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Die einfache kapitalistische Kooperation und die Manufaktur

1. Die einfache kapitalistische Kooperation.
2. Die Manufakturperiode des Kapitalismus.
3. Die kapitalistische Hausarbeit.
4. Die historische Rolle der Manufaktur.
5. Die Zersetzung der Bauernschaft. Der Übergang von der Fronwirtschaft zur kapitalistischen Wirtschaft in der Manufakturperiode.
6. Die Entstehung des inneren Marktes für die kapitalistische Industrie.
7. Kurze Zusammenfassung

1. Die einfache kapitalistische Kooperation.

Der Kapitalismus unterwirft sich die Produktion zunächst in dem Zustand, in dem er sie vorfindet, d.h. mit der rückständigen Technik des Handwerks und der kleinbäuerlichen Wirtschaft. Erst später, auf einer höheren Stufe seiner Entwicklung, verändert der Kapitalismus die Produktion auf neuen ökonomischen und technischen Grundlagen.

Für die Entwicklung der kapitalistischen Produktion in der Industrie sind folgende drei Hauptstadien charakteristisch: 1. Einfache kapitalistische Kooperation, 2. Manufakturperiode, 3. Maschinenperiode.

Die kapitalistische Produktion beginnt dort, wo die Produktionsmittel in Privathand konzentriert sind und die der Produktionsmittel beraubten Arbeiter ihre Arbeitskraft als Ware verkaufen müssen. In der Handwerksproduktion und in den bäuerlichen Gewerben entstehen verhältnismäßig große Werkstätten, die Kapitalisten gehören. Die Kapitalisten erweitern den Umfang der Produktion, verändern jedoch in der ersten Zeit weder die Arbeitsinstrumente noch die Arbeitsmethoden der Kleinproduzenten. Diese erste Stufe in der Entwicklung der kapitalistischen Produktion heißt einfache kapitalistische Kooperation.

Die einfache kapitalistische Kooperation ist die Form der Vergesellschaftung der Arbeit, bei der eine mehr oder weniger große Anzahl von gleichzeitig beschäftigten, gleichartige Arbeit verrichtenden Lohnarbeitern vom Kapitalisten ausgebeutet wird. Die ersten kapitalistischen Unternehmen wurden von Händlern und Aufkäufern, Wucherern, reich gewordenen Meistern, Handwerkern und Gewerbetreibenden gegründet. In diesen Unternehmen waren ruinierte Handwerker, Gesellen, die der Möglichkeit beraubt waren, selbst Meister zu werden, und verarmte bzw. vertriebene Bauern beschäftigt.

Die einfache kapitalistische Kooperation ist produktiver als die kleine Warenproduktion. Die Zusammenfassung vieler Arbeiter in einem Betrieb ermöglicht eine Einsparung von Produktionsmitteln. Die Errichtung, Beheizung und Beleuchtung einer Werkstatt für 12 Menschen ist billiger als die Errichtung und Unterhaltung von 6 Werkstätten für je 2 Arbeiter. Gleichfalls verringern sich die Ausgaben für Werkzeuge und Lagerräume sowie für den Transport von Rohstoffen und Fertigerzeugnissen.

„Werden dagegen von den 12 Arbeitern je zwei von einem kleinen Meister beschäftigt, so wird es zufällig, ob jeder einzelne Meister dieselbe Wertmasse produziert und daher die allgemeine Rate des Mehrwerts realisiert. [...] Von den sechs Kleinmeistern würde der eine daher mehr, der andre weniger als die allgemeine Rate des Mehrwerts herausschlagen. Die Ungleichheiten würden sich für die Gesellschaft kompensieren, aber nicht für den einzelnen Meister. Das Gesetz der Verwertung überhaupt realisiert sich also für den einzelnen Produzenten erst vollständig, sobald er als Kapitalist produziert, viele Arbeiter gleichzeitig anwendet, also von vornherein gesellschaftliche Durchschnittsarbeit in Bewegung setzt.“[36]

