Home
Impressum
Lehrbuch
  Index
  Kapitel 1
  Kapitel 2
  Kapitel 3
  Kapitel 4
  Kapitel 5
  Kapitel 6
  Kapitel 7
  Kapitel 8
  Kapitel 9
  Kapitel 10
  Kapitel 11
  Kapitel 12
  Kapitel 13
  Kapitel 14
  Kapitel 15
  Kapitel 16
  Kapitel 17
  Kapitel 18
  Kapitel 19
  Kapitel 20
  Kapitel 21
  Kapitel 22
  Kapitel 23
  Kapitel 24
  Kapitel 25
  Kapitel 26
  Kapitel 27
  Kapitel 28
  Kapitel 29
  Kapitel 30
  Kapitel 31
  Kapitel 32
  Kapitel 33
  Kapitel 34
  Kapitel 35
  Kapitel 36
  Kapitel 37
  Kapitel 38
  Kapitel 39
  Kapitel 40
  Kapitel 41
  Kapitel 42
  Kapitel 43
  Nachwort
  Anmerkungen
Buch
Dokumente

Vorheriges Kapitel: Kapitel 22     Nächstes Kapitel: Kapitel 24

Die ökonomischen Lehren in der Epoche des Kapitalismus

1. Die klassische bürgerliche politische Ökonomie.
2. Die Entstehung der Vulgärökonomie.
3. Die kleinbürgerliche politische Ökonomie.
4. Die utopischen Sozialisten.
5. Die revolutionären Demokraten in Russland.
6. Die revolutionäre Umwälzung in der politischen Ökonomie durch Karl Marx und Friedrich Engels.
7. Der weitere Verfall der bürgerlichen ökonomischen Wissenschaft. Die moderne bürgerliche politische Ökonomie.
8. Die ökonomischen Theorien der Opportunisten der II. Internationale und der modernen Rechtssozialisten.
9. Die Weiterentwicklung der marxistischen politischen Ökonomie des Kapitalismus durch W. I. Lenin. Die Ausarbeitung einer Reihe neuer Leitsätze der politischen Ökonomie des Kapitalismus durch J. W. Stalin.

Mit der Entwicklung des Kapitalismus und dem Anwachsen seiner Widersprüche entstanden und entwickelten sich verschiedene Richtungen ökonomischer Auffassungen, die die Interessen bestimmter Klassen zum Ausdruck brachten.

1. Die klassische bürgerliche politische Ökonomie.

Im Kampf gegen den Feudalismus, für die Herstellung und Festigung kapitalistischer Verhältnisse, schuf die Bourgeoisie ihre eigene politische Ökonomie, die die ökonomischen Anschauungen der Ideologen des Feudalismus entlarvte und eine bestimmte Zeit lang eine fortschrittliche Rolle spielte.

Die kapitalistische Produktionsweise setzte sich zunächst in England durch. Hier entstand auch die klassische bürgerliche politische Ökonomie. William Petty (1623-1687), dessen Wirken in die Niedergangsperiode des Merkantilismus fällt, suchte den inneren Zusammenhang der ökonomischen Erscheinungen der bürgerlichen Gesellschaft zu ergründen und machte dabei die wichtige Entdeckung, dass Waren entsprechend der zu ihrer Herstellung erforderlichen Arbeitsmenge ausgetauscht werden.

Bei der Schaffung der bürgerlichen politischen Ökonomie spielten die Physiokraten eine große Rolle. An der Spitze dieser Richtung stand Francois Quesnay (1694-1774). Die Physiokraten traten in Frankreich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, in der Periode der ideologischen Vorbereitung der bürgerlichen Revolution auf. Wie die Vertreter der französischen Philosophie der Aufklärung jener Zeit, nahmen auch die Physiokraten an, dass natürliche, von der Natur gegebene Gesetze der menschlichen Gesellschaft bestehen. Frankreich war damals ein Agrarland. Im Gegensatz zu den Merkantilisten, die Reichtum nur im Geld sahen, galt den Physiokraten als einzige Quelle des Reichtums die Natur und damit die Landwirtschaft, die den Menschen die Früchte der Natur liefert. Daraus erklärt sich auch der Name der Schule – „Physiokraten“, der aus zwei griechischen Wörtern zusammengesetzt ist, die soviel wie Natur und Herrschaft bedeuten.

Den Mittelpunkt der Theorie der Physiokraten bildete die Lehre vom „Nettoprodukt“. So nannten die Physiokraten den gesamten Überschuss des Produkts über die Produktionsaufwendungen, d.h. den Teil des Produkts, in dem sich im Kapitalismus der Mehrwert verkörpert. Die Physiokraten fassten den Reichtum als eine bestimmte Masse von Erzeugnissen in ihrer stofflichen oder Naturalform auf, als eine bestimmte Masse von Gebrauchswerten. Sie behaupteten, das „Nettoprodukt“ werde ausschließlich im Ackerbau und in der Viehzucht geschaffen, d.h. in den Zweigen, in denen sich die natürlichen Wachstumsprozesse der Pflanzen und Tiere vollziehen, in allen anderen Zweigen aber werde nur die Form der von der Landwirtschaft gelieferten Erzeugnisse verändert.

Das bedeutendste Werk der physiokratischen Schule ist das „Tableau Economique“ (Ökonomische Tafel) von Quesnay. Sein Verdienst besteht darin, dass er den Prozess der kapitalistischen Reproduktion als Ganzes darzustellen versuchte, ohne allerdings eine wissenschaftliche Theorie der Reproduktion entwickeln zu können.

Ausgehend davon, dass das „Nettoprodukt“ nur in der Landwirtschaft geschaffen wird, forderten die Physiokraten, alle Steuern allein den Grundbesitzern aufzuerlegen und die Industriellen von allen Steuerlasten zu befreien. In dieser Forderung offenbart sich deutlich die Klassennatur der Physiokraten als Ideologen der Bourgeoisie. Die Physiokraten traten für die uneingeschränkte Herrschaft des Privateigentums ein. Sie behaupteten, dass nur die freie Konkurrenz den natürlichen Gesetzen der Wirtschaft und der Natur des Menschen entspräche; daher stellten sie der Politik des Protektionismus die Politik des Freihandels entgegen und kämpften entschlossen gegen die Zunftschranken und die Einmischung das Staates in das wirtschaftliche Leben des Landes an.

Die klassische bürgerliche politische Ökonomie erreichte den Höhepunkt ihrer Entwicklung in den Arbeiten von Smith und Ricardo. Adam Smith (1723-1790) ging in der wissenschaftlichen Analyse der kapitalistischen Produktionsweise gegenüber den Physiokraten einen bedeutenden Schritt voran. Im Jahre 1776 erschien sein Hauptwerk „Untersuchungen über das Wesen und die Ursachen des Reichtums der Nationen“. Den Reichtum eines Landes bildet nach Smith die Gesamtmasse der in ihm produzierten Waren. Smith verwarf damit die einseitige und daher falsche Vorstellung der Physiokraten, dass das „Nettoprodukt“ nur durch landwirtschaftliche Arbeit geschaffen werde, und bezeichnete erstmals jegliche Arbeit als Quelle von Wert, in welchem Produktionszweig sie auch aufgewandt werde. Smith war der Ökonom der Manufakturperiode des Kapitalismus und sah daher in der Arbeitsteilung die Grundlage für die Steigerung der Arbeitsproduktivität.

Für Smith war charakteristisch, dass sich bei ihm zwei verschiedene Methoden der ökonomischen Analyse miteinander verknüpften. Einerseits erforschte Smith den inneren Zusammenhang der Erscheinungen, suchte in die verborgene Struktur oder, wie Marx sagte, in die Physiologie des bürgerlichen ökonomischen Systems einzudringen. Anderseits beschrieb Smith die Erscheinungen in der Form, wie sie sich an der Oberfläche der kapitalistischen Gesellschaft zeigen und sich folglich dem Kapitalisten praktisch darstellen. Nur die erste dieser Methoden ist eine wissenschaftliche, die zweite hingegen eine unwissenschaftliche Methode.

Bei der Analyse des inneren Zusammenhangs der Erscheinungen des Kapitalismus fand Smith den Wert der Ware durch die zu ihrer Herstellung aufgewandte Arbeitsmenge bestimmt. Dabei betrachtete er den Arbeitslohn des Lohnarbeiters als Teil seines Arbeitsprodukts, der durch den Wert der Existenzmittel bestimmt wird, und den Profit sowie die Rente als Abzug von dem durch die Arbeit des Arbeiters geschaffenen Produkt. Jedoch verfolgte Smith diesen Standpunkt nicht konsequent. Er verwechselte ständig die Bestimmung des Werts der Waren durch die in ihnen enthaltene Arbeit mit der Bestimmung ihres Werts durch den „Wert der Arbeit“. Er behauptete, die Bestimmung des Werts durch die Arbeit treffe nur auf den „Urzustand der Gesellschaft“ zu, worunter er die einfache Warenwirtschaft der Kleinproduzenten verstand. Im Kapitalismus aber setze sich der Warenwert aus den Einkommen zusammen: aus dem Lohn, dem Profit und der Rente. Diese Behauptung spiegelt das trügerische Äußere der Erscheinungen der kapitalistischen Wirtschaft wider. Smith war der Auffassung, dass der Wert des gesellschaftlichen Gesamtprodukts nur aus den Einkommen – Lohn, Profit, Rente – bestehe; d.h., er ließ den Wert des konstanten Kapitals unbeachtet, das bei der Herstellung der Ware verbraucht wird. Dieses „Smithsche Dogma“ (Marx) schloss jede Möglichkeit aus, den Prozess der gesellschaftlichen Reproduktion zu verstehen.

Smith umriss erstmals die Klassenstruktur der kapitalistischen Gesellschaft; er wies darauf hin, dass sie in drei Klassen zerfällt: 1. die Arbeiter, 2. die Kapitalisten und 3. die Grundbesitzer. Jedoch war Smith in der bürgerlichen Weltanschauung befangen; in seinen Auffassungen kam zum Ausdruck, dass der Klassenkampf zu seiner Zeit noch unentwickelt war. Smith behauptete, in der kapitalistischen Gesellschaft herrsche Gemeinsamkeit der Interessen, da jeder nach seinem eigenen Vorteil strebe und aus dem Zusammenstoß der einzelnen Bestrebungen ein allgemeiner Nutzen entstehe.

In den Arbeiten von David Ricardo (1772-1823) fand die klassische bürgerliche politische Ökonomie ihren Abschluss. Ricardo lebte in der Periode der industriellen Revolution in England. Sein Hauptwerk „Grundprinzipien der politischen Ökonomie und der Besteuerung“ erschien im Jahre 1817. Ricardo arbeitete die Arbeitswerttheorie mit dem Höchstmaß an Konsequenz aus, das im Rahmen des bürgerlichen Gesichtskreises möglich ist. Er widerlegte die These von Smith, dass der Wert nur im „Urzustand der Gesellschaft“ durch die Arbeit bestimmt werde, und zeigte, dass der durch die Arbeit des Arbeiters geschaffene Wert die Quelle ist, aus der sowohl der Lohn als auch der Profit und die Grundrente entspringen.

