Home
Impressum
Lehrbuch
  Index
  Kapitel 1
  Kapitel 2
  Kapitel 3
  Kapitel 4
  Kapitel 5
  Kapitel 6
  Kapitel 7
  Kapitel 8
  Kapitel 9
  Kapitel 10
  Kapitel 11
  Kapitel 12
  Kapitel 13
  Kapitel 14
  Kapitel 15
  Kapitel 16
  Kapitel 17
  Kapitel 18
  Kapitel 19
  Kapitel 20
  Kapitel 21
  Kapitel 22
  Kapitel 23
  Kapitel 24
  Kapitel 25
  Kapitel 26
  Kapitel 27
  Kapitel 28
  Kapitel 29
  Kapitel 30
  Kapitel 31
  Kapitel 32
  Kapitel 33
  Kapitel 34
  Kapitel 35
  Kapitel 36
  Kapitel 37
  Kapitel 38
  Kapitel 39
  Kapitel 40
  Kapitel 41
  Kapitel 42
  Kapitel 43
  Nachwort
  Anmerkungen
Buch
Dokumente

Vorheriges Kapitel: Kapitel 15     Nächstes Kapitel: Kapitel 17

Das Nationaleinkommen

1. Gesellschaftliches Gesamtprodukt und Nationaleinkommen.
2. Die Verteilung des Nationaleinkommens.
3. Der Staatshaushalt.
4. Kurze Zusammenfassung

1. Gesellschaftliches Gesamtprodukt und Nationaleinkommen.

Die Gesamtmasse der in einem bestimmten Zeitabschnitt, sagen wir in einem Jahr, in der Gesellschaft produzierten materiellen Güter bildet das gesellschaftliche Gesamtprodukt (oder Bruttoprodukt).

Ein Teil des gesellschaftlichen Gesamtprodukts, der gleich dem Wert des verbrauchten konstanten Kapitals ist, dient im Reproduktionsprozess zum Ersatz der verbrauchten Produktionsmittel. Die in einer Fabrik verarbeitete Baumwolle wird durch entsprechende Baumwolllieferungen aus der Ernte des laufenden Jahres ersetzt. An Stelle der verheizten Brennstoffe werden neue Mengen von Kohle und Erdöl herangeschafft. Die unbrauchbar gewordenen Maschinen werden durch andere ersetzt. Der übrige Teil des gesellschaftlichen Gesamtprodukts verkörpert den von der Arbeiterklasse im Produktionsprozess geschaffenen Neuwert.

Der Teil des gesellschaftlichen Gesamtprodukts, in dem der neu produzierte Wert verkörpert ist, bildet das National- (oder Volks-)einkommen. Das Nationaleinkommen in der kapitalistischen Gesellschaft ist also gleich dem Wert des gesellschaftlichen Gesamtprodukts abzüglich des Wertes der im Jahr aufgezehrten Produktionsmittel oder, mit anderen Worten, es ist gleich der Summe des variablen Kapitals und des Mehrwerts. Seiner Naturalform nach ist das Nationaleinkommen die Gesamtmasse der produzierten Gegenstände der individuellen Konsumtion und jener Teil der produzierten Produktionsmittel, der zur Erweiterung der Produktion verwendet wird. Das Nationaleinkommen stellt sich somit dar einerseits als die Summe des während des Jahres neu geschaffenen Wertes und anderseits als die Masse materieller Güter verschiedener Art, als der Teil des gesellschaftlichen Gesamtprodukts, worin sich der neu geschaffene Wert verkörpert.

Im Kapitalismus existiert eine Vielzahl kleiner Warenproduzenten, Bauern und Handwerker, deren Arbeit gleichfalls einen bestimmten Teil des gesellschaftlichen Gesamtprodukts erzeugt. Deshalb geht in das Nationaleinkommen eines Landes auch der Wert ein, der im betreffenden Zeitabschnitt von den Bauern und Handwerkern neu produziert wurde.

Das gesellschaftliche Gesamtprodukt und folglich auch das Nationaleinkommen wird von den Werktätigen erzeugt, die in den Zweigen der materiellen Produktion beschäftigt sind. Dazu gehören alle Zweige, in denen materielle Güter erzeugt werden (Industrie einschließlich Energiewirtschaft, Landwirtschaft, Bauwesen) sowie das Transportwesen.