Bei der einfachen Kooperation wird eine Einsparung von Arbeit erzielt, die Arbeitsproduktivität steigt. Nehmen wir als Beispiel das Weiterreichen von Ziegelsteinen von Hand zu Hand, wenn die Arbeiter eine Kette bilden. Jeder einzelne Arbeiter macht hier die gleichen Bewegungen, doch sind seine Bewegungen Bestandteil einer Gesamtverrichtung. Die Arbeit geht deswegen auch viel rascher voran, als wenn jeder einzelne die Ziegelsteine gesondert befördert. Zehn Menschen, die gemeinsam arbeiten, schaffen während eines Arbeitstages mehr als die gleichen zehn Menschen, wenn sie einzeln arbeiten, oder als ein einzelner, der zehn Arbeitstage von der gleichen Dauer arbeitet.

Die Kooperation erlaubt, Arbeiten gleichzeitig auf einem großen Raum zu verrichten, so z.B. bei der Trockenlegung von Sümpfen, beim Bau von Dämmen, Kanälen und Eisenbahnen. Sie bietet ferner die Möglichkeit, auf kleinem Raum eine erhebliche Menge Arbeit aufzuwenden, so z.B. beim Bau von Gebäuden oder aber in der Landwirtschaft bei den Kulturen, die einen großen Arbeitsaufwand erfordern. Die Kooperation existiert auf allen Stufen der Gesellschaft, aber nur sporadisch, und wird erst mit der Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise allgemein.

Die Kooperation ist für die Produktionszweige von großer Bedeutung, in denen bestimmte Arbeiten in einem kurzen Zeitraum erledigt werden müssen, so z.B. bei der Ernte, bei der Schafschur usw. Die gleichzeitige Anwendung einer großen Menge von Arbeitern ermöglicht es, diese Arbeiten kurzfristig durchzuführen und auf diese Weise große Verluste zu vermeiden.

Die Kooperation als gemeinsame Arbeit in verhältnismäßig großem Maßstab erfordert generell die Einrichtung einer besonderen Funktion, die der Leitung, Überwachung und Koordinierung der einzelnen Arbeiten dient. Im kapitalistischen Betrieb wird die Funktion der Leitung vom Kapitalisten ausgeübt und hat insofern spezielle Merkmale, als sie zugleich Funktion der Ausbeutung der Lohnarbeiter durch das Kapital ist. Der Kapitalist ist nicht deswegen Kapitalist, weil er einen Industriebetrieb leitet; im Gegenteil, er wird Leiter des Betriebes, weil er Kapitalist ist.

Bereits bei der einfachen kapitalistischen Kooperation macht sich der Kapitalist von körperlicher Arbeit frei. Sobald die Kooperation der Arbeit größeren Maßstab annimmt, entledigt er sich auch der Funktion der unmittelbaren und ständigen Beaufsichtigung der Arbeiter. Diese Funktion wird einer besonderen Kategorie von im Lohnverhältnis stehenden Personen – leitendem Personal und Meistern – übertragen, die im Auftrag des Kapitalisten im Betrieb kommandieren. Ihrem Charakter nach ist die kapitalistische Leitung despotisch. Von Beginn an ist das Kapital ein Produktionsverhältnis, das mit den gesellschaftlichen Produktivkräften, auf denen es basiert, im Widerspruch steht: dem Widerspruch von kapitalistischem Verwertungsprozess und gesellschaftlichem Produktionsprozess.

Die Kooperation brachte eine neue gesellschaftliche Produktivität der Arbeit hervor. Bereits die einfache Zusammenfassung der Kräfte von Einzelarbeitern führte zur Steigerung der Arbeitsproduktivität. Die Ergebnisse der neuen gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit eignen sich die Kapitalisten unentgeltlich an und bereichern sich dadurch.

