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Die Grundrente. Die Agrarverhältnisse im Kapitalismus

1. Das kapitalistische System der Landwirtschaft und das Privateigentum an Grund und Boden.
3. Die Differentialrente.
4. Die absolute Grundrente. Der Bodenpreis.
5. Die Rente in der extraktiven Industrie. Die Rente für Baugrundstücke.
6. Landwirtschaftlicher Großbetrieb und Kleinbetrieb.
7. Die Vertiefung des Gegensatzes zwischen Stadt und Land.
8. Das private Grundeigentum und die Nationalisierung des Grund und Bodens.
9. Kurze Zusammenfassung

1. Das kapitalistische System der Landwirtschaft und das Privateigentum an Grund und Boden.

In der kapitalistisch organisierten Landwirtschaft gehört der größere Teil des Grund und Bodens der Klasse der großen Grundeigentümer. Die Hauptmasse der als Ware produzierten landwirtschaftlichen Erzeugnisse wird in kapitalistischen Betrieben erzeugt, die Lohnarbeit anwenden.

Für die Entwicklung des Kapitalismus in der Landwirtschaft sind zwei Wege typisch. Der erste Weg besteht darin, dass die alte Gutswirtschaft im wesentlichen erhalten bleibt und durch Agrarreformen allmählich in eine kapitalistische umgewandelt wird. Der Gutsbesitzer geht zu kapitalistischen Wirtschaftsformen über und wendet dabei nicht nur freie Lohnarbeit an, sondern auch aus der Leibeigenschaft überkommene Ausbeutungsmethoden. In der Landwirtschaft bleiben feudale Formen der Abhängigkeit der Bauern vom Gutsherrn in Gestalt der Abarbeit, Teilpacht u.ä. erhalten. Dieser Weg der kapitalistischen Evolution der Landwirtschaft ist für Deutschland, das zaristische Russland, Italien, Japan und andere Länder charakteristisch.

Der zweite Weg besteht darin, dass die alte Gutswirtschaft durch eine bürgerliche Revolution zerschlagen und die Landwirtschaft von den Fesseln der Leibeigenschaft befreit wird, so dass sich die Produktivkräfte rascher entwickeln. So beseitigte die französische bürgerliche Revolution 1789-1794 den feudalen Grundbesitz. Die beschlagnahmten Ländereien des Adels und der Kirche wurden verkauft. Im Lande wurde die kleinbäuerliche Parzellenwirtschaft vorherrschend, ein bedeutender Teil des Grund und Bodens fiel jedoch in die Hände der Bourgeoisie. In den USA wurden durch den Bürgerkrieg 1861-1865 die Latifundien der Sklavenhalter in den Südstaaten liquidiert. Freie Ländereien wurden in großem Umfang für ein geringes Entgelt vergeben, und die Landwirtschaft begann sich auf den Bahnen des kapitalistischen Farmertums zu entwickeln. Doch auch in diesen Ländern entstand mit der Entwicklung des Kapitalismus erneut das große Grundeigentum auf neuer, kapitalistischer Basis.

Mit der Umgestaltung der vorkapitalistischen Formen des Grundbesitzes tritt an die Stelle des feudalen Großgrundbesitzes und des kleinbäuerlichen Eigentums am Grund und Boden immer mehr das kapitalistische Grundeigentum. Ein immer größerer Teil gutsherrlicher und bäuerlicher Ländereien geht in die Hände der Banken, der Industriellen, Kaufleute und Wucherer über. Auch hier erfolgt eine Konzentration des Kapitals und damit des Bodens.

Im Kapitalismus besteht das Monopol des privaten Grundeigentums der Klasse der großen Grundeigentümer. Der große Grundeigentümer verpachtet gewöhnlich einen beträchtlichen Teil seines Landes an kapitalistische Pächter und an Kleinbauern. Das Grundeigentum trennt sich von der landwirtschaftlichen Produktion.