Davon ausgehend, dass der Wert durch die Arbeit bestimmt wird, zeigte Ricardo den Gegensatz der Klasseninteressen in der bürgerlichen Gesellschaft, wie er in der Sphäre der Verteilung zutage tritt. Ricardo hielt die Existenz der Klassen für eine ewige Erscheinung im Leben der Gesellschaft. Wie Marx sagte, macht Ricardo „bewusst den Gegensatz der Klasseninteressen, des Arbeitslohns und des Profits, des Profits und der Grundrente, zum Springpunkt seiner Forschungen, indem er diesen Gegensatz naiv als gesellschaftliches Naturgesetz auffasst“[120]. Ricardo formulierte das wichtige ökonomische Gesetz: Je höher der Lohn des Arbeiters, desto niedriger ist der Profit des Kapitalisten, und umgekehrt. Ricardo zeigte auch den Gegensatz zwischen Profit und Rente; er erkannte jedoch nur die Existenz der Differentialrente an, die er mit dem imaginären „Gesetz vom abnehmenden Bodenertrag“ in Verbindung brachte.

Ricardo hat in der Entwicklung der politischen Ökonomie eine große Rolle gespielt. Seine Lehre, dass der Wert allein durch die Arbeit bestimmt wird, ist von höchster historischer Bedeutung. Einige seiner Schüler, denen die Verschärfung der Widersprüche des Kapitalismus nicht verborgen blieb, kamen zu dem Schluss: Wenn der Wert allein durch die Arbeit geschaffen wird, dann ist es notwendig und gerecht, dass der Arbeiter, der Schöpfer aller Reichtümer, auch der Besitzer aller Reichtümer, aller Arbeitsprodukte ist. Eine derartige Forderung erhoben in England in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die frühen Sozialisten, Nachfolger Ricardos.

Zugleich weist die Lehre Ricardos Züge bürgerlicher Beschränktheit auf. Ricardo stellte sich, wie auch Smith, die kapitalistische Ordnung mit ihren widersprüchlichen Klasseninteressen als natürliche und ewige Ordnung vor. Er fasste das Kapital unhistorisch auf, indem er es mit den Produktionsmitteln schlechthin gleichsetzte.

2. Die Entstehung der Vulgärökonomie.

Mit der Entwicklung des Kapitalismus und der Verschärfung des Klassenkampfes räumte die klassische bürgerliche politische Ökonomie der Vulgärökonomie das Feld. Marx nannte sie deshalb vulgär, weil ihre Vertreter die wissenschaftliche Erkenntnis der ökonomischen Erscheinungen prinzipiell durch die Beschreibung ihres äußeren Scheins ersetzten, wobei sie es sich zur Aufgabe machten, den Kapitalismus zu beschönigen und seine Widersprüche zu verkleistern. Die Vulgärökonomen warfen alles über Bord, was in den Anschauungen der Ökonomen der vorangegangenen Periode an wissenschaftlichen Erkenntnissen gewonnen worden war, und übernahmen, was in der klassenbedingten Begrenztheit des Gesichtskreises jener Ökonomen seine Wurzel hatte.

„Es handelte sich jetzt nicht mehr darum, ob dies oder jenes Theorem wahr sei, sondern ob es dem Kapital nützlich oder schädlich, bequem oder unbequem, ob polizeiwidrig oder nicht. An die Stelle uneigennütziger Forschung trat bezahlte Klopffechterei, an die Stelle unbefangner wissenschaftlicher Untersuchung das böse Gewissen und die schlechte Absicht der Apologetik.“[121]

Auf dem Gebiet der Werttheorie stellte die Vulgärökonomie im Gegensatz zur Wertbestimmung durch die Arbeitszeit eine Reihe von Thesen auf, die schon die klassische bürgerliche Schule widerlegt hatte. Dazu gehören die Theorie von Nachfrage und Angebot (die den den Preisen zugrunde liegenden Wert ignoriert und die Erklärung der Grundlage der Warenpreise durch die Beschreibung der Schwankungen dieser Preise ersetzt), die Theorie der Produktionskosten (die die Preise der einen Waren tautologisch mit Hilfe der Preise anderer Waren erklärt) sowie die Nützlichkeitstheorie (die den Wert der Waren durch ihren Gebrauchswert erklären will und dabei die Tatsache ignoriert, dass die Gebrauchswerte verschiedenartiger Waren qualitativ verschieden sind und daher nicht quantitativ miteinander verglichen werden können.)

Der englische Vulgärökonom Malthus (1766-1834) brachte das Hirngespinst auf, das dem Kapitalismus eigene Elend der breiten Massen der Werktätigen sei dadurch bedingt, dass sich die Menschen rascher vermehren, als sich die Menge der von der Natur gelieferten Existenzmittel vergrößern kann. Der Behauptung von Malthus zufolge wird die notwendige Übereinstimmung zwischen der Anzahl der Bevölkerung und der Menge der von der Natur gelieferten Existenzmittel durch Hunger, Elend, Epidemien und Kriege hergestellt. Die menschenfeindliche „Theorie“ von Malthus bot die Rechtfertigung einer Gesellschaftsordnung, worin Parasitismus und Luxus der Ausbeuterklassen neben übermäßig schwerer Arbeit und wachsendem Elend der breiten Massen der Werktätigen bestehen.

Der französische Vulgärökonom Say (1767-1832) erhob „drei Produktionsfaktoren“ – Arbeit, Kapital und Boden – zur Quelle des Werts und zog den Schluss, dass die Besitzer jeder dieser drei Produktionsfaktoren die ihnen „zukommenden“ Einkünfte erhalten: der Arbeiter den Arbeitslohn, der Kapitalist den Profit (oder den Zins), der Grundbesitzer die Rente. Say behauptete, es gäbe im Kapitalismus keinen Widerspruch zwischen Produktion und Konsumtion, und leugnete damit die Möglichkeit allgemeiner Überproduktionskrisen. Die Theorie von Say stellte eine grobe Verzerrung der Wirklichkeit zugunsten der Ausbeuterklassen dar. Der französische Ökonom Bastiat (1801-1850) und der Amerikaner Carey (1793-1879) verbreiteten eifrig das Hirngespinst einer Harmonie der Klasseninteressen im Kapitalismus. Unter dem Vorwand, die bürgerliche „Freiheit der Arbeit“ zu verteidigen, führte die Vulgärökonomie einen wütenden Kampf gegen Gewerkschaften, Tarifverträge und Streiks.

Seit dem zweiten Viertel des 19. Jahrhunderts dominiert die Vulgärökonomie in der bürgerlichen Wissenschaft.

3. Die kleinbürgerliche politische Ökonomie.

Anfang des 19. Jahrhunderts entsteht in der politischen Ökonomie die kleinbürgerliche Richtung, die die widerspruchsvolle Lage des Kleinbürgertums als Zwischenklasse in der kapitalistischen Gesellschaft widerspiegelt. Die kleinbürgerliche politische Ökonomie nahm ihren Anfang mit dem Schweizer Ökonomen Sismondi (1773-1842). Zum Unterschied von Smith und Ricardo, die die kapitalistische Ordnung für den natürlichen Zustand der Gesellschaft hielten, kritisierte und verurteilte Sismondi den Kapitalismus vom Standpunkt des Kleinbürgertums. Sismondi sah das Gesellschaftsideal in der kleinen Warenproduktion und entwickelte utopische Projekte, um das Kleineigentum für alle Zeiten zu erhalten; dabei entging ihm aber, dass die Entwicklung kapitalistischer Verhältnisse in der kleinen Warenproduktion notwendig beschlossen liegt. Sismondi zog aus der Tatsache, dass die Einkünfte der Arbeiter und der Kleinproduzenten geringer werden, den falschen Schluss, mit der Entwicklung des Kapitalismus müsse der Markt unvermeidlich zusammenschrumpfen. Er behauptete fälschlicherweise, dass die Akkumulation des Kapitals nur möglich sei, wenn es Kleinproduzenten und einen äußeren Markt gebe.

In Frankreich entwickelte Proudhon (1809-1865) Auffassungen der kleinbürgerlichen politischen Ökonomie. Er verfocht die reaktionäre Idee von der Heilung aller sozialen Übel des Kapitalismus durch Errichtung einer besonderen Bank, die die Produkte der Kleinproduzenten ohne die Benutzung von Geld austauschen und den Arbeitern unentgeltlichen Kredit gewähren sollte. Proudhon verbreitete reformistische Illusionen in den Arbeitermassen und lenkte sie vom Klassenkampf ab.

4. Die utopischen Sozialisten.

Mit dem Aufkommen und der Entwicklung der maschinellen Großindustrie Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts traten die Widersprüche des Kapitalismus und das Elend, das er den werktätigen Massen bringt, immer deutlicher zutage. Die Arbeiterklasse aber war sich ihrer historischen Rolle als Totengräber des Kapitalismus noch nicht bewusst geworden. In dieser Periode wirkten die großen utopischen Sozialisten Henri Saint-Simon (1760-1825) und Charles Fourier (1772-1837) in Frankreich sowie Robert Owen (1771-1858) in England, die in der Entwicklungsgeschichte der sozialistischen Ideen eine große Rolle spielten.

In der Erklärung der ökonomischen Erscheinungen standen die utopischen Sozialisten ebenso wie die Vertreter der klassischen bürgerlichen politischen Ökonomie auf dem Boden der Philosophie der Aufklärung des 18. Jahrhunderts. Während die letzteren jedoch der Auffassung waren, dass die kapitalistische Ordnung der Natur des Menschen entspräche, betrachteten die utopischen Sozialisten diese Ordnung als eine Ordnung, die zu der Natur des Menschen in Widerspruch steht.

Die historische Bedeutung der utopischen Sozialisten bestand darin, dass sie die bürgerliche Gesellschaft scharf kritisierten, dass sie solche Geschwüre der bürgerlichen Gesellschaft wie das Elend und die Entbehrungen der zu schwerer, auszehrender Arbeit verurteilten Volksmassen, die Käuflichkeit und die Korruptheit der reichen Oberschicht der Gesellschaft, die ungeheure Vergeudung von Produktivkräften durch die Konkurrenz und die Krisen usw. schonungslos geißelten. Die utopischen Sozialisten stellten der auf dem Privateigentum an den Produktionsmitteln und Ausbeutung beruhenden kapitalistischen Ordnung die sozialistische Ordnung entgegen, die auf dem gesellschaftlichen Eigentum an den Produktionsmitteln beruht und frei ist von der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen So waren „die Utopien eines Fourier, Owen usw. die Ahnung und der phantastische Ausdruck einer neuen Welt“, schrieb Marx.[122]

Jedoch wussten die utopischen Sozialisten nicht, welche Wege zur Verwirklichung des Sozialismus führen. Da sie die Gesetze der gesellschaftlichen Entwicklung, die Gesetze des Klassenkampfes nicht kannten, waren sie der Meinung, dass die besitzenden Klassen selbst den Sozialismus verwirklichen werden, wenn es gelingt, sie von dessen Vernünftigkeit, Gerechtigkeit und Zweckmäßigkeit zu überzeugen. Die utopischen Sozialisten verkannten die historische Rolle des Proletariats. Der utopische Sozialismus „vermochte weder das Wesen der kapitalistischen Lohnsklaverei zu erklären noch die Gesetze der Entwicklung des Kapitalismus zu entdecken, noch jene gesellschaftliche Kraft zu finden, die fähig ist, Schöpfer einer neuen Gesellschaft zu werden“.[123]

5. Die revolutionären Demokraten in Russland.

Als Russland um die Mitte des 19. Jahrhunderts die Krise der Leibeigenschaft durchmachte, wirkten dort viele hervorragende Denker, die einen großen Beitrag zur Entwicklung der ökonomischen Wissenschaft leisteten.