2. Die Manufakturperiode des Kapitalismus.

Die Entwicklung der einfachen kapitalistischen Kooperation führte zur Entstehung von Manufakturbetrieben. Die Manufaktur ist kapitalistische Kooperation, die auf Arbeitsteilung und handwerklicher Technik beruht. Die Manufaktur als Form des kapitalistischen Produktionsprozesses herrschte in Westeuropa etwa von der Mitte des l6. Jahrhunderts bis zum letzten Drittel des 18. Jahrhunderts. Sie ist das zweite, nächsthöhere Stadium in der Entwicklung der kapitalistischen Produktion.

Die Manufaktur entstand auf doppelte Weise: Der erste Weg ist die Zusammenfassung von Handwerkern verschiedenartiger Berufe durch den Kapitalisten in einer Werkstatt. So entstand zum Beispiel die Kutschenmanufaktur, die in ihren Räumen ehemals selbständige Handwerker vereinigte: Stellmacher, Sattler, Schneider, Schlosser, Gürtler, Drechsler, Posamentierer, Glaser, Maler, Lackierer usw. In der Manufaktur ist die Herstellung der Kutschen in eine große Anzahl verschiedenartiger, einander ergänzender Operationen geteilt, von denen jede von einem Einzelarbeiter verrichtet wird. Infolgedessen verändert sich der bisherige Charakter der Handwerksarbeit. Der als Schlosser tätige Arbeiter z.B. ist nunmehr lange Zeit hindurch ausschließlich mit einer bestimmten Operation in der Kutschenproduktion beschäftigt und hört allmählich auf, zünftiger Schlosser zu sein.

Der zweite Weg ist die Zusammenfassung von Handwerkern eines Berufs durch den Kapitalisten in einer Werkstatt. Vorher hatte jeder Handwerker sämtliche Operationen für die Herstellung einer bestimmten Ware selbständig verrichtet. Der Kapitalist teilt nun den Produktionsprozess in der Werkstatt in eine Reihe von Einzeloperationen auf, von denen jede einem Spezialarbeiter übertragen wird. Auf diese Weise entstand zum Beispiel die Nadelmanufaktur. In der Nadelmanufaktur lief der Draht durch die Hände von 72 und mehr Arbeitern: der eine zog den Draht, ein zweiter streckte ihn, ein dritter schnitt ihn, ein vierter spitzte ihn, usw.

Die manufakturmäßige Teilung der Arbeit ist innerbetriebliche Arbeitsteilung bei der Herstellung ein und derselben Ware zum Unterschied von der Herstellung innerhalb der Gesellschaft zwischen den einzelnen Bereichen bei der Herstellung verschiedenartiger Waren.

Die Arbeitsteilung innerhalb der Manufaktur setzt Konzentration der Produktionsmittel in der Hand des Kapitalisten voraus, der damit Eigentümer der hergestellten Waren ist. Der Lohnarbeiter stellt zum Unterschied vom kleinen Warenproduzenten die Ware nicht selbständig her; Ware wird erst das Gesamtprodukt der Arbeit vieler Arbeiter. Die Arbeitsteilung innerhalb der Gesellschaft setzt Zersplitterung der Produktionsmittel unter einzelne, voneinander unabhängige Warenproduzenten voraus. Die Produkte ihrer Arbeit, z.B. des Tischlers, Gerbers, Schuhmachers, Ackerbauers, erscheinen als Ware, und der Zusammenhang zwischen den selbständigen Warenproduzenten wird mit Hilfe des Marktes hergestellt.