In den nichtproduzierenden Zweigen, zu denen der Staatsapparat, das Kreditwesen, der Handel (mit Ausnahme der Handelsoperationen, die eine Fortsetzung des Produktionsprozesses in der Zirkulationssphäre darstellen) usw. gehören, wird kein Nationaleinkommen erzeugt.

In den kapitalistischen Ländern ist ein sehr bedeutender Teil der arbeitsfähigen Bevölkerung nicht nur an der Erzeugung des gesellschaftlichen Produkts und des Nationaleinkommens nicht beteiligt, sondern verrichtet überhaupt keine gesellschaftlich nützliche Arbeit. Dazu gehören vor allem die Ausbeuterklassen und ihr zahlreicher parasitärer Anhang, der gigantische bürokratische Polizei-, Militär- und übrige Apparat, der das System der kapitalistischen Lohnsklaverei schützt. Sehr viel Arbeitskraft wird ohne jeden Nutzen für die Gesellschaft vergeudet. So ist ein großer unproduktiver Arbeitsaufwand mit der Konkurrenz, mit der zügellosen Spekulation oder mit der unglaublich aufgeblähten Reklame verbunden.

Die Anarchie der kapitalistischen Produktion, die verheerenden Wirtschaftskrisen, die beträchtliche Unterbelastung der Betriebe schränken die Verwendung der Arbeitskraft erheblich ein. Große Massen von Werktätigen haben im Kapitalismus keine Arbeitsmöglichkeit.

Mit der Entwicklung des Kapitalismus wird der Staatsapparat aufgebläht, es wächst die Zahl der Bedienten der Bourgeoisie, es verringert sich der in der Sphäre der materiellen Produktion beschäftigte Bevölkerungsteil, und es vergrößert sich rasch der Anteil der Personen, die in der Zirkulationssphäre beschäftigt sind. Die Arbeitslosenarmee wächst, und die agrarische Übervölkerung nimmt zu. Das alles beschränkt das Wachstum des gesellschaftlichen Gesamtprodukts und des Nationaleinkommens in der bürgerlichen Gesellschaft aufs Äußerste.

2. Die Verteilung des Nationaleinkommens.

Jeder Produktionsweise entsprechen historisch bestimmte Verteilungsformen. Die Verteilung des Nationaleinkommens im Kapitalismus wird dadurch bestimmt, dass das Eigentum an den Produktionsmitteln in den Händen der Kapitalisten und Grundeigentümer konzentriert ist, die das Proletariat und die Bauernschaft ausbeuten. Infolgedessen wird das Nationaleinkommen nicht im Interesse der Werktätigen, sondern im Interesse der Ausbeuterklassen verteilt.

Im Kapitalismus gelangt das durch die Arbeiter erzeugte Nationaleinkommen zuerst in die Hände der industriellen Kapitalisten (einschließlich der kapitalistischen Unternehmer in der Landwirtschaft). Die industriellen Kapitalisten, die die erzeugten Waren realisieren, erhalten die Gesamtsumme des darin enthaltenen Wertes, darunter den Betrag des variablen Kapitals und des Mehrwerts. Das variable Kapital verwandelt sich in Arbeitslohn, den die industriellen Kapitalisten den in der Produktion beschäftigten Arbeitern zahlen. Der Mehrwert bleibt in Händen der industriellen Kapitalisten; aus ihm bilden sich die Einkommen aller Gruppen der Ausbeuterklassen. Ein Teil des Mehrwerts verwandelt sich in den Profit der industriellen Kapitalisten. Einen Teil des Mehrwerts treten die industriellen Kapitalisten den Handelskapitalisten als kommerziellen Profit und den Bankiers als Zins ab. Einen Teil des Mehrwerts geben die industriellen Kapitalisten den Grundeigentümern als Grundrente.

Schematisch kann diese Verteilung des Nationaleinkommens auf die verschiedenen Klassen der kapitalistischen Gesellschaft folgendermaßen dargestellt werden (in Milliarden Dollar oder Mark):

Gesellschaftliches Gesamtprodukt 90
Ersatz des verbrauchten konstanten Kapitals -60
Nationaleinkommen 30
Varialbles Kapital = Arbeitslohn der Produktionsarbeiter -10
Mehrwert 20
   Profit des industriellen Kapitalisten 10
   Kommerzieller Profit 3
   Zins 2
   Grundrente 5

Zur Verteilung gelangt auch jener Teil des Nationaleinkommens, der im gegebenen Zeitabschnitt durch die Arbeit der Bauern, Handwerker und Gewerbetreibenden geschaffen wurde. Einen Teil davon bekommen die Bauern, Handwerker und Gewerbetreibenden selbst, einen anderen die Kapitalisten (Großbauern, Aufkäufer, Kaufleute, Bankiers usw.), einen dritten die Grundeigentümer.