Alexander Herzen (1812-1870) geißelte den Zarismus und die Leibeigenschaft in Russland und rief das Volk zum revolutionären Kampf gegen sie auf. Scharf kritisierte er auch die Ordnung der kapitalistischen Ausbeutung, die im Westen zur Herrschaft gelangt war. Herzen legte den Grundstein für den utopischen „bäuerlichen Sozialismus“. Er erblickte den „Sozialismus“ in der Befreiung der Bauern mit Übergabe des Bodens an die Bauern, im gemeinschaftlichen Bodenbesitz und in der bäuerlichen Idee des „Rechts auf Land“. In diesen Anschauungen Herzens gab es nichts wirklich Sozialistisches, aber sie brachten die revolutionären Bestrebungen der Bauernschaft Russlands zum Ausdruck, die für den Sturz der Macht der Gutsbesitzer und für die Beseitigung des Großgrundbesitzes kämpfte.

Hohes Verdienst um die Entwicklung der ökonomischen Wissenschaft erwarb sich Nikolai Tschernyschewski (1829-1889). Er stand an der Spitze der revolutionären Demokraten, die entschlossen gegen die Leibeigenschaft und die zaristische Selbstherrschaft in Russland kämpften. Er kritisierte nicht nur die Leibeigenschaft, sondern auch die kapitalistische Ordnung, die sich zu der Zeit in Westeuropa und Nordamerika gefestigt hatte. Tschernyschewski legte den Klassencharakter und die Begrenztheit der klassischen bürgerlichen politischen Ökonomie bloß und übte vernichtende Kritik an den Vulgärökonomen – John Stuart Mill, Say, Malthus u.a. Tschernyschewski hat, wie Marx feststellte, den Bankrott der bürgerlichen politischen Ökonomie meisterhaft beleuchtet.

Der bürgerlichen politischen Ökonomie, die den eigennützigen Interessen der Kapitalisten dient, stellte Tschernyschewski die „politische Ökonomie der Werktätigen“ entgegen, in der die Arbeit und die Interessen der Werktätigen im Mittelpunkt stehen müssen. Da die kapitalistischen Verhältnisse im damaligen Russland noch wenig entwickelt waren, erkannte Tschernyschewski als Vertreter des utopischen „bäuerlichen Sozialismus“ nicht, dass die Entwicklung des Kapitalismus und des Proletariats die materiellen Voraussetzungen und die gesellschaftliche Kraft für die Verwirklichung des Sozialismus schafft. Jedoch war Tschernyschewski in der Auffassung von der Natur der kapitalistischen Gesellschaft und ihrer Klassenstruktur, vom Charakter ihrer ökonomischen Entwicklung weiter vorgedrungen als die westeuropäischen utopischen Sozialisten. Zum Unterschied von den utopischen Sozialisten des Westens legte Tschernyschewski der revolutionären Aktivität der werktätigen Massen, ihrem Kampfe für ihre Befreiung entscheidende Bedeutung bei und rief zur Volksrevolution gegen die Ausbeuter auf. Tschernyschewski war ein konsequenter, kämpferischer revolutionärer Demokrat, dessen Werke den Geist des Klassenkampfes atmen. Die ökonomische Lehre von Tschernyschewski stellt den Gipfelpunkt in der Entwicklung der gesamten politischen Ökonomie vor Marx dar. In seinen philosophischen Anschauungen war Tschernyschewski ein streitbarer Materialist. Wie Herzen, kam auch er dicht an den dialektischen Materialismus heran. Die revolutionären Demokraten - Herzen, Tschernyschewski und ihre Mitstreiter - waren die Vorläufer der russischen Sozialdemokratie.

6. Die revolutionäre Umwälzung in der politischen Ökonomie durch Karl Marx und Friedrich Engels.

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das kapitalistische Wirtschaftssystem in den ausschlaggebenden Ländern Westeuropas und in den USA zum herrschenden System. Es bildete sich das Proletariat heraus, das sich zum Kampf gegen die Bourgeoisie zu erheben begann. Es entstanden die Voraussetzungen für die Schaffung der fortschrittlichen proletarischen Weltanschauung - des wissenschaftlichen Sozialismus.

Karl Marx (1818-1883) und Friedrich Engels (1820-1895) verwandelten den Sozialismus aus einer Utopie in eine Wissenschaft. Die von ihnen ausgearbeitete Lehre bringt die Grundinteressen der Arbeiterklasse zum Ausdruck und ist das Banner des Kampfes der proletarischen Massen für den revolutionären Sturz des Kapitalismus, für den Sieg des Sozialismus.

Die Lehre von Marx „entstand als direkte und unmittelbare Fortsetzung der Lehren der größten Vertreter der Philosophie, der politischen Ökonomie und des Sozialismus.“[124] Marx’ Genialität besteht, wie Lenin zeigte, gerade darin, dass er auf die Fragen Antwort gegeben hat, die das fortgeschrittene Denken der Menschheit bereits gestellt hatte. Seine Lehre ist die rechtmäßige Erbin des Besten, was das menschliche Denken auf dem Gebiete der Wissenschaft von der menschlichen Gesellschaft geschaffen hat. Zugleich war die Entstehung des Marxismus eine grundlegende revolutionäre Umwälzung in der Philosophie, in der politischen Ökonomie, in allen Gesellschaftswissenschaften. Marx und Engels wappneten die Arbeiterklasse mit einer in sich geschlossenen, wissenschaftlichen Weltanschauung, mit dem dialektischen Materialismus, der das theoretische Fundament des wissenschaftlichen Kommunismus bildet. Mit der Ausdehnung des dialektischen Materialismus auf das Gebiet der gesellschaftlichen Erscheinungen schufen sie den historischen Materialismus, der eine gewaltige Errungenschaft des menschlichen Denkens darstellt. Der Methode der unhistorischen Betrachtung der menschlichen Gesellschaft stellten sie die historische Methode entgegen, die auf eingehender Erforschung des wirklichen Verlaufs der Entwicklung beruht. Die früher herrschende Vorstellung von der Unveränderlichkeit und Unbeweglichkeit der Gesellschaft ersetzten sie durch eine wissenschaftliche Lehre, die die objektiven Gesetze der gesellschaftlichen Entwicklung aufdeckt, die Gesetze der Ablösung der einen Gesellschaftsordnung durch eine andere.

Marx und Engels sind die Begründer der wissenschaftlichen politischen Ökonomie. Mit der Anwendung der Methode des dialektischen Materialismus auf die Erforschung der ökonomischen Verhältnisse vollzog Marx eine tiefgreifende revolutionäre Umwälzung in der politischen Ökonomie. Weil Marx sich als Ideologe der Arbeiterklasse mit der politischen Ökonomie auseinandersetzte, vermochte er die Widersprüche des Kapitalismus bis ins letzte aufzudecken und die proletarische politische Ökonomie zu schaffen. Marx schuf seine ökonomische Lehre in unversöhnlichem Kampf gegen die bürgerliche Apologetik und die kleinbürgerliche Kritik des Kapitalismus. Er benutzte und entwickelte eine ganze Reihe von Thesen der Klassiker der bürgerlichen politischen Ökonomie – Smith und Ricardo –, überwand aber zugleich die in ihrer Lehre enthaltenen unwissenschaftlichen Auffassungen und Widersprüche. In seiner ökonomischen Lehre hat Marx ein ungeheures Material aus der Geschichte der menschlichen Gesellschaft und insbesondere aus der Geschichte der Entstehung und Entwicklung des Kapitalismus zusammengefasst und verallgemeinert. Marx deckte den historisch vergänglichen Charakter der kapitalistischen Produktionsweise auf und erforschte die Gesetze der Entstehung, der Entwicklung und des Untergangs des Kapitalismus. Auf der Basis einer tiefgründigen ökonomischen Analyse der kapitalistischen Ordnung begründete Marx die historische Mission des Proletariats als Totengräber des Kapitalismus und Schöpfer einer neuen, der sozialistischen Gesellschaft.

Die Grundlagen der marxistischen Weltanschauung wurden schon im ersten programmatischen Dokument des wissenschaftlichen Kommunismus verkündet – im „Manifest der Kommunistischen Partei“, das Marx und Engels 1847 abfassten. Die Ergebnisse weiterer ökonomischer Forschungen veröffentlichte Marx in der Arbeit „Zur Kritik der politischen Ökonomie“ (1859), die der Analyse der Ware und des Geldes gewidmet ist; im Vorwort sind die Grundlagen des historischen Materialismus in klassischer Form dargelegt. Marx’ Hauptwerk, das er mit vollem Recht sein Lebenswerk nannte, ist „Das Kapital“. Den ersten Band („Der Produktionsprozess des Kapitals“) veröffentlichte Marx im Jahre 1867; der zweite Band („Der Zirkulationsprozess des Kapitals“) wurde 1885, der dritte Band („Der Gesamtprozess der kapitalistischen Produktion“) 1894 durch Engels herausgegeben. Als Marx mit der Arbeit am „Kapital“ beschäftigt war, äußerte er die Absicht, noch einen vierten Band zu schreiben, der eine kritische Geschichte der politischen Ökonomie enthalten sollte. Die in Manuskriptform hinterlassenen Vorarbeiten wurden erst nach dem Tode von Marx und Engels als „Theorien über den Mehrwert“ (in drei Bänden) herausgegeben.

Der Ausarbeitung der Theorie des wissenschaftlichen Kommunismus ist auch eine Reihe klassischer Werke von Engels gewidmet. Dazu gehören „Die Lage der arbeitenden Klasse in England“ (1845), „Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft“ (1878), in dem die wichtigsten Fragen der Philosophie, der Naturwissenschaften und der Gesellschaftswissenschaften behandelt sind, ferner das Werk „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats“ (1884).

Als Marx die proletarische politische Ökonomie schuf, begründete und entwickelte er vor allem die Arbeitswerttheorie. Bei der Analyse der Ware und des Widerspruchs zwischen ihrem Gebrauchswert und Wert deckte Marx den Doppelcharakter der in der Ware verkörperten Arbeit auf. Sie ist einerseits konkrete Arbeit, die den Gebrauchswert der Ware schafft, und anderseits abstrakte Arbeit, die den Warenwert schafft. Dies versetzte Marx in die Lage, auf Grundlage der Arbeitswerttheorie alle Erscheinungen der kapitalistischen Produktionsweise wissenschaftlich zu erklären. Marx zeigte, dass der Wert kein Ding, sondern ein als Verhältnis von Sachen erscheinendes Produktionsverhältnis der Menschen ist, und entschleierte damit den Grund des Warenfetischismus. Er analysierte die Wertform, erforschte ihre historische Entwicklung von den ersten Keimen des Austausches bis zur vollen Herrschaft der Warenproduktion und konnte so die wahre Natur des Geldes enthüllen.

Die Arbeitswerttheorie diente Marx als Grundlage für die Mehrwerttheorie. Marx wies erstmals nach, dass im Kapitalismus nicht die Arbeit, sondern die Arbeitskraft eine Ware ist. Er erforschte den Wert und den Gebrauchswert dieser spezifischen Ware und deckte den Charakter der kapitalistischen Ausbeutung auf. Die Marxsche Mehrwerttheorie legt das Wesen des grundlegenden Produktionsverhältnisses des Kapitalismus bloß, des Verhältnisses zwischen Kapitalist und Arbeiter, und deckt die tiefsten Grundlagen des Klassengegensatzes und des Klassenkampfes zwischen Proletariat und Bourgeoisie auf.

Marx enthüllte nicht nur den Ursprung und die Quelle des Mehrwerts, sondern erklärte auch, wie die kapitalistische Ausbeutung verschleiert und verhüllt wird. Er erforschte das Wesen des Arbeitslohns als Preis der Arbeitskraft, der als verwandelte Form des Preises der Arbeit erscheint.