Der Arbeiter, der in der Manufaktur eine einzelne Operation zur Herstellung einer Ware verrichtet, ist Teilarbeiter. Ständig ein und dieselbe einfache Operation verrichtend, wendet er dafür weniger Zeit und Kraft auf als der Handwerker, der nacheinander eine ganze Reihe verschiedenartiger Operationen verrichtet. Gleichzeitig wird die Arbeit durch Spezialisierung intensiver. Früher benötigte der Arbeiter eine bestimmte Zeit für den Übergang von einer Operation zu einer anderen und für das Wechseln des Werkzeugs. In der Manufaktur verringerten sich diese Verluste an Arbeitszeit. Allmählich erstreckte sich die Spezialisierung nicht nur auf den Arbeiter, sondern auch auf die Produktionsinstrumente; diese wurden vervollkommnet und immer mehr den Teiloperationen angepasst, für die sie bestimmt waren. Alles dies führte zu einer weiteren Steigerung der Arbeitsproduktivität.

Ein anschauliches Beispiel dafür ist die Nadelproduktion. Im 18. Jahrhundert produzierte ein kleiner Manufakturbetrieb mit 10 Beschäftigten bei Arbeitsteilung täglich 48000 Nadeln, folglich kamen auf einen Arbeiter 4800 Nadeln. Ohne Arbeitsteilung indessen konnte ein Arbeiter kaum 20 Nadeln am Tage herstellen.

Die Manufaktur „verkrüppelt den Arbeiter in eine Abnormität, indem sie sein Detailgeschick treibhausmäßig fördert durch Unterdrückung einer Welt von produktiven Trieben und Anlagen ...“.[37] „Während die Teilung der Arbeit im Ganzen einer Gesellschaft, ob vermittelt oder unvermittelt durch den Warenaustausch, den verschiedenartigsten ökonomischen Gesellschaftsformationen angehört, ist die manufakturmäßige Teilung der Arbeit eine ganz spezifische Schöpfung der kapitalistischen Produktionsweise.“[38] Die manufakturmäßige Arbeitsteilung, schrieb Marx weiter, „produziert neue Bedingungen der Herrschaft des Kapitals über die Arbeit. Wenn sie daher einerseits als historischer Fortschritt und notwendiges Entwicklungsmoment im ökonomischen Bildungsprozess der Gesellschaft erscheint, so andrerseits als ein Mittel zivilisierter und raffinierter Exploitation.“[39]

„Die manufakturmäßige Teilung der Arbeit schafft durch Analyse der handwerksmäßigen Tätigkeit, Spezifizierung der Arbeitsinstrumente, Bildung der Teilarbeiter, ihre Gruppierung und Kombination in einem Gesamtmechanismus die qualitative Gliederung und quantitative Proportionalität gesellschaftlicher Produktionsprozesse, also eine bestimmte Organisation gesellschaftlicher Arbeit und entwickelt damit zugleich neue, gesellschaftliche Produktivkraft der Arbeit. Als spezifisch kapitalistische Form des gesellschaftlichen Produktionsprozesses - und auf den vorgefundnen Grundlagen konnte sie sich nicht anders als in der kapitalistischen Form entwickeln - ist sie nur eine besondre Methode, relativen Mehrwert zu erzeugen oder die Selbstverwertung des Kapitals... auf Kosten der Arbeiter zu erhöhn.“[40].

3. Die kapitalistische Hausarbeit.

In der Manufakturperiode des Kapitalismus erfuhr das Vergeben von Hausarbeit überaus weite Verbreitung.

Kapitalistische Hausarbeit ist im Stücklohn bezahlte, zu Hause erfolgende Verarbeitung vom Unternehmer gelieferten Materials. Diese Form der Ausbeutung war hin und wieder bereits bei der einfachen Kooperation anzutreffen. Auch in der Periode der maschinellen Großindustrie findet sie sich; charakteristisch ist sie jedoch gerade für die Manufaktur. Die kapitalistische Hausarbeit ist hier Anhängsel der Manufaktur.