Die kapitalistischen Pächter zahlen z.B. jährlich dem Grundeigentümer eine vertraglich festgesetzte Pacht, das heißt eine Geldsumme für die Erlaubnis, ihr Kapital auf diesem besonderen Bodenstück anzuwenden. Den Hauptteil der Pacht bildet die Grundrente. Die Pacht enthält neben der Grundrente aber auch noch andere Elemente. Ist auf der gepachteten Bodenfläche bereits Kapital angelegt worden, z.B. in Wirtschaftsgebäuden oder Bewässerungsanlagen, so muss der Pächter an den Grundeigentümer außer der Grundrente einen jährlichen Zins für dieses Kapital entrichten. In der Praxis decken die kapitalistischen Pächter einen Teil der Pacht oftmals durch Herabsetzung des Lohns ihrer Arbeiter.

Die kapitalistische Grundrente spiegelt die Beziehungen zwischen den drei Klassen der bürgerlichen Gesellschaft wider, nämlich zwischen Lohnarbeitern, Kapitalisten und Grundeigentümern. Der durch die Arbeit der Lohnarbeiter geschaffene Mehrwert fällt zunächst dem kapitalistischen Pächter zu. Ihm verbleibt ein Teil des Mehrwerts in Form des Durchschnittsprofits auf sein Kapital. Den anderen Teil des Mehrwerts, der einen Überschuss über den Durchschnittsprofit bildet, muss der Pächter in Form der Grundrente an den Grundeigentümer zahlen. Die kapitalistische Grundrente ist der Teil des Mehrwerts, der nach Abzug des Durchschnittsprofits auf das im Betrieb angelegte Kapital verbleibt und der dem Grundeigentümer gezahlt wird. Oftmals verpachtet der Grundeigentümer sein Land nicht, sondern stellt Lohnarbeiter ein und wirtschaftet selbst. In diesem Falle fallen ihm allein Rente und Profit zu.

Es sind die Differentialrente und die absolute Grundrente zu unterscheiden.

3. Die Differentialrente.

In der Landwirtschaft wie in der Industrie legt ein Kapitalist sein Kapital nur dann in der Produktion an, wenn ihm der Durchschnittsprofit gewährleistet ist. Kapitalisten, die Kapital unter günstigeren Produktionsbedingungen anwenden, z.B. auf fruchtbarerem Boden, erhalten außer dem Durchschnittsprofit auf ihr Kapital noch einen Surplusprofit.

In der Industrie kann ein Surplusprofit nicht auf die Dauer bestehen. Sobald eine in einem einzelnen Betrieb eingeführte technische Verbesserung allgemeine Verbreitung gefunden hat, verliert dieser Betrieb den Surplusprofit. In der Landwirtschaft jedoch bleibt der Surplusprofit für einen mehr oder weniger langen Zeitraum bestehen. Das ist dadurch zu erklären, dass man in der Industrie beliebig viel Betriebe mit den modernsten Maschinen errichten kann. In der Landwirtschaft dagegen lassen sich die Ländereien nicht beliebig vermehren, ganz zu schweigen von den besten Ländereien, da die Menge des Grund und Bodens beschränkt und die gesamte nutzbare Fläche von Einzelwirtschaften besetzt ist. Die Beschränktheit der Bodenfläche, der Umstand, dass sie von Einzelwirtschaften besetzt ist, bedingen das Monopol der kapitalistischen Bodenbewirtschaftung oder das Monopol am Grund und Boden als Objekt der Wirtschaft.