Marx analysierte mit wissenschaftlicher Gründlichkeit die verschiedenen Formen, die der Mehrwert annimmt. Er zeigte, wie der Mehrwert in verwandelter Form - in Form des Profits - zutage tritt und wie er weiter die Form der Grundrente und des Zinses annimmt, wobei sich die irrtümliche Vorstellung ergibt, als sei der Lohn der Preis der Arbeit, als entspringe der Profit dem Kapital als solchem, die Grundrente dem Boden und der Zins dem Gelde.

In seiner Lehre vom Produktionspreis und Durchschnittsprofit löste Marx den Widerspruch, dass im Kapitalismus die Marktpreise vom Wert abweichen. Zugleich deckte er die objektive Grundlage für die Solidarität der Kapitalistenklasse hinsichtlich der Ausbeutung der Arbeiter auf, indem er zeigte, dass der Durchschnittsprofit, den jeder Kapitalist erhält, nicht durch den Grad der Ausbeutung im einzelnen Betrieb, sondern durch den Grad der Ausbeutung in der gesamten kapitalistischen Gesellschaft bestimmt wird.

Marx arbeitete die Theorie der Differentialrente aus und begründete erstmals die Theorie der absoluten Grundrente. Er enthüllte die reaktionäre, parasitäre Rolle des Großgrundbesitzes so wie Wesen und Formen der Ausbeutung der Bauern durch die Gutsbesitzer und die Bourgeoisie.

Marx deckte erstmals die Gesetze der kapitalistischen Akkumulation auf und stellte fest, dass die Entwicklung des Kapitalismus, die Konzentration und Zentralisation des Kapitals unvermeidlich zur Vertiefung und Verschärfung der Widersprüche dieser Ordnung führt, denen der Widerspruch zwischen dem gesellschaftlichen Charakter der Produktion und der privatkapitalistischen Form der Aneignung zugrunde liegt. Die Grundlage für das Verständnis der Produktivkraftentwicklung im Kapitalismus und für die Entwicklung immer raffinierterer Ausbeutungsmethoden liefert die Marxsche Theorie vom tendenziellen Fall der Profitrate.

Marx entdeckte das allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation, das das Anwachsen des Reichtums und des Luxus auf dem einen Pol der Gesellschaft und die Zunahme von Elend, Unterdrückung und Arbeitsqual auf dem anderen Pol bedingt. Er wies nach, dass mit der Entwicklung des Kapitalismus die relative und absolute Verelendung des Proletariats einhergeht, die eine Vertiefung der Kluft zwischen Proletariat und Bourgeoisie, eine Verschärfung des Klassenkampfes zwischen ihnen zur Folge hat.

Große Bedeutung hat die von Marx vorgenommene Analyse der Reproduktion des gesellschaftlichen Gesamtkapitals. Marx zeigte den Fehler von Smith auf, der das im Produktionsprozess verbrauchte konstante Kapital ignorierte, und wies nach, dass das gesellschaftliche Gesamtprodukt dem Wert nach in drei Teile (c + v + m) und der Naturalform nach in Produktionsmittel und Konsumtionsmittel zerfällt. Marx analysierte die Bedingungen der einfachen und der erweiterten kapitalistischen Reproduktion und die Widersprüche der kapitalistischen Realisierung, die unvermeidlich zu Überproduktionskrisen führen. Er erforschte das Wesen der Wirtschaftskrisen und lieferte den wissenschaftlichen Nachweis, dass und warum sie im Kapitalismus unvermeidlich sind.

Die ökonomische Lehre von Marx und Engels begründet die Unvermeidlichkeit des Untergangs des Kapitalismus und des Siegs der proletarischen Revolution, die die Diktatur der Arbeiterklasse errichtet und eine neue Ära einleitet, die Ära des Aufbaus der kommunistischen Gesellschaft.

Bereits in den 70er und 80er Jahren des 19. Jahrhunderts erlangte der Marxismus in der Arbeiterklasse und unter der fortschrittlichen Intelligenz der kapitalistischen Länder weite Verbreitung. Eine große Rolle bei der Verbreitung des Marxismus spielten in jenen Jahren Paul Lafargue (1842-1911) in Frankreich, Wilhelm Liebknecht (1826-1900) und August Bebel (1840-1913) in Deutschland, Grigori Plechanow (1856-1918) in Russland, Dmitri Blagojeff (1855-1924) in Bulgarien u.a..

In Russland entstanden die marxistische Arbeiterpartei und ihre Weltanschauung in unversöhnlichem Kampf gegen einen der ärgsten Feinde des Marxismus – die Volkstümlerbewegung. Die Volkstümler leugneten die führende Rolle des Proletariats in der revolutionären Bewegung: sie behaupteten, dass sich in Russland der Kapitalismus nicht entwickeln könne. Gegen die Volkstümler traten Plechanow und die von ihm organisierte Gruppe „Befreiung der Arbeit“ auf. Plechanow kritisierte als erster die falschen Auffassungen der Volkstümler vom marxistischen Standpunkt und verfocht zugleich glänzend die marxistischen Auffassungen. Die Tätigkeit Plechanows in den 80er und 90er Jahren hatte in Russland große Bedeutung für die ideologische Heranbildung eines Stamms von proletarischen Revolutionären. In mehreren Arbeiten popularisierte Plechanow mit Erfolg einzelne Seiten der ökonomischen Lehre von Marx und verteidigte diese Lehre gegen die bürgerliche Kritik und gegen reformistische Verzerrungen. Die literarischen Arbeiten Plechanows erschütterten die Positionen der Volkstümler nachhaltig. Aber die ideologische Zertrümmerung der Volkstümlerrichtung war bei weitem noch nicht vollendet. Bereits in der ersten Periode seines Wirkens vertrat Plechanow in verschiedenen Fragen eine falsche Auffassung, die den Keim seiner späteren menschewistischen Anschauungen darstellte. So etwa erkannte er nicht, dass das Proletariat im Verlauf der Revolution die Bauernschaft mit sich führen muss, und betrachtete die liberale Bourgeoisie als eine Kraft, die der Revolution Unterstützung erweisen kann.

7. Der weitere Verfall der bürgerlichen ökonomischen Wissenschaft. Die moderne bürgerliche politische Ökonomie.

Seitdem der Marxismus in die Geschichte eingetreten ist, befassen sich die bürgerlichen Ökonomen vor allem und im wesentlichen mit der „Widerlegung“ des Marxismus. In Deutschland entstand um die Mitte des 19. Jahrhunderts die so genannte historische Schule der politischen Ökonomie (Roscher, Hildebrand u.a.). Sie leugneten die Existenz ökonomischer Entwicklungsgesetze der Gesellschaft und ersetzten die wissenschaftliche Forschung durch Beschreibung aus dem Zusammenhang gerissener historischer Tatsachen. Die Leugnung der ökonomischen Gesetze diente zur Rechtfertigung jeglicher reaktionären Willkür und der Kriecherei vor dem militaristisch-bürokratischen Staat, den sie auf jede Weise verherrlichten.

Die späteren Vertreter der historischen Schule mit Schmoller an der Spitze bildeten die so genannte historisch-ethische oder historisch-rechtliche Richtung. Das Kennzeichen dieser Richtung, die auch Kathedersozialismus genannt wird, ist das Ersetzen der ökonomischen Forschung durch reaktionär-idealistisches Geschwätz von sittlichen Zielen, rechtlichen Normen usw. Die Kathedersozialisten setzten die Traditionen ihrer Vorgänger fort; sie waren Handlanger des militaristischen deutschen Staates und erklärten jede Maßnahme dieses Staates für ein „Stück Sozialismus“. Die Kathedersozialisten verherrlichten die reaktionäre Politik Bismarcks und halfen ihm, die Arbeiterklasse zu betrügen.

In den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts benötigte die Bourgeoisie infolge der Ausbreitung der Ideen des Marxismus neue ideologische Mittel des Kampfes. Um diese Zeit kam die so genannte österreichische Schule auf. Diese Bezeichnung bezieht sich auf ihre Hauptvertreter - Menger, Wieser und Böhm-Bawerk – Professoren an österreichischen Universitäten. Zum Unterschied von der historischen Richtung erkannten die Vertreter der österreichischen Schule formal die Notwendigkeit an, die ökonomischen Gesetze zu erforschen, übertrugen aber, um die kapitalistische Ordnung zu beschönigen und zu verteidigen, das Suchen nach diesen Gesetzen aus der Sphäre der gesellschaftlichen Verhältnisse auf das subjektiv-psychologische Gebiet, d.h., sie beschritten den Weg des Idealismus.

Auf dem Gebiet der Werttheorie stellte die österreichische Schule das sogenannte Prinzip vom „Grenznutzen“ auf. Danach wird der Wert einer Ware nicht einfach durch ihre Nützlichkeit bestimmt, wie auch einige Vulgärökonomen früher behauptet hatten, sondern durch den Grenznutzen der Ware, d.h. durch das am wenigsten dringliche Bedürfnis des Individuums nach der entsprechenden Wareneinheit. In Wirklichkeit erklärt diese Theorie überhaupt nichts. Es ist z.B. ganz offensichtlich, dass sich die subjektive Bewertung eines Brotes durch den übersättigten Bourgeois grundsätzlich von der durch den hungrigen Arbeitslosen unterscheidet, wobei sie aber beide den gleichen Preis für das Brot bezahlen. Der Marxschen Mehrwerttheorie stellten die Ökonomen der österreichischen Schule die unwissenschaftliche „Zurechnungstheorie“ entgegen, die weiter nichts als eine Neuauflage der vulgären Theorie der „drei Produktionsfaktoren“ darstellt.

Der Übergang zum Imperialismus und die damit verbundene Verschärfung der gesellschaftlichen Widersprüche und des Klassenkampfes bedingten den weiteren Verfall der bürgerlichen politischen Ökonomie. Nach dem Sieg der sozialistischen Revolution in der UdSSR, die die Behauptungen der Ideologen der Bourgeoisie von der Ewigkeit der kapitalistischen Ordnung in der Praxis widerlegte, begannen die bürgerlichen Ökonomen eine ihrer Hauptaufgaben darin zu sehen, durch Verleumdung der Sowjetunion die Wahrheit über die welthistorischen Errungenschaften des Landes des Sozialismus vor den Werktätigen der kapitalistischen Länder zu verbergen. Die moderne bürgerliche politische Ökonomie ist eine ideologische Waffe der Finanzoligarchie, ist eine Magd der imperialistischen Reaktion und Aggression.

Bei der Erklärung solcher Kategorien des Kapitalismus wie Wert, Preis, Lohn, Profit und Rente stehen die modernen bürgerlichen Ökonomen gewöhnlich. auf dem Standpunkt der subjektiv-psychologischen Richtung, deren eine Spielart die oben erwähnte österreichische Schule ist, und wiederholen in verschiedenen Tonarten die alte vulgäre Theorie von den drei Produktionsfaktoren. Der englische Ökonom Alfred Marshall (1842-1924) suchte die drei verschiedenen vulgären Werttheorien: die Theorie von Nachfrage und Angebot, die Grenznutzentheorie und die Theorie der Produktionskosten eklektisch miteinander zu vereinigen. Der amerikanische Ökonom Clark (1841-1938) predigte die verlogene Idee von der „Interessenharmonie“ der verschiedenen Klassen der bürgerlichen Gesellschaft und stellte die Theorie der „Grenzproduktivität“ auf, die weiter nichts als ein eigenartiger Versuch ist, die alte vulgäre Theorie von der „Produktivität des Kapitals“ mit der vulgären „Grenznutzen“theorie der österreichischen Schule zu vereinigen. Wie Clark behauptet, stellt der Profit ein Entgelt für die Arbeit des Unternehmers dar; die werktätigen Klassen schaffen angeblich nur einen kleinen Teil des Reichtums und erhalten diesen Teil restlos ausgehändigt.