Die manufakturmäßige Teilung der Arbeit zergliederte die Herstellung einer jeden Ware in eine Reihe von Einzeloperationen. Häufig erschien es dem Aufkäufer und Manufakturbesitzer vorteilhaft, eine verhältnismäßig kleine Werkstatt einzurichten, in der die Ware nur zusammengesetzt oder endgültig fertiggestellt wurde. Alle vorangehenden Operationen wurden von Handwerkern und Hausarbeitern zu Hause verrichtet, die voll und ganz vom Kapitalisten abhängig waren. Nicht selten hatten es die über verschiedene Dörfer zerstreuten Hausarbeiter nicht mit dem Besitzer der zentralen Werkstatt zu tun, sondern mit Meistern, die als Vermittler auftraten und diese Hausarbeiter zusätzlich ausbeuteten.

Die zu Hause arbeitenden Handwerker und die Hausarbeiter erhielten einen erheblich geringeren Lohn als die in der Werkstatt des Kapitalisten beschäftigten Arbeiter. Den Gewerben strömten Massen von Bauern zu, die gezwungen waren, einen Nebenverdienst zu suchen. Um eine geringe Geldsumme zu verdienen, musste der Bauer seine Kräfte bis zur Erschöpfung verausgaben und war außerdem gezwungen, sämtliche Familienangehörigen einzuspannen. Übermäßig langer Arbeitstag, gesundheitswidrige Arbeitsbedingungen und unbarmherzige Ausbeutung – das sind die kennzeichnenden Züge der kapitalistischen Hausarbeit.

Zahlreiche Beispiele grausamer Ausbeutung der Hausarbeiter führte W. I. Lenin in seinem Werk „Die Entwicklung des Kapitalismus in Russland“ an. So waren Anfang der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts im Gouvernement Moskau 37500 Arbeiterinnen mit dem Abhaspeln des Baumwollgarns beschäftigt bzw. im Strickereigewerbe und in anderen Frauengewerben tätig. Kinder begannen im Alter von 5 bis 6 Jahren zu arbeiten. Der durchschnittliche Tageslohn betrug 3 Kopeken; der Arbeitstag dauerte bis zu 18 Stunden.

4. Die historische Rolle der Manufaktur.

Die Manufaktur bildete den Übergang von der Kleinproduktion der Handwerker und Hausarbeiter zur kapitalistischen maschinellen Großindustrie. Mit dem Handwerk hatte die Manufaktur gemein, dass ihre Grundlage die manuelle Technik blieb; der kapitalistischen Fabrik ähnelte sie darin, dass sie auf der Ausbeutung von Lohnarbeitern beruhende Großproduktion war.

Die manufakturmäßige Arbeitsteilung war ein erheblicher Fortschritt in der Entwicklung der Produktivkräfte der Gesellschaft. Jedoch vermochte die auf manueller Arbeit beruhende Manufaktur nicht die Kleinproduktion zu verdrängen. Typisch für die kapitalistische Manufaktur ist das Nebeneinanderbestehen einer geringen Anzahl verhältnismäßig großer Unternehmen und einer beträchtlichen Anzahl kleiner Produktionsstätten. Ein bestimmter Teil der Waren wurde in Manufakturbetrieben hergestellt, die überwiegende Masse der Waren wurde jedoch nach wie vor von Handwerkern und Hausarbeitern geliefert, die mehr oder weniger von kapitalistischen Aufkäufern, Verlegern und Manufakturbesitzern abhängig waren. Auf diese Weise konnte die Manufaktur die gesellschaftliche Produktion nicht in ihrem gesamten Umfang ergreifen. Sie war gewissermaßen ein Überbau; die Grundlage blieb nach wie vor die Kleinproduktion mit ihrer primitiven Technik.

Die historische Rolle der Manufaktur bestand darin, dass sie die notwendigen Voraussetzungen für den Übergang zur maschinellen Produktion schuf. In dieser Hinsicht waren drei Umstände von besonderer Wichtigkeit. 1. hat die Manufaktur, da sie eine hohe Stufe der Arbeitsteilung mit sich brachte, viele Arbeitsoperationen vereinfacht. Sie wurden auf derart einfache Bewegungen reduziert, dass schließlich die Hand des Arbeiters durch die Maschine ersetzt werden konnte. 2. hat die Entwicklung der Manufaktur eine Spezialisierung der Arbeitsinstrumente sowie ihre erhebliche Vervollkommnung bewirkt, so dass der Übergang vom Handwerkzeug zur Maschine möglich wurde. 3. hat die Manufaktur dadurch, dass sie die Arbeiter lange Zeit hindurch auf die Verrichtung von Einzeloperationen spezialisierte, einen Stamm von geschickten Arbeitern für die maschinelle Großindustrie ausgebildet.