Die Kapitalisten, die die mittleren und die besten Ländereien bewirtschaften, stellen die landwirtschaftlichen Erzeugnisse billiger her, oder anders ausgedrückt, ihr individueller Produktenwert und damit der individuelle Produktionspreis liegt unter dem allgemeinen Produktionspreis. Diese Kapitalisten machen sich das Monopol am Grund und Boden als Objekt der Wirtschaft zunutze und verkaufen ihre Waren zum allgemeinen Produktionspreis, wodurch sie einen Surplusprofit erhalten, der die Differentialrente bildet. Die Differentialrente entsteht unabhängig vom privaten Grundeigentum. Sie bildet sich dadurch, dass die unter unterschiedlichen Bedingungen der Arbeitsproduktivität erzeugten landwirtschaftlichen Produkte zu einem einheitlichen Marktpreis verkauft werden, der sich nach den Produktionsbedingungen auf den schlechtesten Böden richtet. Die kapitalistischen Pächter müssen die Differentialrente den Grundeigentümern abtreten und sich mit dem Durchschnittsprofit begnügen. Die Differentialrente ist der über den Durchschnittsprofit hinaus erzielte Überschuss des Profits in den Betrieben, die unter günstigeren Produktionsbedingungen arbeiten. Sie ist gleich der Differenz zwischen dem individuellen Produktionspreis auf den besten und mittleren Böden und dem allgemeinen Produktionspreis, der durch die Produktionsbedingungen auf den schlechtesten Böden bestimmt ist.

Ferner wird in der Industrie der Produktionspreis der Waren durch die durchschnittlichen Produktionsbedingungen bestimmt. Der Produktionspreis für landwirtschaftliche Erzeugnisse bildet sich aber auf andere Weise. Das Monopol der kapitalistischen Bodenbewirtschaftung hat zur Folge, dass der allgemeine, regulierende Produktionspreis (das heißt Kostpreis plus Durchschnittsprofit) der landwirtschaftlichen Erzeugnisse sich nach den Produktionsbedingungen nicht der mittleren, sondern der schlechtesten bebauten Böden richtet, da die Erzeugnisse der guten und mittleren Böden nicht ausreichen, um die gesellschaftliche Nachfrage zu decken. Wenn der kapitalistische Pächter, der Kapital auf dem schlechtesten Boden anlegt, nicht den Durchschnittsprofit erzielte, würde er dieses Kapital in einen anderen Produktionszweig übertragen.

Dieser Surplusprofit wird, wie der gesamte Mehrwert in der Landwirtschaft, durch die Arbeit der Landarbeiter geschaffen. Die unterschiedliche Fruchtbarkeit der Böden ist lediglich eine Vorbedingung für eine höhere Produktivkraft der Arbeit auf besseren Bodenstücken. Im Kapitalismus entsteht jedoch der Anschein, als sei die von den Grundeigentümern angeeignete Rente das Produkt des Bodens und nicht der Arbeit. In Wirklichkeit ist jedoch die Mehrarbeit, der Mehrwert, die einzige Quelle der Grundrente. „Bei richtiger Auffassung der Rente war das erste natürlich die Erkenntnis, dass sie nicht aus dem Boden stammt, sondern aus dem Produkt der Agrikultur, also der Arbeit, aus dem Preise des Arbeitsprodukts, zum Beispiel des Weizens. Aus dem Werte des Agrikulturprodukts, der auf dem Grund und Boden angewandten Arbeit, nicht aus dem Grund und Boden.“[79]

Es gibt zwei Formen der Differentialrente. Die Differentialrente I hängt primär mit dem Unterschied in der Fruchtbarkeit der verschiedenen Bodenflächen zusammen. Ein fruchtbareres Bodenstück bringt bei gleichem Kapitalaufwand eine höhere Ernte. Betrachten wir als Beispiel drei Bodenstücke gleicher Größe, aber unterschiedlicher Fruchtbarkeit.

Bodenart Kapitalanlage Durchschnittsprofit Produkt Indiv. Produktionspreis des Gesamtprodukts Allg. Produktionspreis Gesamtprodukt Differentialrente I
  $ $ dt $ $/dt $/dt $ $
I 100 20 4 120 30 30 120 0
II 100 20 5 120 24 30 150 30
III 100 20 6 120 20 30 180 60