Das Einkommen der Werktätigen beruht auf ihrer individuellen Arbeit und ist Arbeitseinkommen. Die Quelle für das Einkommen der Ausbeuterklassen ist die Arbeit der Arbeiter sowie der Bauern, Handwerker und Gewerbetreibenden. Das Einkommen der Kapitalisten und Grundeigentümer beruht auf der Ausbeutung fremder Arbeit und ist nicht erarbeitetes Einkommen.

Im Prozess der weiteren Verteilung des Nationaleinkommens wird das nicht erarbeitete Einkommen der Ausbeuterklassen noch vergrößert. Ein Teil des Einkommens der Bevölkerung, in erster Linie der werktätigen Klassen, wird mittels des Staatshaushalts neu verteilt und im Interesse der Ausbeuterklassen verwendet. So verwandelt sich der Einkommensteil der Arbeiter und Bauern, der in Gestalt von Steuern in den Staatshaushalt fließt, in zusätzliches Einkommen der Kapitalisten und in das Einkommen der Beamten. Die den Werktätigen von den Ausbeuterklassen aufgebürdete Steuerlast wächst rapide.

Ferner fließt ein Teil des Nationaleinkommens durch die Bezahlung sogenannter Dienstleistungen in die nichtproduzierenden Zweige (z.B. für die Inanspruchnahme kommunaler Dienste, medizinischer Hilfe, für den Besuch von Kino und Theater usw.). Wie bereits gesagt, wird in diesen Zweigen kein gesellschaftliches Produkt und folglich kein Nationaleinkommen erzeugt. Doch die Kapitalisten erhalten dadurch, dass sie die hier beschäftigten Lohnarbeiter ausbeuten, einen Teil des in den Zweigen der materiellen Produktion erzeugten Nationaleinkommens. Die kapitalistischen Eigentümer der Unternehmen in den nichtproduzierenden Zweigen entlohnen aus diesem Einkommen die Lohnarbeiter, decken die entsprechenden materiellen Aufwendungen (für Räumlichkeiten, Einrichtungen, Heizung usw.) und erzielen einen Profit.

Die Bezahlung der Dienstleistungen muss somit die Kosten dieser Unternehmen decken und einen Durchschnittsprofit gewährleisten, da sonst die Kapitalisten ihr Kapital in diesen Zweigen nicht anlegen werden. Auf der Jagd nach hohem Profit sind die Kapitalisten bestrebt, die Preise für Dienstleistungen in die Höhe zu treiben, was ein weiteres Sinken des Reallohns der Arbeiter und des Realeinkommens der Bauern hervorruft.

Die Neuverteilung des Nationaleinkommens mittels des Haushalts und der hohen Preise für Dienstleistungen verstärken die Verelendung der Werktätigen. Im Ergebnis des gesamten Verteilungsprozesses zerfällt das Nationaleinkommen in zwei Teile: 1. das Einkommen der Ausbeuterklassen und 2. das Einkommen der Werktätigen sowohl in den Zweigen der materiellen Produktion als auch in den nichtproduzierenden Zweigen.

In den USA waren (1923) die Arbeiter und anderen Werktätigen in Stadt und Land, die keine fremde Arbeit ausbeuten, am Nationaleinkommen mit 54% beteiligt, die Kapitalisten mit 46%; in England betrug (1924) der Anteil der Werktätigen 45%, der Anteil der Kapitalisten 55%; in Deutschland betrug (1929) der Anteil der Werktätigen 55%, der Anteil der Kapitalisten 45%. Gegenwärtig entfällt in den kapitalistischen Ländern auf die Werktätigen, das sind neun Zehntel der Bevölkerung, bedeutend weniger als die Hälfte des Nationaleinkommens und auf die Ausbeuterklassen wesentlich mehr als die Hälfte.

Der Anteil der werktätigen Klassen am Nationaleinkommen sinkt beständig, während der Anteil der Ausbeuterklassen wächst. In den USA betrug z.B. der Anteil der Werktätigen am Nationaleinkommen im Jahre 1870 58%, 1890 56%, 1923 54% und 1951 etwa 40%.

