigentum und die Gentilordnung der Klassengesellschaft. Seit dieser Periode ist die gesamte Geschichte der Menschheit bis zur Errichtung der kommunistischen Gesellschaft die Geschichte von Klassenkämpfen.

Die bürgerlichen Ideologen stellen die Sache so hin, als ob das Privateigentum seit Ewigkeit bestehe. Die Geschichte widerlegt diese Fabeln und beweist überzeugend, dass alle Völker durch das Stadium der Urgemeinschaft gegangen sind, die auf dem Gemeineigentum beruhte und kein Privateigentum kannte.

5. Die gesellschaftlichen Vorstellungen der Epoche der Urgemeinschaft

Erst allmählich gewann der Mensch der Urgemeinschaft sehr beschränkte und primitive Vorstellungen von sich und von den Bedingungen seiner Umwelt. Von irgendwelchen religiösen Anschauungen, die angeblich, wie die Verfechter der Religion behaupten, von Anfang an dem menschlichen Bewusstsein innewohnen, konnte gar keine Rede sein. Erst in der Folgezeit begann der Mensch der Urgemeinschaft in seinen Vorstellungen die Umwelt mit übernatürlichen Wesen, mit Geistern und Zauberkräften zu bevölkern. Er beseelte die Naturkräfte. Das war der sogenannte Animismus (vom lateinischen Wort „anima“ – Seele). Diesen dunklen Vorstellungen der Menschen von ihrer eigenen und der äußeren Natur entsprangen die urzeitlichen Mythen und die urzeitliche Naturreligion. In ihnen spiegelte sich die primitive Gleichheit der Gesellschaftsordnung wider. Da der Mensch der Urgemeinschaft im realen Leben keine Klassenspaltung und keine Vermögensungleichheit kannte, übertrug er auch keine Ungleichheit auf die in seiner Vorstellung lebende Welt der Geister. Er unterteilte die Geister in heimische und in fremde, in befreundete und in feindliche. Die Unterteilung der Geister in höhere und niedere kam erst in der Periode des Zerfalls der Urgemeinschaft auf.

Der Mensch der Urgemeinschaft fühlte sich als untrennbarer Bestandteil der Gentilgemeinschaft, er dachte sich nicht außerhalb der Gens. Eine Widerspiegelung dessen in der Ideologie war der Kult der Stammväter. Es ist bezeichnend, dass im Laufe der Entwicklung der Sprache die Wörter „ich“ und „mein“ erst viel später als die anderen Wörter aufkamen. Die Macht der Gentilgemeinschaft über den einzelnen Menschen war außerordentlich groß. Mit dem Zerfall der Urgemeinschaft entstanden und verbreiteten sich Vorstellungen, die auf dem Privateigentum beruhten. Das fand in den Mythen und religiösen Vorstellungen eine klare Widerspiegelung. Als sich die Verhältnisse des Privateigentums herausbildeten und die Vermögensungleichheit entstand, kam bei vielen Stämmen die Sitte auf, das Gut, das sich die Führer oder reichen Familien angeeignet hatten, mit einem religiösen Verbot zu belegen, es für „tabu" zu erklären. Mit dem Zerfall der Urgemeinschaft und dem Aufkommen des Privateigentums begann man die Macht des religiösen Verbots dazu auszunutzen, die entstandenen ökonomischen Verhältnisse und die Vermögensungleichheit zu festigen.

6. Kurze Zusammenfassung

1. Durch die Arbeit sonderten sich die Menschen aus der Tierwelt aus, und es entstand die menschliche Gesellschaft. Das charakteristische Merkmal der menschlichen Arbeit ist die Herstellung von Produktionsinstrumenten.

2. Die Produktivkräfte der Urgesellschaft standen auf einem außerordentlich niedrigen Niveau, die Produktionsinstrumente waren überaus primitiv. Das bedingte die Notwendigkeit der kollektiven Arbeit, des gesellschaftlichen Eigentums an den Produktionsmitteln und der gleichmäßigen Verteilung. In der Urgemeinschaft gab es keine Vermögensungleichheit, kein Privateigentum an den Produktionsmitteln, keine Klassen und keine Ausbeutung. Das gesellschaftliche Eigentum an den Produktionsmitteln war auf einen engen Rahmen beschränkt: es war das Eigentum kleiner Gemeinwesen, die mehr oder weniger isoliert voneinander existierten.

3. Die wesentlichen Züge des ökonomischen Grundgesetzes der Urgemeinschaft sind: Sicherung der äußerst dürftigen Existenzbedingungen der Menschen mit Hilfe primitiver Produktionsinstrumente durch gemeinschaftliche Arbeit im Rahmen eines Gemeinwesens und durch gleichmäßige Verteilung der Produkte.

4. Gemeinsam arbeitend, leisteten die Menschen lange Zeit hindurch gleichartige Arbeit. Die allmähliche Verbesserung der Produktionsinstrumente trug zur Entstehung der naturwüchsigen Teilung der Arbeit nach Geschlecht und Alter bei. Die weitere Vervollkommnung der Produktionsinstrumente und der Art und Weise der Erlangung der Mittel zum Leben, die Entwicklung der Viehzucht und des Ackerbaus führten zum Aufkommen der gesellschaftlichen Arbeitsteilung und des Austauschs, des Privateigentums und der Vermögensungleichheit, führten zur Spaltung der Gesellschaft in Klassen und zur Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Somit gerieten die gewachsenen Produktivkräfte in Widerspruch zu den Produktionsverhältnissen, was zur Folge hatte, dass die Urgemeinschaft einem anderen Typ von Produktionsverhältnissen, der Sklavenhalterordnung, Platz machte.