Zum Unterschied von den bürgerlichen Ökonomen der Epoche des vormonopolistischen Kapitalismus, die die Freiheit der Konkurrenz als Grundbedingung für die Entwicklung der Gesellschaft verherrlichten, betonen die modernen bürgerlichen Ökonomen (der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts) gewöhnlich, dass sich der Staat mit allen Mitteln in das wirtschaftliche Leben einmischen muss. Sie lobpreisen den imperialistischen Staat als eine Kraft, die angeblich über den Klassen steht und die Wirtschaft der kapitalistischen Länder zu planen vermag. In Wirklichkeit aber hat die Einmischung des bürgerlichen Staates in das wirtschaftliche Leben mit einer Planung der Volkswirtschaft nichts gemein und verstärkt vielmehr die Anarchie der Produktion. Die Unterordnung des imperialistischen Staates unter die Finanzoligarchie und die weitgehende Ausnutzung des Staatsapparats durch die Finanzoligarchie zur Steigerung der Monopolprofite geben die Apologeten der Monopole als „organisierten Kapitalismus“ aus.

In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts erlangte in Deutschland die so genannte soziale Richtung oder sozial-organische Schule der politischen Ökonomie Verbreitung (Amonn, Stolzmann, Spann u.a.). Zum Unterschied von der österreichischen Schule mit ihrer subjektiv-psychologischen Einschätzung der ökonomischen Erscheinungen schwätzten die Vertreter der sozialen Richtung von den sozialen Verhältnissen der Menschen; sie betrachteten diese Verhältnisse jedoch idealistisch, als rechtliche Formen, die keinerlei materiellen Inhalt besitzen. Die Ökonomen der sozialen Richtung behaupteten, das gesellschaftliche Leben werde durch rechtliche und ethische Normen gelenkt. Sie dienten eifrig den kapitalistischen Monopolen, verbargen dies jedoch hinter demagogischen Phrasen vom „Gemeinwohl“ und von der Notwendigkeit der Unterordnung des „Teils“, d.h. der werktätigen Massen, unter das „Ganze“, d.h. unter den imperialistischen Staat. Sie priesen die Tätigkeit der Kapitalisten und stellten sie als Dienst an der Gesellschaft hin. Die reaktionären Hirngespinste dieser Schule dienten dem Faschismus in Deutschland und anderen bürgerlichen Ländern als ideologische Waffe.

Der deutsche Faschismus nutzte die reaktionärsten Elemente der deutschen Vulgärökonomie aus: ihren aufs höchste gesteigerten Chauvinismus, ihre Kriecherei vor dem bürgerlichen Staat sowie die Propagierung der Eroberung fremder Gebiete und des „Klassenfriedens“ innerhalb Deutschlands. Die deutschen Faschisten als ärgste Feinde des Sozialismus und der gesamten fortschrittlichen Menschheit griffen zur antikapitalistischen Demagogie und nannten sich heuchlerisch „Nationalsozialisten“.

In der Periode der allgemeinen Krise des Kapitalismus, in der das Marktproblem sich aufs äußerste verschärft hat, die Wirtschaftskrisen häufiger und tiefer geworden sind und eine ständige Massenarbeitslosigkeit entstanden ist, tauchen verschiedene Theorien auf, die die Illusion verbreiten, im Rahmen der kapitalistischen Ordnung könnten „Vollbeschäftigung“ gewährleistet sowie die Anarchie der Produktion und die Krisen beseitigt werden. Weite Verbreitung unter den bürgerlichen Ökonomen erlangte die Theorie des englischen Ökonomen Keynes (1883-1946), die er in seinem Buch „Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes“ (1936) darlegte.

Keynes vertuschte die wirklichen Ursachen für die ständige Massenarbeitslosigkeit und die Krisen im Kapitalismus und suchte zu beweisen, dass der Ursprung dieser „Mängel“ der bürgerlichen Gesellschaft nicht das Wesen des Kapitalismus sei, sondern die Psyche der Menschen. Nach Keynes ist die Arbeitslosigkeit das Ergebnis der ungenügenden Nachfrage nach Gegenständen des persönlichen und des Produktionsbedarfs. Die ungenügende Nachfrage nach Bedarfsgütern sei bedingt durch die den Menschen eigene Neigung, einen Teil ihrer Einkünfte zu sparen, und die unzureichende Nachfrage nach Gegenständen des Produktionsbedarfs durch das schwächer werdende Interesse der Kapitalisten, ihre Kapitalien in den verschiedenen Wirtschaftszweigen anzulegen, weil die „Rentabilität des Kapitals“ im allgemeinen absinke. Um den Grad der Beschäftigung der Bevölkerung zu erhöhen, behauptete Keynes, müsse man die Kapitalinvestitionen erhöhen, und dazu müsse der Staat einerseits eine zunehmende Rentabilität des Kapitals durch Senkung des Reallohns der Arbeiter, durch Inflation und Senkung des Zinsfußes gewährleisten und anderseits große Kapitalinvestitionen auf Kosten des Staatshaushalts vornehmen. Zur Erweiterung der Nachfrage nach Bedarfsgütern empfiehlt Keynes eine weitere Steigerung der parasitären Konsumtion und der Verschwendung der herrschenden Klassen, eine Steigerung der Rüstungsausgaben und anderer unproduktiver Ausgaben des Staates.

Die Theorie von Keynes ist in keiner Weise stichhaltig und ihrem Wesen nach zutiefst reaktionär. Die unzureichende Nachfrage nach Bedarfsgütern ist nicht durch eine mystische „Neigung der Menschen zum Sparen“ hervorgerufen, sondern durch die Verelendung der Werktätigen. Die von Keynes zur Sicherung der „Vollbeschäftigung“ der Bevölkerung vorgeschlagenen Maßnahmen – Inflation, Steigerung der unproduktiven Ausgaben für die Vorbereitung und Führung von Kriegen – führen in Wirklichkeit zu einem weiteren Absinken des Lebensstandards der Werktätigen, zur Einengung des Marktes und zum Anwachsen der Arbeitslosigkeit. Die Theorie von Keynes wird bis heute von den bürgerlichen Ökonomen sowie von den Rechtssozialisten der USA, Englands und der anderen kapitalistischen Länder weitgehend benutzt, um verschiedene Formen einer „Regulierung“ der Wirtschaft durch den bürgerlichen Staat zu begründen.

Einige bürgerliche Ökonomen der USA und Englands treten für ein „freies Spiel der wirtschaftlichen Kräfte“ ein, worunter sie in Wirklichkeit die uneingeschränkte Freiheit der Monopole verstehen, die Arbeiter auszubeuten und die Konsumenten auszuplündern. Diese Ökonomen nennen die Tätigkeit der Gewerkschaften zum Schutze der Arbeiter heuchlerisch eine Verletzung der „wirtschaftlichen Freiheit“ und verherrlichen die reaktionäre arbeiterfeindliche Gesetzgebung der imperialistischen Staaten. Wie die Herolde der „Regulierung“ der Wirtschaft durch den bürgerlichen Staat bringen auch die Verfechter des „freien Spiels der wirtschaftlichen Kräfte“ die Interessen der Finanzoligarchie zum Ausdruck, die sich durch weitere Verstärkung der Ausbeutung der werktätigen Massen innerhalb des Landes und durch imperialistische Aggression gegen andere Länder Maximalprofite zu sichern sucht.

Die bürgerlichen Ökonomen bemühen sich, die räuberische Politik der Eroberung fremder Gebiete sowie der Versklavung und Ausplünderung anderer Völker durch die imperialistischen Mächte mit Hilfe von wissenschaftsfeindlichen „Theorien“ von der „Ungleichwertigkeit“ der verschiedenen Rassen und Nationen, von der zivilisatorischen Mission der „höheren“ Rassen und Nationen gegenüber den „niederen“ usw. zu rechtfertigen. Besonders eifrig sind in dieser Hinsicht die reaktionären amerikanischen Ökonomen, die, in die Fussstapfen der deutschen Faschisten tretend, die menschenfeindliche Idee von der „Überlegenheit“ der englischsprechenden Nationen über alle anderen Nationen verbreiten und die Wahnidee der Errichtung der Weltherrschaft der USA mit allen Mitteln zu rechtfertigen trachten.

Die Kehrseite der Rassentheorie ist der bürgerliche Kosmopolitismus, der das Prinzip der Gleichberechtigung der Nationen leugnet und die Beseitigung der Staatsgrenzen fordert. Die bürgerlichen Kosmopoliten erklären die nationale Souveränität, die Selbständigkeit der Völker für einen veralteten Begriff und bezeichnen die Existenz der Nationalstaaten als die Hauptursache aller sozialen Übel der modernen bürgerlichen Gesellschaft – des Militarismus, der Kriege, der Arbeitslosigkeit, der Armut der Menschen usw. Dem Prinzip der nationalen Souveränität der Völker stellen sie die kosmopolitische Idee eines „Weltstaates“ entgegen, in dem sie die führende Rolle den USA zusprechen. Eine andere Form der Beseitigung der nationalen Souveränität der europäischen Völker und ihrer völligen Unterordnung insbesondere unter den deutschen und französischen Imperialismus wird durch die Propagierung eines „vereinigten Europas“, der Idee der „Vereinigten Staaten von Europa“, verfolgt.

Zur Rechtfertigung der imperialistischen Aggression und Vorbereitung eines neuen Weltkrieges wird in der bürgerlichen Literatur die längst entlarvte Theorie von Malthus in breitem Umfange propagiert. Für den modernen Malthusianismus ist die Verknüpfung der reaktionären Ideen von Malthus mit der Rassentheorie charakteristisch. Die Anhänger der Malthusschen Lehre in den USA und anderen bürgerlichen Ländern behaupten, die Erde sei durch die „übermäßige Vermehrung“ der Menschen übervölkert, und darin eben liege die Grundursache für die Hungersnöte und alle anderen Leiden der werktätigen Massen. Sie fordern eine einschneidende Verminderung der Bevölkerung, besonders der in den kolonialen und abhängigen Ländern, in Ländern, deren Völker den Befreiungskampf gegen den Imperialismus führen. Die Anhänger der Malthusschen Lehre rufen dazu auf, unter Ausnutzung der Atombombe und anderer Massenvernichtungsmittel verheerende Kriege zu führen.

Alle diese Behauptungen sind ein klarer Beweis für den völligen Bankrott der modernen bürgerlichen politischen Ökonomie.