Das Nationaleinkommen wird für Konsumtion und Akkumulation verwendet. Die Verwendung wird durch die Klassennatur des Kapitalismus bestimmt und spiegelt den sich immer mehr verstärkenden Parasitismus der Ausbeuterklassen wider.

Der für die individuelle Konsumtion der Werktätigen, der Hauptproduktivkraft der Gesellschaft, verwendete Teil des Nationaleinkommens ist so gering, dass er oft nicht einmal das Existenzminimum gewährleistet.

Ein sehr bedeutender Teil des Nationaleinkommens wird für den parasitären Verbrauch der Kapitalisten und Grundeigentümer verwendet. Ungeheure Summen verwenden die Kapitalisten und Grundeigentümer zum Kauf von Luxusartikeln und für den Unterhalt einer vielköpfigen Dienerschaft.

Im Kapitalismus ist der zur Erweiterung der Produktion verwendete Teil des Nationaleinkommens, mit den Möglichkeiten und den Bedürfnissen der Gesellschaft verglichen, gering. So betrug in den USA der für die Akkumulation verwendete Teil des Nationaleinkommens in der Zeit von 1919 bis 1928 etwa 10% und von 1929 bis 1938 im Durchschnitt nur 2% des Nationaleinkommens, wobei in den Krisenjahren der Akkumulationsbetrag niedriger war als der Amortisationsbetrag, so dass fixes Kapital verzehrt wurde.

Der relativ geringe Akkumulationsumfang im Kapitalismus ist dadurch bedingt, dass ein bedeutender Teil des Nationaleinkommens für die parasitäre Konsumtion der Kapitalisten und für andere unproduktive Ausgaben verbraucht wird. Die reinen Zirkulationskosten, die durch den Unterhalt des Handels- und Kreditapparats, durch die Aufbewahrung überschüssiger Vorräte, durch Reklame, Börsenspekulationen usw. verursacht werden, erreichen Riesenausmaße.

Ein stets wachsender Teil des Nationaleinkommens wird im Kapitalismus für militärische Ausgaben, für das forcierte Rüsten und für den Unterhalt des Staatsapparats ausgegeben.

An der Oberfläche der Erscheinungen der kapitalistischen Gesellschaft stellen sich die Einkommen und ihre Quellen in verzerrter, fetischisierter Form dar. Es entsteht der Anschein, als bringe das Kapital selbst den Profit, der Grund und Boden die Rente hervor und als erzeuge der Arbeiter lediglich einen Wert, der gleich ist seinem Arbeitslohn.

Diese Fetischvorstellungen liegen den bürgerlichen Theorien vom Nationaleinkommen zugrunde. Mit Hilfe dieser Theorien versuchen die bürgerlichen Ökonomen, die Frage des Nationaleinkommens zugunsten der Bourgeoisie zu verwirren. Sie versuchen zu beweisen, dass das Nationaleinkommen nicht nur von den Arbeitern und Bauern, sondern auch von den Kapitalisten und Grundeigentümern sowie von Beamten, Polizisten, Börsenschiebern, Geistlichen usw. geschaffen wird.

Die bürgerlichen Ökonomen stellen ferner die Verteilung des Nationaleinkommens in falschem Licht dar, Sie geben den von den Kapitalisten und Grundeigentümern empfangenen Einkommensteil zu niedrig an. So werden z.B. die Einkommen der Ausbeuterklassen auf Grund der von den Steuerzahlern selbst gemachten, viel zu niedrig bemessenen Angaben ermittelt. Die Riesengehälter der Kapitalisten, die viele von ihnen als Leiter von Aktiengesellschaften erhalten, bleiben unberücksichtigt, ebenso die Einkommen der ländlichen Bourgeoisie usw. Gleichzeitig wird das Einkommen der Werktätigen höher bemessen, als es ist, indem man die hoch bezahlten Beamten, die Direktoren der Unternehmen, Banken, Handelsfirmen usw. zu den Arbeitern rechnet.

Schließlich verzerren die bürgerlichen Ökonomen das wirkliche Bild der Verteilung des Nationaleinkommens dadurch, dass sie die Ausgaben für die Konsumtion der Ausbeuterklassen und für die reinen Zirkulationskosten nicht gesondert aufführen, dass sie den Anteil der militärischen Ausgaben zu niedrig ansetzen und auf jede nur mögliche Weise die unproduktive Verschwendung eines großen Teiles des Nationaleinkommens verschleiern.