Der individuelle Produktionspreis der gesamten Produktenmasse ist auf jedem Bodenstück gleich. Er beträgt 120 Dollar (Kostpreis plus Durchschnittsprofit). Der individuelle Produktionspreis je Produkteneinheit ist auf jedem Boden verschieden. Ein Doppelzentner landwirtschaftliche Erzeugnisse vom ersten Bodenstück müsste für 30 Dollar, vom zweiten für 24 Dollar und vom dritten für 20 Dollar verkauft werden. Da aber der allgemeine Produktionspreis für landwirtschaftliche Waren einheitlich ist und sich nach den Produktionsbedingungen auf dem schlechtesten Boden richtet, wird von allen Bodenstücken jeder Doppelzentner zu 30 Dollar verkauft werden. Der Pächter des ersten (schlechtesten) Bodens nimmt beim Verkauf seiner Ernte von 4 Doppelzentnern 120 Dollar ein, d.h. einen Betrag, der seinem Kostpreis (100 Dollar) plus Durchschnittsprofit (20 Dollar) entspricht. Der Pächter des zweiten Bodenstücks erhält für seine 5 Doppelzentner 150 Dollar. Über den Kostpreis und den Durchschnittsprofit hinaus erzielt er 30 Dollar Surplusprofit, der die Differentialrente bildet. Der Pächter des dritten Bodenstücks schließlich vereinnahmt für 6 Doppelzentner 180 Dollar. Die Differentialrente beläuft sich hier auf 60 Dollar.

Die Differentialrente I ergibt sich außerdem aus der unterschiedlichen Lage der Ländereien. Wirtschaften, die in der Nähe von Absatzstellen (Städten, Eisenbahnstationen, Häfen, Kornspeichern usw.) liegen, sparen viel Arbeit und Produktionsmittel für die Beförderung ihrer Erzeugnisse im Vergleich zu den Wirtschaften, die von diesen Stellen weiter entfernt liegen. Die Wirtschaften, die den Absatzmärkten näher gelegen sind, erzielen, da sie ihre Waren zu einem einheitlichen Preis verkaufen, einen Surplusprofit, der die Differentialrente bildet.

Die Differentialrente II ist das Ergebnis zusätzlicher Anwendung von Produktionsmitteln und Arbeit auf demselben Bodenstück, d.h., sie ist das Ergebnis der Intensivierung der Landwirtschaft. Zum Unterschied von der extensiven Kultur, bei der die Wirtschaft durch Erweiterung der Anbau- oder Weidefläche wächst, entwickelt sich die Wirtschaft bei intensiver Kultur durch Anwendung verbesserter Maschinen und künstlicher Düngemittel, durch Meliorationsarbeiten, durch Aufzucht leistungsfähigerer Viehrassen usw. Auf diese Weise kommen Surplusprofite zustande, die eine Differentialrente ergeben.

Kehren wir zu unserem Beispiel zurück. Auf dem dritten Bodenstück, das das fruchtbarste war, wurden ursprünglich 100 Dollar aufgewendet. Es wurden 6 Doppelzentner geerntet, der Durchschnittsprofit betrug 20 Dollar, die Differentialrente 60 Dollar. Nehmen wir an, dass bei gleichbleibenden Preisen auf diesem Boden eine zweite, zusätzliche, produktivere Kapitalanlage in Höhe von 100 Dollar vorgenommen wird, die mit Entwicklung der Technik, mit Anwendung einer großen Menge Düngemittel usw. verknüpft ist. Dadurch wird eine zusätzliche Ernte von 7 Doppelzentnern eingebracht. Der Durchschnittsprofit auf das Zusatzkapital beträgt 20 Dollar, der Überschuss über den Durchschnittsprofit 90 Dollar. Dieser Überschuss von 90 Dollar bildet die Differentialrente II. Solange der alte Pachtvertrag in Kraft bleibt, zahlt der Pächter dieses Bodenstücks eine Differentialrente in Höhe von 60 Dollar, während der Überschuss über den Durchschnittsprofit, der aus der zweiten, zusätzlichen Kapitalanlage stammt, in seine Tasche fließt. Der Boden wird aber nur für eine bestimmte Zeit verpachtet. Wird der Boden erneut verpachtet, so berücksichtigt der Grundeigentümer die Vorteile, die der zusätzliche Kapitalaufwand mit sich gebracht hat, und erhöht die Grundrente für diese Fläche auf 90 Dollar. Deshalb sind die Grundeigentümer bestrebt, die Pachtzeit möglichst abzukürzen. Daraus folgt, dass die kapitalistischen Pächter nicht daran interessiert sind, große Aufwendungen zu machen, die erst nach längerer Zeit Nutzen bringen, da der daraus entspringende Gewinn letzten Endes von den Grundeigentümern angeeignet wird.