8. Die ökonomischen Theorien der Opportunisten der II. Internationale und der modernen Rechtssozialisten.

Die zahllosen Versuche der bürgerlichen Wissenschaft, den Marxismus zu „vernichten“, haben seine Positionen in keiner Weise erschüttert. Daraufhin begann man, den Kampf gegen den Marxismus in Form der Doppelzüngelei zu führen, die Theorie von Marx zu „verbessern“ und „auszulegen“. „Die Dialektik der Geschichte ist derart, dass der theoretische Sieg des Marxismus seine Feinde zwingt, sich als Marxisten zu verkleiden.“[125]

In den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts entstand der Revisionismus, dessen Hauptvertreter der deutsche Sozialdemokrat Bernstein war. Die Revisionisten zogen gegen die Lehre von Marx und Engels von der Notwendigkeit der revolutionären Beseitigung des Kapitalismus und der Errichtung der Diktatur des Proletariats zu Felde. Sie unterzogen alle Teile der revolutionären ökonomischen Lehre von Marx einer völligen Revision und schlugen vor, die Arbeitswerttheorie von Marx mit der Grenznutzentheorie zu verbinden, d.h. im Grunde durch letztere zu ersetzen. Die Marxsche Lehre vom Mehrwert interpretierten sie im Sinne einer „moralischen Verurteilung“ der kapitalistischen Ausbeutung. Unter Berufung auf angeblich „neues Material“ über die Entwicklung des Kapitalismus erklärten die Revisionisten die Marxsche Lehre vom Sieg der Großproduktion über die Kleinproduktion, von der Verelendung des Proletariats in der kapitalistischen Gesellschaft, von der Unversöhnlichkeit und Verschärfung der Klassengegensätze und von der Unvermeidlichkeit der Überproduktionskrisen im Kapitalismus für „veraltet“. Sie riefen die Arbeiter auf, sich vom revolutionären Kampf für die Beseitigung der kapitalistischen Ordnung loszusagen und sich auf den Kampf um die ökonomischen Tagesinteressen zu beschränken. In Russland wurden die Auffassungen des Revisionismus von den so genannten „legalen Marxisten“, die in Wirklichkeit bürgerliche Ideologen waren (Struve, Tugan-Baranowski u.a.), sowie von den Vertretern der opportunistischen Gruppe der „Ökonomisten“ und den Menschewiki aufgegriffen.

Eine raffiniertere Form der Verfälschung des Marxismus wandten die Opportunisten der II. Internationale Kautsky (1854-1938), Hilferding (1877-1941) u.a. an. Zu Beginn ihrer Tätigkeit waren sie Marxisten und trugen zur Verbreitung der marxistischen Lehre bei. In der Folgezeit wurden sie faktisch zu Gegnern des revolutionären Marxismus, wobei sie bis zu einer gewissen Zeit in der Maske von „Orthodoxen“ auftraten, d.h. als vorgeblich treue Schüler von Marx und Engels. Diese Opportunisten wandten sich in Worten - und auch dies sehr inkonsequent - gegen einige Behauptungen der Revisionisten, suchten aber den Marxismus seines revolutionären Wesens zu berauben und in ein totes Dogma zu verwandeln. Sie warfen die Lehre von der Diktatur des Proletariats, die die Seele des Marxismus ist, über Bord, sie leugneten die absolute Verelendung der Arbeiterklasse und behaupteten, die Krisen des Kapitalismus würden seltener und schwächer. Die Revisionisten waren bestrebt, die proletarische politische Ökonomie den Interessen der Bourgeoisie anzupassen.

Um die tiefen Widersprüche des monopolistischen Kapitalismus zu verkleistern, stellte Kautsky den Imperialismus nur als eine besondere Art der Politik hin, als das Streben der hochentwickelten Industrieländer, sich die Agrargebiete zu unterwerfen. Diese Theorie verbreitete die Illusion, das unter den Bedingungen des monopolistischen Kapitalismus eine andere, nichträuberische Politik möglich sei. In den Jahren des ersten Weltkriegs trat Kautsky mit der antimarxistischen Theorie des Ultraimperialismus hervor; er behauptete, im Imperialismus könne man durch Abkommen unter den Kapitalisten der verschiedenen Länder die Kriege beseitigen und eine organisierte Weltwirtschaft schaffen. Für diese reaktionäre Theorie war die Loslösung der Wirtschaft von der Politik und das Ignorieren des Gesetzes der Ungleichmäßigkeit der Entwicklung der kapitalistischen Länder in der Epoche des Imperialismus kennzeichnend. Die Theorie des „Ultraimperialismus“ beschönigte den Imperialismus, entwaffnete die Arbeiterklasse und stärkte die Bourgeoisie, indem sie die Illusion von der Möglichkeit einer friedlichen und krisenlosen Entwicklung des Kapitalismus hervorrief. Dem gleichen Zweck diente auch die von Kautsky propagierte vulgäre „Theorie der Produktivkräfte“, derzufolge der Sozialismus das mechanische Ergebnis der Entwicklung der Produktivkräfte der Gesellschaft, einer Entwicklung ohne Klassenkampf und Revolution sein soll. Nach der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution in der UdSSR beschritt Kautsky den Weg des offenen Kampfes gegen die erste Diktatur des Proletariats der Welt und rief zur Intervention gegen die UdSSR auf.

Hilferding gab in seiner Arbeit „Das Finanzkapital“ (1910), die die Untersuchung der „neuesten Phase des Kapitalismus“ zum Gegenstand hat, eine wissenschaftliche Analyse einiger Seiten der Wirtschaft des Imperialismus, vertuschte aber zugleich die entscheidende Rolle der Monopole im modernen Kapitalismus und die Verschärfung aller seiner Widersprüche und ignorierte die wesentlichsten Züge des Imperialismus, den Parasitismus und die Fäulnis des Kapitalismus, die Aufteilung der Welt und den Kampf um ihre Neuaufteilung. In den Jahren der zeitweiligen; teilweisen Stabilisierung des Kapitalismus behauptete Hilferding in Anlehnung an die bürgerlichen Ökonomen, die Ära des „organisierten Kapitalismus“ sei angebrochen, in der durch die Tätigkeit der Monopole die Konkurrenz, die Anarchie der Produktion und die Krisen verschwänden und planmäßige, bewusste Organisation au herrschen beginne. Hieraus zogen die reaktionären Führer der Sozialdemokratie die Schlussfolgerung, dass die Trusts und Kartelle friedlich in die planmäßige sozialistische Wirtschaft „hinüberwüchsen“, dass die Arbeiterklasse nur den Konzernherren und Bankiers zu helfen brauchte, die Wirtschaft in Gang zu bringen, und dass dann der heutige Kapitalismus allmählich, ohne jeden Kampf und ohne Revolution in den Sozialismus „hinüberwüchse“.

Somit hängt die Beschönigung des Imperialismus durch Kautsky, Hilferding und andere reformistische Theoretiker der Sozialdemokratie untrennbar mit der Propagierung des „friedlichen Hineinwachsens des Kapitalismus in den Sozialismus“ zusammen, wodurch die Arbeiterklasse von den Aufgaben des revolutionären Kampfes für den Sozialismus abgelenkt und die Arbeiterbewegung den Interessen der imperialistischen Bourgeoisie untergeordnet werden sollte. Diesem Ziel diente insbesondere die von einigen rechtssozialistischen Führern in der Periode zwischen den beiden Weltkriegen verbreitete apologetische Theorie von der „Wirtschaftsdemokratie“. Nach dieser Theorie nehmen die Arbeiter, die die Vertreter der Gewerkschaften in den Verwaltungen der Betriebe und anderen Organen sind, angeblich gleichberechtigt an der Verwaltung der Wirtschaft teil und werden allmählich zu Herren der Produktion. Mit ihrer Politik des Verrats an den Interessen der Arbeiterklasse bereiteten die Sozialdemokraten der II. Internationale dem Faschismus in Deutschland und einigen anderen Ländern den Weg.

Eine Abart der reformistischen Theorie vom friedlichen Hineinwachsen des Kapitalismus in den Sozialismus ist die Theorie des „genossenschaftlichen Sozialismus“, die auf der Illusion beruht, die Verbreitung der genossenschaftlichen Formen führe bei Aufrechterhaltung der Herrschaft des Kapitals zum Sozialismus.

In Russland verbreiteten z.B. die Menschewiki antimarxistische, kautskyanische Auffassungen in den Fragen der Theorie des Imperialismus. Sie predigten apologetische Theorien vom „reinen Imperialismus“, vom „organisierten Kapitalismus“ usw. und suchten dadurch die sich verschärfenden Widersprüche des monopolistischen Kapitalismus zu verkleistern. Sie leugneten das Gesetz der Ungleichmäßigkeit der Entwicklung des Kapitalismus in der Epoche des Imperialismus und suchten das Bewusstsein der Arbeiterklasse durch das Gift des Unglaubens an die Möglichkeit des Siegs des Sozialismus in einem Lande zu vergiften.

In der Periode nach dem zweiten Weltkrieg taten sich die rechtsreformistischen Führer der englischen Labouristen, die rechtssozialistischen Führer in Frankreich, Italien, Westdeutschland, Österreich und anderen Ländern (L. Blum, K. Renner u. a.) als Verteidiger des Kapitalismus hervor. Als Agenten der imperialistischen Bourgeoisie in der Arbeiterbewegung verteidigten sie die Monopole, predigten sie den Klassenfrieden zwischen Arbeitern und Bourgeoisie und unterstützten aktiv die reaktionäre Innenpolitik und aggressive Außenpolitik des Imperialismus. Die rechtssozialistischen Theoretiker wollen die Werktätigen mit dem Imperialismus versöhnen, wollen die Arbeiterklasse glauben machen, es sei möglich, ihre elende Lage bei Aufrechterhaltung der kapitalistischen Ordnung zu verbessern.

Diesem Zweck dient auch die Theorie des „demokratischen Sozialismus“, einer Abart der Theorie vom friedlichen Hineinwachsen des Kapitalismus in den Sozialismus. Diese Theorie behauptet, in den hochentwickelten kapitalistischen Ländern gäbe es jetzt keine Ausbeutung und keinen Gegensatz der Klasseninteressen des Proletariats und der Bourgeoisie mehr, stelle der imperialistische Staat eine über den Klassen stehende Organisation dar und sei jeder dem Staat gehörende Betrieb ein „sozialistischer“ Betrieb. Die labouristischen Führer stellen die während ihrer Regierungszeit nach dem zweiten Weltkriege durchgeführte Nationalisierung der Bank von England, der Eisenbahnen und einiger Industriezweige als Triumph des „demokratischen Sozialismus“ hin. In Wirklichkeit aber war die labouristische Nationalisierung eine bürgerliche Maßnahme, die das ökonomische Wesen der nationalisierten Betriebe als kapitalistischer Betriebe nicht veränderte. Die wahren Herren in England sind nach wie vor die imperialistische Bourgeoisie und die Großgrundbesitzer, die Landlords. Die Besitzer der nationalisierten, zuvor mit Verlust arbeitenden Betriebe erhielten eine reichliche Entschädigung und ein hohes garantiertes Einkommen, während die in den nationalisierten Industriezweigen beschäftigten Arbeiter bei geringem Lohn noch intensiver arbeiten müssen. Die Theorie des „demokratischen Sozialismus“ soll die zunehmende Unterdrückung der werktätigen Massen durch den staatsmonopolistischen Kapitalismus verschleiern, der die höchste Stufe der Herrschaft der Finanzoligarchie ist.

Zugleich helfen die Führer der rechtssozialistischen Parteien mit Propagierung des „Klassenfriedens“ in der kapitalistischen Gesellschaft der Bourgeoisie nach Kräften, einen umfassenden Angriff auf den Lebensstandard der werktätigen Massen zu entfalten, die Arbeiterbewegung in den Metropolen und die nationale Befreiungsbewegung in den Kolonien und abhängigen Ländern abzuwürgen. In der Erklärung und Einschätzung aller wesentlichen ökonomischen Erscheinungen der Gegenwart folgen sie den bürgerlichen Ökonomen.

Die kommunistischen und Arbeiterparteien, die sich in ihrer Tätigkeit von der Theorie des Marxismus-Leninismus leiten lassen, führen einen konsequenten Kampf gegen die reaktionären „Theorien“ der bürgerlichen Ökonomen und der rechtssozialistischen Führer.