5. Die Zersetzung der Bauernschaft. Der Übergang von der Fronwirtschaft zur kapitalistischen Wirtschaft in der Manufakturperiode.

Das Wachstum der gesellschaftlichen Arbeitsteilung führte dazu, dass sich nicht nur die industriellen, sondern auch die landwirtschaftlichen Erzeugnisse in Ware verwandelten. In der Landwirtschaft spezialisierten sich die verschiedenen Bezirke auf bestimmte Kulturen und Zweige. Es entstanden Bezirke mit einer für den Markt produzierenden Landwirtschaft, die sich auf den Anbau von Flachs, Zuckerrüben, Baumwolle, Tabak, auf die Erzeugung von Milch, Käse usw. spezialisierten. Auf dieser Grundlage entwickelte sich der Austausch nicht nur zwischen Industrie und Landwirtschaft, sondern auch zwischen den verschiedenen Zweigen innerhalb der Landwirtschaft.

Je weiter die Warenproduktion in die Landwirtschaft eindrang, desto stärker wurde die Konkurrenz zwischen den Bauern. Der Bauer wurde immer mehr vom Markt abhängig. Die elementaren Preisschwankungen auf dem Markt verstärkten und verschärften die Vermögensungleichheit zwischen den Bauern. Eine wohlhabende Oberschicht im Dorfe sammelte überschüssiges Geld an. Dieses Geld diente zur Knechtung und Ausbeutung der mittellosen Bauern, es verwandelte sich in Kapital. Allmählich erreichte der Ruin der Bauern ein solches Ausmaß, dass viele von ihnen gezwungen waren, ihre Wirtschaft ganz aufzugeben und ihre Arbeitskraft zu verkaufen.

Also ging mit der Entwicklung der gesellschaftlichen Arbeitsteilung, mit dem Wachstum der Warenproduktion die Zersetzung der Bauernschaft einher. Auf dem Lande bildeten sich kapitalistische Verhältnisse heraus; es entstanden neue soziale Typen der Landbevölkerung, die Klassen der kapitalistischen Gesellschaft waren, nämlich die Dorfbourgeoisie und das landwirtschaftliche Proletariat.

Die Dorfbourgeoisie oder Großbauernschaft (Kulakentum) betreibt Warenwirtschaft auf der Grundlage der Anwendung von Lohnarbeit, der Ausbeutung von ständig beschäftigten Landarbeitern und in noch stärkerem Maße von Tagelöhnern und Saisonarbeitern. Die Großbauern konzentrieren in ihrer Hand einen bedeutenden Teil des Bodens (einschließlich Pachtland), des Arbeitsviehs und der landwirtschaftlichen Erzeugnisse. In ihrer Hand befinden sich auch Betriebe für die Verarbeitung der Rohstoffe, die Mühlen, die Dreschmaschinen, das Zuchtvieh usw. Die Großbauern betätigen sich gewöhnlich auch als Wucherer und Krämer. Alles dies sind Mittel zur Ausbeutung der Dorfarmut und eines beträchtlichen Teils der Mittelbauernschaft.

Das landwirtschaftliche Proletariat ist die Masse der ihrer Produktionsmittel beraubten und von den Gutsbesitzern und der Dorfbourgeoisie ausgebeuteten Landarbeiter. Hauptquelle der Existenz des landwirtschaftlichen Proletariats ist der Verkauf seiner Arbeitskraft. Typischer Vertreter des landwirtschaftlichen Proletariats ist der Lohnarbeiter mit Landanteil. Der geringe Umfang der Wirtschaft auf einem winzigen Stückchen Land sowie das Fehlen von Arbeitsvieh und Inventar zwingen einen solchen Bauern, seine Arbeitskraft zu verkaufen.