Die kapitalistische Intensivierung der Landwirtschaft dient der Erzielung eines möglichst hohen Profits. Auf der Jagd nach hohen Profiten treiben die Kapitalisten Raubbau am Boden, indem sie eng spezialisierte Betriebe schaffen, worin eine einzige Kultur angebaut wird.

Ob diese oder jene landwirtschaftliche Nutzpflanze angebaut wird, hängt von den Schwankungen der Marktpreise ab. Infolgedessen ist es im Kapitalismus unmöglich, überall eine richtige Fruchtfolge einzuführen, die die Grundlage für eine hohe Kultur des Ackerbaus ist. Das private Grundeigentum ist ein Hindernis für umfangreiche Meliorationsarbeiten und andere Maßnahmen, die sich erst nach einer Reihe von Jahren rentieren. Der Kapitalismus ist also mit einem rationellen System der Landwirtschaft unvereinbar. „Und jeder Fortschritt der kapitalistischen Agrikultur ist nicht nur ein Fortschritt in der Kunst, den Arbeiter, sondern zugleich in der Kunst, den Boden zu berauben, jeder Fortschritt in Steigerung seiner Fruchtbarkeit für eine gegebne Zeitfrist zugleich ein Fortschritt im Ruin der dauernden Quellen dieser Fruchtbarkeit.“[80]

4. Die absolute Grundrente. Der Bodenpreis.

Neben der Differentialrente erhält der Grundeigentümer auch die absolute Rente. Sie entspringt dem Monopol des privaten Grundeigentums.

Bei der Untersuchung der Differentialrente wurde vorausgesetzt, dass der Pächter des schlechtesten Bodens beim Verkauf landwirtschaftlicher Waren lediglich den Kostpreis plus den Durchschnittsprofit einlöst, d.h. keine Grundrente zahlt. In Wirklichkeit aber stellt der Eigentümer auch des schlechtesten Bodens nicht umsonst für die Bearbeitung zur Verfügung. Der Pächter des schlechtesten Bodens muss also einen Überschuss über den Durchschnittsprofit erzielen, um die Grundrente zahlen zu können. Das bedeutet, dass der Marktpreis für landwirtschaftliche Waren über dem Produktionspreis auf dem schlechtesten Boden liegen muss.

Woher stammt dieser Überschuss? Im Kapitalismus bleibt die Landwirtschaft technisch und ökonomisch weit hinter der Industrie zurück. Die organische Zusammensetzung des Kapitals in der Landwirtschaft ist niedriger als die des industriellen Kapitals. Die organische Zusammensetzung des Kapitals in der Industrie möge sich auf durchschnittlich 80 c + 20 v belaufen. Bei einer Mehrwertrate von 100 Prozent werden für 100 Dollar Kapital jeweils 20 Dollar Mehrwert erzeugt, und der Produktionspreis wäre gleich 120 Dollar. Die organische Zusammensetzung des Kapitals in der Landwirtschaft möge z.B. 60 c + 40 v sein. 100 Dollar erbringen hier also 40 Dollar Mehrwert, und der Wert der landwirtschaftlichen Waren betrüge 140 Dollar. Der kapitalistische Pächter erhält ebenso wie der industrielle Kapitalist auf sein Kapital einen Durchschnittsprofit von 20 Dollar. Demnach ist der Produktionspreis für landwirtschaftliche Waren gleich 120 Dollar. Die absolute Rente wird also in diesem Falle 20 Dollar (140 minus 120) ausmachen. Hieraus ist ersichtlich, dass der Wert der landwirtschaftlichen Waren über dem allgemeinen Produktionspreis und die Größe des Mehrwerts in der Landwirtschaft über dem Durchschnittsprofit liegt. Dieser Überschuss des Mehrwerts über den Durchschnittsprofit ist die Quelle der absoluten Rente.