9. Die Weiterentwicklung der marxistischen politischen Ökonomie des Kapitalismus durch W. I. Lenin. Die Ausarbeitung einer Reihe neuer Leitsätze der politischen Ökonomie des Kapitalismus durch J. W. Stalin.

Die ökonomische Lehre von Marx und Engels wurde in den Werken Lenins (1970-1924) schöpferisch weiterentwickelt. Marx, Engels und Lenin sind die Schöpfer der wissenschaftlichen politischen Ökonomie. Als Schüler von Marx und Engels setzte Lenin ihre Lehre fort und kämpfte unversöhnlich gegen die offenen und verkappten Feinde des Marxismus. Lenin verteidigte die revolutionäre Lehre von Marx und Engels gegen die Angriffe der bürgerlichen Pseudowissenschaft, gegen ihre Verzerrung durch die Revisionisten und Opportunisten aller Schattierungen. Durch Verallgemeinerung der neuen historischen Erfahrungen des proletarischen Klassenkampfes hob er die Lehre des Marxismus auf eine neue, höhere Stufe.

Lenin griff in den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts in den politischen Kampf ein, als der Übergang vom vormonopolistischen Kapitalismus zum Imperialismus zum Abschluss gelangte und sich das Zentrum der revolutionären Weltbewegung nach Russland verlagert hatte - in das Land, in dem eine gewaltige Volksrevolution heranreifte.

In den Arbeiten der 90er Jahre – „Zur so genannten Frage der Märkte“ (1893), „Was sind die 'Volksfreunde' und wie kämpfen sie gegen die Sozialdemokraten?“ (1894), „Der ökonomische Inhalt der Volkstümlerrichtung und seine Kritik in dem Buche des Herrn Struve“ (1894), „Zur Charakteristik des ökonomischen Romantizismus“ (1897) - führte Lenin einen konsequenten Kampf sowohl gegen die Volkstümler als auch gegen die „legalen Marxisten“. Durch sein klassisches Werk „Die Entwicklung des Kapitalismus in Russland“ (1899) - nach Erscheinen des „Kapitals“ von Karl Marx das bedeutendste Werk der marxistischen Literatur - vollendete Lenin die ideologische Zertrümmerung der Volkstümlerrichtung.

In diesem Werk und in den anderen Arbeiten der 90er Jahre analysierte Lenin die ökonomische Struktur Russlands mit aller Gründlichkeit und deckte die ökonomischen Grundlagen der Klassenwidersprüche und des Klassenkampfs sowie die Perspektiven der revolutionären Bewegung auf. Lenin verallgemeinerte die Erfahrungen der ökonomischen und politischen Entwicklung Russlands und anderer Länder in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts, verteidigte und entwickelte die Leitsätze des Marxismus über die Gesetze der Entstehung und Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise, über ihre unlösbaren Widersprüche und ihren unvermeidlichen Untergang. Lenin widerlegte die Behauptungen der Volkstümler, der russische Kapitalismus sei ein „künstliches Gebilde“, und deckte die eigentümlichen Züge der Wirtschaft und der Gesellschaftsordnung Russlands auf, die mit den Besonderheiten seiner historischen Entwicklung zusammenhingen, insbesondere die Verknüpfung der kapitalistischen Ausbeutungsmethoden mit den zahlreichen Überresten der feudalen Unterdrückung, die den sozialen Kämpfen in Russland eine besondere Schärfe verlieh.

Im Kampf gegen das geringschätzige Verhalten der Volkstümler gegenüber dem Proletariat wies Lenin nach, dass die Entwicklung des Kapitalismus unvermeidlich ein Anwachsen der Zahl, der Organisiertheit und der Bewusstheit der Arbeiterklasse mit sich bringt, die die Avantgarde aller Werktätigen und Ausgebeuteten ist. Er begründete allseitig die führende Rolle des Proletariats in der Revolution.

Lenin klärte das Wesen der Differenzierungsprozesse der Bauernschaft im Russland nach der Reform und die enge Verflechtung der Überreste der feudalen Unterdrückung mit dem Joch der kapitalistischen Verhältnisse; dabei widerlegte er die Ansicht der Volkstümler, dass die Bauernschaft eine gleichartige Masse sei. Lenin gab die ökonomische Begründung für die Möglichkeit und Notwendigkeit des revolutionären Bündnisses der Arbeiterklasse mit den werktätigen und ausgebeuteten Massen der Bauernschaft.

Lenin enthüllte die ökonomische Grundlage der Besonderheiten der russischen Revolution, die sie zu einer Revolution von neuem Typus machten, zu einer bürgerlich-demokratischen Revolution unter der Hegemonie des Proletariats, die die Perspektive des Hinüberwachsens in die sozialistische Revolution hatte.

Das Werk „Die Entwicklung des Kapitalismus in Russland“ bildet das Fazit einer Reihe von Arbeiten Lenins zur Theorie der kapitalistischen Reproduktion. In diesen Arbeiten widerlegte er die auf Sismondi zurückgehenden Behauptungen der Volkstümler, der Mehrwert könne ohne Kleinproduzenten und ohne äußeren Markt nicht realisiert werden, und begründete allseitig den marxistischen Leitsatz, dass der Markt für den Kapitalismus durch die Entwicklung des Kapitalismus selbst geschaffen wird. Lenin entwickelte auch die Leitsätze des Marxismus von den Widersprüchen der kapitalistischen Realisierung, von der Erhöhung der organischen Zusammensetzung des Kapitals als Faktor der Verelendung des Proletariats und von der Unvermeidlichkeit der periodischen Überproduktionskrisen im Kapitalismus.

Ein wertvoller Beitrag zur marxistischen politischen Ökonomie sind die Arbeiten Lenins zur Agrarfrage, in denen ein riesiges Material über die Entwicklung des Kapitalismus in der Landwirtschaft Russlands und einer Reihe anderer Länder (Frankreichs, Deutschlands, Dänemarks, der USA usw.) wissenschaftlich verallgemeinert ist. In seinen Arbeiten „Die Agrarfrage und die Marxkritiker“ (1901-1907), „Das Agrarprogramm der Sozialdemokratie in der ersten russischen Revolution von 1905 bis 1907“ (1907), „Neue Daten über die Entwicklungsgesetze des Kapitalismus in der Landwirtschaft“ (1914/15) u.a.m. erforschte Lenin die Gesetze der kapitalistischen Entwicklung der Landwirtschaft, die Marx nur in allgemeinen Zügen umrissen hatte.

Im Kampf gegen den westeuropäischen und russischen Revisionismus, der die Landwirtschaft als ein Wirtschaftsgebiet bezeichnete, für das die Gesetze der Konzentration und Zentralisation des Kapitals nicht gelten, analysierte Lenin die Besonderheiten der Entwicklung des Kapitalismus auf dem Lande. Er zeigte die tiefe Widersprüchlichkeit der ökonomischen Lage der breiten Massen der Bauernschaft und deren unvermeidlichen Ruin in der bürgerlichen Gesellschaft. Lenin verteidigte und entwickelte die marxistische Theorie der Differentialrente und der absoluten Rente. Er enthüllte die Bedeutung der absoluten Rente als eines der wichtigsten Faktoren, die die Entwicklung der Produktivkräfte in der Landwirtschaft hemmen, und arbeitete allseitig die Frage der Möglichkeit, der Bedingungen und ökonomischen Folgen der Nationalisierung des Bodens in der bürgerlich-demokratischen und in der sozialistischen Revolution aus. Er entlarvte die bürgerlichen Ökonomen, die das pseudowissenschaftliche „Gesetz vom abnehmenden Bodenertrag“ propagierten. Im Kampf gegen die opportunistische Linie der westeuropäischen Parteien der II. Internationale und des russischen Menschewismus, einschließlich des Trotzkismus, gegenüber der Bauernschaft begründete Lenin die Notwendigkeit einer Politik der Arbeiterklasse, die auf die Gewinnung der breiten Massen der Bauernschaft als Verbündeten des revolutionären Proletariats gerichtet ist.

Die Leninsche Theorie der Agrarfrage war eine tiefschürfende ökonomische Begründung der Politik der Kommunistischen Partei Russlands hinsichtlich der Beziehungen zwischen Proletariat und Bauernschaft und insbesondere ihrer Programmforderung nach Nationalisierung des Bodens. Die Leninschen Arbeiten zur Agrarfrage schufen das theoretische Fundament des Agrarprogramms und der Agrarpolitik der kommunistischen Bruderparteien.

Lenin deckte die völlige Haltlosigkeit der revisionistischen Kritik an der marxistischen politischen Ökonomie auf. Er zeigte den Bankrott des Revisionismus in sämtlichen Grundfragen der politischen Ökonomie des Kapitalismus - in der Werttheorie, der Mehrwerttheorie, der Theorie der Konzentration des Kapitals, der Krisentheorie usw.

Marx und Engels, die in der Epoche des vormonopolistischen Kapitalismus lebten, konnten natürlich keine Analyse des Imperialismus geben. Das große Verdienst, das monopolistische Stadium des Kapitalismus erforscht zu haben, gebührt Lenin. Gestützt auf die grundlegenden Leitsätze des „Kapitals“ und die neuen Erscheinungen in der Wirtschaft der kapitalistischen Länder verallgemeinernd, analysierte Lenin als erster Marxist allseitig den Imperialismus als letzte Phase des Kapitalismus, als Vorabend der sozialen Revolution des Proletariats. Diese Analyse ist in seinem klassischen Werk „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“ (1916) und in anderen Arbeiten aus der Zeit des ersten Weltkrieges enthalten: in „Sozialismus und Krieg“, „Über die Losung der Vereinigten Staaten von Europa“, „Über eine Karikatur auf den Marxismus und über den imperialistischen Ökonomismus“, „Der Imperialismus und die Spaltung des Sozialismus“, „Das Militärprogramm der proletarischen Revolution“.

Die Leninsche Imperialismustheorie geht davon aus, dass das tiefste Fundament des Imperialismus, sein ökonomisches Wesen die Herrschaft der Monopole ist, dass der Imperialismus monopolistischer Kapitalismus ist. Lenin erforschte allseitig die ökonomischen Grundzüge des Imperialismus und die konkreten Formen der Herrschaft der Monopole. In der Leninschen Lehre vom Imperialismus, von der Ablösung der freien Konkurrenz durch die Herrschaft der Monopole, die hohe Monopolprofite erlangen, von den Quellen und Methoden der Sicherung dieser hohen Monopolprofite sind die Ausgangsthesen des ökonomischen Grundgesetzes des monopolistischen Kapitalismus enthalten. Lenin kennzeichnete den Imperialismus als ein neues, als das höchste Stadium des Kapitalismus, bestimmte damit den historischen Platz des Imperialismus und zeigte, dass der Imperialismus monopolistischer, parasitärer oder faulender und sterbender Kapitalismus ist. Die Leninsche Theorie des Imperialismus enthüllt die Widersprüche des Kapitalismus in seinem monopolistischen Entwicklungsstadium, die Widersprüche zwischen Arbeit und Kapital, zwischen den Metropolen und den Kolonien sowie zwischen den imperialistischen Ländern. Sie deckt die tiefen Ursachen auf, die die Unvermeidlichkeit imperialistischer Kriege um die Neuaufteilung der Welt bedingen. Alle diese Widersprüche vertiefen und verschärfen sich bis zu der äußersten Grenze, jenseits deren die Revolution beginnt. Lenin begründete den gerechten Charakter des Befreiungskampfes der Völker gegen die imperialistische Unterjochung und Sklaverei.