Dem landwirtschaftlichen Proletariat verwandt ist die Dorfarmut. Der arme Bauer besitzt ein kleines Stückchen Land und wenig Vieh. Von der eigenen Produktion kann dieser Bauer nicht leben. Das für Nahrung, Kleidung, Aufrechterhaltung der Wirtschaft, Steuern und Abgaben benötigte Geld muss er zum großen Teil durch Lohnarbeit verdienen. Dieser Bauer ist schon nicht mehr Besitzer, sondern bereits landwirtschaftlicher Halbproletarier, d.h. er hat noch Besitz, der aber nicht mehr hinreicht, um seinen Lebensunterhalt zu sichern. Der Lebensstandard des armen Bauern ebenso wie der des landwirtschaftlichen Proletariers ist äußerst niedrig und liegt sogar unter dem des Industriearbeiters. Die Entwicklung des Kapitalismus in der Landwirtschaft führt dazu, dass die Reihen des landwirtschaftlichen Proletariats und der Dorfarmut immer mehr anwachsen.

Das Zwischenglied zwischen der Dorfbourgeoisie und der Dorfarmut ist die Mittelbauernschaft.

Die Mittelbauernschaft führt ihre Wirtschaft auf der Grundlage eigener Produktionsmittel und persönlicher Arbeit. Die Arbeit des Mittelbauern in der eigenen Wirtschaft sichert nur unter günstigen Umständen den Unterhalt der Familie. Daher ist die Lage der Mittelbauernschaft unsicher. „Was die gesellschaftlichen Verhältnisse betrifft, so schwankt sie zwischen der oberen Gruppe, zu der sie aufsteigen möchte, zu der aufzusteigen aber nur einer kleinen Minderheit von Glücklichen gelingt, und der unteren, in die sie durch den ganzen Gang der gesellschaftlichen Entwicklung gedrängt wird.“[41] Die Mittelbauernschaft wird allmählich ruiniert, „hinweggespült“.

Die kapitalistischen Verhältnisse in der Landwirtschaft der bürgerlichen Länder vermischten sich mit Überresten der Leibeigenschaft. Die Bourgeoisie schaffte in der Mehrzahl der Länder, auch nachdem sie zur Macht gelangt war, den feudalen Großgrundbesitz nicht ab. Die Wirtschaft des Gutsherrn passte sich allmählich dem Kapitalismus an. Die von der Leibeigenschaft befreite, jedoch eines beträchtlichen Teils des Bodens beraubte Bauernschaft war gezwungen, bei den Gutsherren Land zu knechtenden Bedingungen zu pachten.

6. Die Entstehung des inneren Marktes für die kapitalistische Industrie.

Die Entwicklung des Kapitalismus in Industrie und Landwirtschaft war von der Entstehung des inneren Marktes begleitet.

Bereits in der Manufakturperiode entstand eine Reihe neuer Zweige der Industrieproduktion. Eine nach der anderen lösten sich die verschiedenen Arten der industriellen Verarbeitung landwirtschaftlicher Rohstoffe von der Landwirtschaft. Mit dem Wachstum der Industrie stieg die Nachfrage nach landwirtschaftlichen Erzeugnissen immer mehr an. Im Zusammenhang damit erweiterte sich der Markt. Die auf die Erzeugung von Baumwolle, Flachs, Zuckerrüben usw. sowie auf die Viehwirtschaft spezialisierten Bezirke benötigten Getreide. Die Landwirtschaft erhöhte die Nachfrage nach den verschiedenartigsten Industriegütern.