Gäbe es kein privates Grundeigentum, dann ginge dieser Überschuss in die allgemeine Ausgleichung zwischen den Kapitalisten ein. Die Agrarerzeugnisse würden dann zu ihren Produktionspreisen verkauft. Aber das private Grundeigentum steht der freien Konkurrenz, der Übertragung von Kapital aus der Industrie in die Landwirtschaft und der Herausbildung eines für industrielle und für landwirtschaftliche Unternehmen gemeinsamen Durchschnittsprofits im Wege. Deshalb werden die landwirtschaftlichen Erzeugnisse zu einem Preis verkauft, der ihrem Wert entspricht, d. h. über dem allgemeinen Produktionspreis liegt. Wieweit diese Differenz realisiert und in absolute Rente verwandelt werden kann, hängt von der Höhe der Marktpreise ab, die sich auf Grund der Konkurrenz ergibt.

Das Monopol des privaten Grundeigentums ist also die Ursache für das Bestehen der absoluten Rente, die jeder Boden unabhängig von seiner Fruchtbarkeit und Lage abwirft. Die absolute Rente ist der Überschuss des Mehrwerts über den Durchschnittsprofit. Dieser Überschuss entsteht in der Landwirtschaft durch die im Vergleich zur Industrie niedrigere organische Zusammensetzung des Kapitals und wird infolge des Bestehens des privaten Grundeigentums von den Grundeigentümern angeeignet.

Außer der Differentialrente und der absoluten Rente gibt es im Kapitalismus noch eine Monopolrente. Die Monopolrente ist ein zusätzliches Einkommen, das dadurch entsteht, dass der Preis einer Ware, die unter besonders günstigen Naturverhältnissen erzeugt wird, über ihren Wert steigt. Eine solche Rente wird zum Beispiel für Böden gezahlt, auf denen seltene landwirtschaftliche Kulturen in beschränkter Menge angebaut werden können (zum Beispiel Wein von ganz außerordentlicher Güte, Zitrusfrüchte usw.). Dazu gehört auch die Rente für die Wasserbenutzung in Gegenden mit Bewässerungsanlagen. Die unter diesen Bedingungen erzeugten Waren werden in der Regel zu Preisen verkauft, die ihren Wert übersteigen, das heißt zu Monopolpreisen. Die Monopolrente in der Landwirtschaft geht zu Lasten des Verbrauchers.

Die parasitäre Klasse der großen Grundeigentümer, die mit der materiellen Produktion überhaupt nichts zu tun haben, nutzt durch das Monopol des privaten Grundeigentums die Errungenschaften des technischen Fortschritts in der Landwirtschaft zur eigenen Bereicherung aus. Die Grundrente ist ein Tribut, den die Gesellschaft im Kapitalismus den Großgrundbesitzern zahlen muss. Die absolute Rente und die Monopolrente verteuern die landwirtschaftlichen Erzeugnisse, und zwar sowohl die Nahrungsmittel für die Arbeiter als auch die Rohstoffe für die Industrie. Durch die Differentialrente wird die Gesellschaft aller Vorteile beraubt, die sich aus der höheren Produktivkraft der Arbeit auf fruchtbaren Ländereien ergeben und die allein der Klasse der Grundeigentümer und der kapitalistischen Farmer zugute kommen. Welche Belastung die Grundrente für die Gesellschaft darstellt, erhellt aus der Tatsache, dass in den USA laut Angaben für die Jahre 1935 bis 1937 der Anteil der Grundrente am Maispreis 26 bis 29 Prozent und am Weizenpreis 26 bis 36 Prozent betrug.