3. Der Staatshaushalt.

Der bürgerliche Staat ist ein Organ der Ausbeuterklassen, das den Zweck hat, die ausgebeutete Mehrheit der Gesellschaft niederzuhalten und die Interessen der ausbeutenden Minderheit in der gesamten Innen- und Außenpolitik zu wahren.

Zur Durchführung seiner Aufgaben besitzt der bürgerliche Staat einen weitverzweigten Apparat: das Heer; die Polizei, Straf- und Justizorgane, den Spionagedienst, verschiedene Organe der Verwaltung und die Medien zur ideologischen Beeinflussung der Massen. Dieser Apparat wird aus dem Staatshaushalt finanziert. Die Quelle für den Staatshaushalt sind Steuern und Anleihen.

Der Staatshaushalt ist ein Werkzeug, mit dem ein Teil des Nationaleinkommens im Interesse der Ausbeuterklassen neu verteilt wird. Er wird jährlich als Voranschlag der Staatseinnahmen und -ausgaben aufgestellt. Marx schrieb, dass der Haushalt eines kapitalistischen Staates „...nichts anderes ist als ein Klassenbudget, ein Budget der Bourgeoisie...“[85]

Die Ausgaben des kapitalistischen Staates sind in ihrer überwiegenden Mehrheit unproduktiv. Ein riesiger Teil der Mittel des Staatshaushalts wird im Kapitalismus für die Vorbereitung und Führung von Kriegen verwendet. Dazu gehören auch die Aufwendungen für die wissenschaftliche Forschung auf dem Gebiet der Produktion und Vervollkommnung neuer Massenvernichtungswaffen und für die Wühlarbeit im Ausland.

Ein anderer großer Teil der Ausgaben des kapitalistischen Staates entfällt auf den zur Unterdrückung der Werktätigen unterhaltenen Apparat. „Der moderne Militarismus ist das Resultat des Kapitalismus. In seinen beiden Formen ist er eine ‚Lebenserscheinung’ des Kapitalismus: als Militärmacht, die die kapitalistischen Staaten bei ihren äußeren Zusammenstößen einsetzen ... und als Waffe in den Händen der herrschenden Klassen zur Niederhaltung aller (ökonomischen und politischen) Bewegungen des Proletariats.“[86]

Der Staat verausgabt nicht nur in Krisen oder Kriegszeiten beträchtliche Summen, um die kapitalistischen Unternehmen direkt zu unterstützen, ihnen hohe Profite und ihre Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt zu sichern. Oft haben die an Banken und Industrielle gezahlten Subventionen den Zweck, sie während der Krisen vor dem Bankrott zu retten: Durch die auf Kosten des Staatshaushalts ausgeführten Regierungsaufträge fließen zusätzliche Milliardenprofite in die Taschen der Großkapitalisten.

Die Ausgaben für Kultur und Wissenschaft, für das Bildungs- und Gesundheitswesen machen einen verschwindenden Posten im Staatshaushalt der kapitalistischen Länder aus.

Die Haupteinkünfte bezieht der kapitalistische Staat aus den Steuern.

Die Steuern sind im Kapitalismus eine Form zusätzlicher Ausbeutung der Werktätigen, da ein Teil ihrer Einkünfte mittels des Staatshaushalts zugunsten der Bourgeoisie neu verteilt wird. Wird das Einkommen der einzelnen Personen veranlagt, so heißen sie direkte Steuern. Dagegen werden sie indirekte Steuern genannt, wenn die zum Verkauf gelangenden Waren (hauptsächlich Gegenstände des täglichen Bedarfs) oder Dienstleistungen (zum Beispiel Kino- und Theaterkarten, Fahrkarten der städtischen Verkehrsbetriebe usw.) besteuert werden. Die indirekten Steuern erhöhen die Warenpreise und die Preise für Dienstleistungen. Die indirekten Steuern werden faktisch von den Käufern bezahlt. Die Kapitalisten wälzen auf die Käufer auch einen Teil ihrer direkten Steuern ab, wenn es ihnen gelingt, die Preise für Waren und Dienstleistungen in die Höhe zu treiben.