Lenin behandelte eingehend die Frage des staatsmonopolistischen Kapitalismus und die Frage der Unterordnung des bürgerlichen Staates unter die Monopole. Er zeigte, dass der staatsmonopolistische Kapitalismus einerseits die höchste Form der kapitalistischen Vergesellschaftung der Produktion und die materielle Vorbereitung des Sozialismus ist und anderseits die höchstmögliche Verstärkung der Ausbeutung der Arbeiterklasse und aller Werktätigen bedeutet.

Lenin entdeckte das Gesetz der Ungleichmäßigkeit der ökonomischen und politischen Entwicklung der kapitalistischen Länder in der Periode des Imperialismus. Davon ausgehend, sagte er, dass das Durchbrechen der Kette des Weltimperialismus an ihrem schwächsten Glied erfolgen wird. Daraus folgte, dass der Sieg des Sozialismus ursprünglich in einigen Ländern oder sogar in einem Lande möglich – der gleichzeitige Sieg des Sozialismus in allen Ländern dagegen unmöglich ist.

Lenin begründete die gewaltige Bedeutung der Bauernschaft als Verbündeten des Proletariats in der Revolution. Lenin arbeitete die nationale und koloniale Frage aus und umriss die Wege zu ihrer Lösung. Er wies nach, dass die Vereinigung der proletarischen Bewegung in den entwickelten Ländern und der nationalen Befreiungsbewegung in den Kolonien zu einer geschlossenen Kampffront gegen den gemeinsamen Feind, den Imperialismus, möglich und notwendig ist. Die Leninsche Theorie des Imperialismus begründete die Notwendigkeit der sozialistischen Revolution und der Diktatur der Arbeiterklasse unter den Bedingungen einer neuen historischen Epoche. Somit schuf Lenin eine neue, in sich geschlossene Theorie der sozialistischen Revolution. Diese Theorie war eine Anleitung zum revolutionären Handeln in gigantischem Maßstab - die Anleitung für die Große Sozialistische Oktoberrevolution in der UdSSR.

Lenin erarbeitete die Grundlagen der Lehre von der allgemeinen Krise des Kapitalismus, von der historischen Periode des Untergangs der kapitalistischen Ordnung und des Sieges einer neuen, höheren, der sozialistischen Ordnung. Bereits während des ersten Weltkriegs gelangte er zu dem Schluss, dass die Epoche der relativ friedlichen Entwicklung des Kapitalismus beendet ist, dass der imperialistische Krieg, der eine gewaltige historische Krise bedeutete, die Ära der sozialistischen Revolution eröffnet. Der Krieg hat eine solch ungeheure Krise herbeigeführt, betonte Lenin am Vorabend der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution, dass sich die Menschheit vor die Wahl gestellt sah: entweder unterzugehen oder ihr Schicksal in die Hände der revolutionärsten Klasse zu legen und schnellstens zu einer höheren Produktionsweise - zum Sozialismus - überzugehen. Aus der von Lenin festgestellten Tatsache, dass die sozialistische Revolution an den verschiedenen Kettengliedern des kapitalistischen Weltsystems zu verschiedener Zeit heranreift, ergibt sich die Schlussfolgerung, dass der Untergang des Kapitalismus und der Sieg des Sozialismus durch den Abfall einzelner Länder vom kapitalistischen System erfolgt, solcher Länder, in denen die Arbeiterklasse siegt, indem sie im engen Bündnis mit den werktätigen Massen der Bauernschaft die Macht ergreift und die überwiegende Mehrheit des Volkes um sich schart. Lenin begründete, dass das friedliche Nebeneinanderbestehen der zwei Systeme, des kapitalistischen und des sozialistischen Systems, eine lang andauernde historische Periode hindurch möglich und notwendig ist.

Lenin enthüllte die völlige theoretische Haltlosigkeit und politische Schädlichkeit der antimarxistischen Theorie des „Ultraimperialismus“ von Kautsky und ihrer Spielarten, wie sie von Trotzki und Bucharin vertreten wurden. Im Kampf gegen die antimarxistischen Verzerrungen Bucharins hob Lenin wiederholt hervor, dass es einen „reinen Imperialismus“ ohne die Basis des Kapitalismus nirgendwo gegeben hat, noch gibt und auch nicht geben kann. Für den Imperialismus ist gerade die Vereinigung der Monopole mit dem Austausch, dem Markt und der Konkurrenz charakteristisch. Indem sich der Imperialismus über den alten Kapitalismus als Überbau und direkte Fortsetzung erhebt, verschärft er alle Widersprüche der bürgerlichen Gesellschaft noch mehr. Lenin zeigte den tiefen Zusammenhang des Opportunismus mit dem Imperialismus und entlarvte die politische Rolle der Opportunisten als Agenten der Bourgeoisie in der Arbeiterbewegung. Lenin legte die Wurzeln der opportunistischen Strömungen in der Arbeiterbewegung bloß, indem er zeigte, dass diese Strömungen aus der Bestechung und der Demoralisierung von Oberschichten der Arbeiterklasse durch die Bourgeoisie erwachsen. Lenin führte einen vernichtenden Schlag gegen die apologetische Behandlung des staatsmonopolistischen Kapitalismus durch die Opportunisten, den sie als „Sozialismus“ auszugeben suchten. Die Arbeiten Lenins, die gegen den Opportunismus gerichtet sind, haben für die revolutionäre Bewegung gewaltige Bedeutung, da es ohne Entlarvung des ideologisch-politischen Inhalts des Opportunismus und seiner verräterischen Rolle in der Arbeiterbewegung keinen wirklichen Kampf gegen den Imperialismus geben kann.

Die Probleme der marxistisch-leninistischen politischen Ökonomie wurden in den Beschlüssen und Dokumenten der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, in den Arbeiten J. W. Stalins (1879-1953) und anderer Kampfgefährten und Schüler Lenins weiterentwickelt und konkretisiert.

Gestützt auf die Werke von Marx, Engels und Lenin, die die proletarisch-wissenschaftliche politische Ökonomie geschaffen haben, erarbeitete und entwickelte Stalin durch Verallgemeinerung der neuen Erfahrungen der historischen Entwicklung, der neuen Praxis des Kampfes der Arbeiterklasse und ihrer Kommunistischen Partei eine Reihe neuer Leitsätze auf dem Gebiet der ökonomischen Wissenschaft. Zugleich verteidigte Stalin in seinen Arbeiten konsequent die marxistische politische Ökonomie gegen die Feinde des revolutionären Marxismus und popularisierte ihre Grundprobleme und grundlegenden Leitsätze.

Stalin entlarvte die Verlogenheit der Behauptungen der bürgerlichen Ökonomen und Reformisten, dass sich die Widersprüche des Kapitalismus im Verlauf seiner historischen Entwicklung mildern, und begründete die Unvermeidlichkeit der weiteren Vertiefung und Verschärfung dieser Widersprüche, die vom unvermeidlichen Untergang des Kapitalismus zeugen. Im Kampf gegen den Revisionismus zeigte Stalin an Hand neuer Argumente die völlige Haltlosigkeit der Theorie von der „Stabilität“ der kleinen Bauernwirtschaft. Nur die Vernichtung des Systems der kapitalistischen Sklaverei kann die Bauernschaft vor Verelendung und Not retten. Die Bauernfrage ist die Frage der Verwandlung der ausgebeuteten Mehrheit der Bauernschaft aus einer Reserve der Bourgeoisie in eine direkte Reserve der Revolution, in einen Verbündeten der Arbeiterklasse, die für die Vernichtung der kapitalistischen Ordnung kämpft. In seinem Werk „Marxismus und nationale Frage“ (1913) und in anderen Arbeiten entwickelte Stalin die nationale Frage weiter. Er begründete die Bedeutung der ökonomischen Bedingungen des Daseins der Gesellschaft bei der Herausbildung der Nationen und Nationalstaaten. Die Gemeinschaft des Wirtschaftslebens der .Menschen ist eins der grundlegenden Merkmale der Nation. Der Prozess der Liquidierung des Feudalismus und der Entwicklung des Kapitalismus ist gleichzeitig ein Prozess des Zusammenschlusses der Menschen zu Nationen. Stalin zeigte die Bedeutung des nationalen Marktes für den Entstehungsprozess der Nationalstaaten in Westeuropa und umriss die Eigenart des historischen Verlaufs der Herausbildung der Staaten im Osten.

Die Kommunistische Partei der Sowjetunion verteidigte unter Führung des Zentralkomitees mit J. W. Stalin an der Spitze die marxistisch-leninistische Theorie im ganzen und die marxistisch-leninistische ökonomische Lehre im besonderen gegen die Angriffe der Feinde des Leninismus, der Trotzkisten, der Bucharin-Leute, der bürgerlichen Nationalisten. Von besonderer Bedeutung für das Schicksal des Sozialismus in der UdSSR und in der ganzen Welt war dabei die Verteidigung und Weiterentwicklung der Leninschen Lehre von der Möglichkeit des Sieges des Sozialismus in einem Land, der Leninschen Theorie der sozialistischen Revolution.

In einer ganzen Reihe von Arbeiten („Über die Grundlagen des Leninismus“, „Zu den Fragen des Leninismus“, „Ökonomische Probleme des Sozialismus in der UdSSR“, Referate auf Parteitagen und -konferenzen der KPdSU) entwickelte Stalin die Leninschen Leitsätze vom ökonomischen und politischen Wesen des Imperialismus und von der allgemeinen Krise des Kapitalismus, von den Gesetzmäßigkeiten der Entwicklung des monopolistischen Kapitalismus. Ausgehend von den klassischen Thesen Lenins über das ökonomische Wesen des Imperialismus – die Herrschaft der Monopole – und den hohen Monopolprofit, formulierte Stalin das ökonomische Grundgesetz des modernen Kapitalismus. Er analysierte eingehend die allgemeine Krise des Kapitalismus und ihre zwei Etappen: die erste, die in der Periode des ersten Weltkrieges begann, und die zweite, die sich in der Periode des zweiten Weltkrieges, besonders nach dem Abfall der volksdemokratischen Länder in Europa und Asien vom kapitalistischen System, entfaltete.

Stalin entlarvte die Handlanger der Bourgeoisie, die das kapitalistische Wirtschaftssystem verherrlichen, und wies nach, dass sich der moderne Kapitalismus im Zustand einer allgemeinen allseitigen Krise befindet, die sowohl die Wirtschaft als auch die Politik erfasst. Der prägnanteste Ausdruck der allgemeinen Krise des Kapitalismus ist der welthistorische Sieg der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution in der UdSSR und die Spaltung der Welt in zwei Systeme, in das kapitalistische und in das sozialistische System. Ein Bestandteil der allgemeinen Krise des Kapitalismus ist die Krise des Kolonialsystems des Imperialismus.

In seinen Arbeiten behandelte Stalin Wesen und Bedeutung solcher Merkmale der allgemeinen Krise des Kapitalismus wie die äußerste Verschärfung des Marktproblems, die chronische Unterbelastung der Betriebe und die ständige Massenarbeitslosigkeit. In seinen Arbeiten enthüllte Stalin das zutiefst reaktionäre und aggressive Wesen des Faschismus und die verräterische Rolle der modernen Rechtssozialisten.

Die marxistisch-leninistische politische Ökonomie wird, wie die gesamte Theorie des Marxismus-Leninismus, in den Beschlüssen der Kommunistischen Parteien sowie in den Arbeiten der Schüler Lenins, der führenden Funktionäre der Kommunistischen Parteien weiterentwickelt und bereichert.