Beim Kauf von Grund und Boden werden gewaltige Mittel der produktiven Verwendung in der Landwirtschaft entzogen. Wenn man von den Bauwerken und den Maßnahmen zur Bodenverbesserung (Gebäude, Bewässerungsanlagen, Trockenlegung von Sümpfen, Düngung) absieht, besitzt der Boden keinen Wert, da er nicht das Produkt menschlicher Arbeit ist. Der Boden aber ist, obwohl er keinen Wert hat, im Kapitalismus Gegenstand des Kaufs und Verkaufs und hat einen Preis. Das ist allein darauf zurückzuführen, dass die Grundbesitzer den Grund und Boden in Privateigentum verwandelt haben.

Der Preis eines Landstücks richtet sich nach der Rente, die es jährlich abwirft, und nach dem Zinsfuß, den die Banken für Depositen zahlen. Der Bodenpreis ist gleich dem Geldbetrag, der, bei einer Bank deponiert, in Form des Zinses denselben Ertrag abwürfe, wie die von dem betreffenden Landstück vereinnahmte Rente. Nehmen wir an, dass ein Bodenstück jährlich 300 Dollar Rente einbringt und die Banken auf Depositen 4% Jahreszinsen zahlen. In diesem Fall wird der Preis des Bodenstücks (300x100):4 = 300x25 = 7500 Dollar betragen. Der Bodenpreis ist also kapitalisierte Rente. Der Bodenpreis ist um so höher, je höher die Rente und je niedriger der Zinsfuß ist. Mit der Entwicklung des Kapitalismus erhöhen sich die Renten. Dadurch steigen systematisch die Bodenpreise. Die Bodenpreise steigen ferner, weil auch der Zinsfuß eine fallende Tendenz hat.

5. Die Rente in der extraktiven Industrie. Die Rente für Baugrundstücke.

Grundrente gibt es nicht nur in der Landwirtschaft. Grundrente beziehen auch Eigentümer von Boden, aus dessen Innern Bodenschätze gewonnen werden (Erz, Kohle, Erdöl usw.), sowie Eigentümer von Bauplätzen in Städten und Industriezentren, wenn auf diesen Flächen Wohnhäuser, Industriebetriebe, Handelsunternehmen, öffentliche Gebäude u. a. errichtet werden.

Die Rente in der extraktiven Industrie entsteht genauso wie die Grundrente in der Landwirtschaft. Bergwerke, Gruben und Erdölquellen unterscheiden sich nach dem Vorratsreichtum, nach der Tiefe der Lagerstätten und der Entfernung von den Absatzgebieten; in ihnen werden Kapitale ungleicher Größe angelegt. Infolgedessen unterscheidet sich der individuelle Produktionspreis jeder Tonne Erz, Kohle und Erdöl von dem allgemeinen Produktionspreis. Auf dem Markt aber wird jede dieser Waren zum allgemeinen Produktionspreis verkauft, der sich nach den ungünstigsten Produktionsbedingungen richtet. Der Surplusprofit, den infolgedessen die mittleren und besseren Bergwerke, Gruben und Erdölquellen abwerfen, bildet die Differentialrente, die der Grundeigentümer einsteckt.

Außerdem verlangen die Grundeigentümer für jeden Boden eine absolute Rente, unabhängig davon, ob er viel oder wenig Bodenschätze enthält. Sie bildet den Überschuss des Wertes über den allgemeinen Produktionspreis. Dieser Überschuss rührt daher, dass in der extraktiven Industrie die organische Zusammensetzung des Kapitals niedriger ist als im Durchschnitt in der Industrie, weil die Mechanisierung relativ wenig entwickelt ist und Aufwendungen für Rohstoffe fortfallen. Die absolute Rente treibt die Preise für Erz, Kohle, Erdöl usw. in die Höhe.

Schließlich gibt es in der extraktiven Industrie eine Monopolrente auf den Flächen, wo besonders seltene Bodenschätze gewonnen und zu Preisen verkauft werden, die die Förderungskosten übersteigen.