Der innere Markt für die kapitalistische Industrie wird durch die Entwicklung des Kapitalismus selbst, durch die Differenzierung der kleinen Warenproduzenten geschaffen. „Die Scheidung des unmittelbaren Produzenten von den Produktionsmitteln, das heißt seine Expropriation, die den Übergang von der einfachen Warenproduktion zur kapitalistischen Produktion kennzeichnet (und eine notwendige Voraussetzung dieses Übergangs ist), schafft den inneren Markt.“[42] Dieser Prozess hat zwei Seiten. Auf der einen Seite benötigt die Bourgeoisie in Stadt und Land Produktionsmittel – nämlich vervollkommnete Arbeitsinstrumente, Maschinen, Rohstoffe usw. – für die Erweiterung der bestehenden und den Bau von neuen kapitalistischen Betrieben. Auch steigt die Nachfrage der Bourgeoisie nach Konsumtionsmitteln. Auf der anderen Seite ist das unlösbar mit der Zersetzung der Bauernschaft verbundene zahlenmäßige Wachstum des industriellen und landwirtschaftlichen Proletariats von einer Steigerung der Nachfrage nach den Waren begleitet, die die Existenzmittel des Arbeiters sind.

Die auf primitiver Technik und manueller Arbeit beruhende Manufaktur war nicht in der Lage, die steigende Nachfrage nach Industriewaren zu befriedigen. Der Übergang zur maschinellen Großproduktion wurde zur ökono­mischen Notwendigkeit.

7. Kurze Zusammenfassung

1. Das erste Entwicklungsstadium der kapitalistischen Produktion in der Industrie ist die einfache kapitalistische Kooperation, die aus der kleinen Warenproduktion entsteht. Die einfache kapitalistische Kooperation ist eine Produktionsform, die auf der Ausbeutung einer mehr oder minder großen Anzahl gleichzeitig beschäftigter, gleichartige Arbeit verrichtender Lohnarbeiter durch einen einzelnen Kapitalisten beruht. Dies gewährleistete eine Einsparung von Produktionsmitteln, schuf eine neue gesellschaftliche Produktivkraft der Arbeit und verringerte den Arbeitsaufwand je Einheit erzeugter Produkte. Die Resultate des Wachstums der Produktivkraft der gesellschaftlichen Arbeit eigneten sich die Kapitalisten unentgeltlich an.

2. Das zweite Entwicklungsstadium der kapitalistischen Produktion in der Industrie ist die Manufaktur. Die Manufaktur ist auf handwerksmäßiger Technik und auf Arbeitsteilung zwischen den Lohnarbeitern beruhende kapitalistische Großproduktion. Die manufakturmäßige Arbeitsteilung hat die Arbeitsproduktivität beträchtlich erhöht und zugleich den Lohnarbeiter verkrüppelt, indem sie ihn zu äußerst einseitiger Entwicklung verdammte. Die Manufaktur schuf die Voraussetzungen für den Übergang zur maschinellen Großindustrie.

3. Die Entwicklung der Warenproduktion führt zur Zersetzung der Bauernschaft. Eine kleine Oberschicht im Dorfe geht in die Bourgeoisie über; beträchtliche Massen der Bauernschaft gehen in das städtische und landwirtschaftliche Proletariat über; die Masse der Dorfarmut wächst; die umfangreiche Zwischenschicht der Mittelbauern­schaft wird ruiniert. Die Gutsbesitzer gehen immer mehr von der Fronwirtschaft zur kapitalistischen Wirtschaft über.

4. Der innere Markt wird durch die Entwicklung des Kapitalismus selbst geschaffen. Die Ausdehnung des inneren Marktes erfolgte durch die Steigerung der Nachfrage nach Produktionsmitteln und Existenzmitteln. Die auf rückständiger Technik und manueller Arbeit beruhende Manufaktur war nicht in der Lage, die erhöhte Nachfrage nach Industriewaren zu befriedigen. Der Übergang zur maschinellen Industrie wurde zur Notwendigkeit.