Die Politik des bürgerlichen Staates ist darauf gerichtet, die Ausbeuterklassen steuerlich sowenig wie möglich zu belasten. Die Kapitalisten umgehen die Steuerzahlung, indem sie die wahre Höhe ihrer Einkünfte verbergen. Besonders vorteilhaft ist für die besitzenden Klassen die Politik der indirekten Steuern. „...die indirekten Steuern, die auf die Gegenstände des Massenbedarfs entfallen, (zeichnen sich) durch größte Ungerechtigkeit aus. Sie lasten mit ihrer ganzen Schwere auf den Armen und schaffen für die Reichen ein Privileg. Je ärmer der Mensch, um so größer der Teil seines Einkommens, den er dem Staat in Gestalt der indirekten Steuern abgibt. Die wenig besitzende und besitzlose Masse macht 9/10 der gesamten Bevölkerung aus, sie verbraucht 9/10 aller besteuerten Erzeugnisse und zahlt 9/10 der Gesamtsumme der indirekten Steuern; ihr Anteil am gesamten Volkseinkommen beträgt aber nur etwa zwei bis drei Zehntel.“[87]

Die Hauptsteuerlast tragen also die werktätigen Massen, die Arbeiter, die Bauern, die Angestellten. Wie bereits gesagt, wird gegenwärtig in den bürgerlichen Ländern den Arbeitern und Angestellten durch Steuern etwa ein Drittel ihres Verdienstes entzogen und dem Staatshaushalt zugeführt. Hohe Steuern werden auch den Bauern auferlegt und beschleunigen ihren Ruin.

Neben den Steuern sind ein wichtiger Einnahmeposten des kapitalistischen Staates die Anleihen. In den meisten Fällen greift der bürgerliche Staat zu Anleihen, um außerordentliche, in erster Linie militärische Ausgaben zu decken. Mit einem bedeutenden Teil der durch Anleihen aufgebrachten Mittel bezahlt der Staat Lieferungen, die den Industriellen ungeheure Profite bringen. Letzten Endes führen die Anleihen zu einer weiteren Erhöhung der Steuern der Werktätigen, da die Anleihen verzinst und getilgt werden müssen. In den bürgerlichen Ländern nimmt die Staatsschuld rasch zu.

Eine Einnahmequelle des kapitalistischen Staatshaushalts ist die Papiergeldemission. Sie verursacht Inflation und Preissteigerung und liefert somit dem bürgerlichen Staat einen Teil des Nationaleinkommens aus auf Kosten des sinkenden Lebensniveaus der Volksmassen.

Somit ist der Staatshaushalt im Kapitalismus in den Händen des bürgerlichen Staates ein Werkzeug zusätzlicher Ausplünderung der Werktätigen und Bereicherung der Kapitalistenklasse. Er verstärkt den unproduktiven und parasitären Charakter der Verwendung des Nationaleinkommens.

4. Kurze Zusammenfassung

1. Das Nationaleinkommen in der kapitalistischen Gesellschaft ist jener Teil des gesellschaftlichen Gesamtprodukts, in dem sich der neu geschaffene Wert verkörpert. Das Nationaleinkommen wird in den Zweigen der materiellen Produktion durch die Arbeit der Arbeiterklasse sowie durch die Arbeit der Bauern und Handwerker erzeugt. Seiner Naturalform nach besteht das Nationaleinkommen aus der Gesamtmasse der produzierten Konsumtionsmittel und aus jenem Teil der Produktionsmittel, der für die Erweiterung der Produktion bestimmt ist. Im Kapitalismus ist ein bedeutender Teil der arbeitsfähigen Bevölkerung nicht nur an der Erzeugung des Nationaleinkommens nicht beteiligt, sondern verrichtet überhaupt keine gesellschaftlich nützliche Arbeit.

2. Das Nationaleinkommen wird im Kapitalismus im Interesse der Bereicherung der Ausbeuterklassen verteilt. Der Anteil der werktätigen Klassen am Nationaleinkommen fällt, während sich der Anteil der Ausbeuterklassen vergrößert.

3. Im Kapitalismus wird das Nationaleinkommen verteilt in Form des Arbeitslohns der Arbeiter, des Profits der Kapitalisten (der Industriellen, Kaufleute und Besitzer von Leihkapital) und der Grundrente, die die Grundeigentümer erhalten. Mittels des Staatshaushalts und der hohen Preise für Dienstleistungen erfolgt eine Neuverteilung des Nationaleinkommens, die eine weitere Verelendung der Werktätigen zur Folge hat.

4. Ein großer und stets wachsender Teil des Nationaleinkommens wird im Kapitalismus unproduktiv verwendet. Er wird für die parasitäre Konsumtion der Bourgeoisie, für die maßlos aufgeblähten Zirkulationskosten, für den Unterhalt des staatlichen Apparats der Unterdrückung der Massen, für die Vorbereitung und Führung von Eroberungskriegen ausgegeben.