Die Grundrente, die die großen Grundeigentümer aus Erzbergwerken, Kohlengruben und Erdölfeldern ziehen, ist ein Hindernis für eine rationelle Ausnutzung der Bodenschätze. Das private Grundeigentum ist die Ursache dafür, dass die Betriebe der extraktiven Industrie zersplittert sind, wodurch die Mechanisierung äußerst erschwert, der Abtransport und die Sortierung der gewonnenen Rohstoffe behindert wird usw. Alle diese Umstände haben eine Verteuerung der Produktion zur Folge.

Die Rente auf Baugrundstücke wird an den Grundeigentümer für die Verpachtung eines Grundstücks gezahlt, auf dem Wohnhäuser, Industriebetriebe, Geschäfte und andere Unternehmen gebaut werden sollen. Der größte Teil der Grundrente in den Städten besteht aus der Rente für Wohngrundstücke. Großen Einfluss auf die Höhe der Differentialrente für Baugrundstücke hat deren Lage. Für Grundstücke, die in der Nähe des Stadtzentrums und der Industriebetriebe liegen, wird eine höhere Rente gefordert.

Neben der Differentialrente und der absoluten Rente lassen sich die Eigentümer städtischer Grundstücke angesichts der außerordentlichen Knappheit von Grund und Boden in vielen Städten und Industriezentren von der Gesellschaft einen Tribut in Form der Monopolrente zahlen, die die Mieten gewaltig erhöht. Im Zusammenhang mit der Zunahme der städtischen Bevölkerung treiben die Eigentümer von städtischen Grundstücken die Rente auf Baugrundstücke in die Höhe, wodurch der Wohnungsbau gehemmt wird. Die infolgedessen steigenden Mietpreise drücken den Reallohn der Arbeiter herab.

Das Monopol des privaten Grundeigentums hemmt auch die Entwicklung der Industrie. Will ein Kapitalist einen Industriebetrieb errichten, so muss er Mittel unproduktiv aufwenden, um Grund und Boden zu kaufen oder für das gepachtete Grundstück Rente zu zahlen. Die Grundrente bildet in der verarbeitenden Industrie einen beachtlichen Ausgabenposten.

6. Landwirtschaftlicher Großbetrieb und Kleinbetrieb.

Die ökonomischen Entwicklungsgesetze des Kapitalismus sind für Industrie und Landwirtschaft die gleichen. Die Konzentration der Produktion führt in der Landwirtschaft wie in der Industrie zur Verdrängung der Kleinbetriebe durch kapitalistische Großbetriebe, womit sich auch die Klassengegensätze unvermeidlich zuspitzen. Die Apologeten des Kapitalismus sind daran interessiert, diesen Prozess zu vertuschen und zu verschleiern. Nach ihrer Theorie bewahrt die kleinbäuerliche Wirtschaft im Kampf gegen die Großbetriebe angeblich ihre Stabilität.

Der Großbetrieb in der Landwirtschaft aber besitzt gegenüber den kleinen Wirtschaften eine Reihe von entscheidenden Vorteilen. Er macht es möglich, kostspielige Maschinen (Traktoren, Mähdrescher usw.) anzuwenden, wodurch die Arbeitsproduktivität um ein Vielfaches gesteigert wird. In der kapitalistischen Produktionsweise ist die Maschinentechnik in den Händen der kapitalistischen Oberschicht reicher Farmer konzentriert, während sie für die werktätigen Schichten des Dorfes unerschwinglich ist. Der Großbetrieb macht sich alle Vorteile der kapitalistischen Kooperation und Arbeitsteilung zunutze. Die Überlegenheit des Großbetriebs besteht vor allem in dem hohen Anteil der Warenproduktion. Die landwirtschaftlichen Groß- und Mammutbetriebe in den USA liefern den allergrößten Teil der gesamten landwirtschaftlichen Warenproduktion. Die Hauptmasse der Farmer dagegen produziert im wesentlichen nur für den Eigenbedarf. Ihre Erträge reichen nicht einmal aus, um die dringendsten Bedürfnisse ihrer Familie zu befriedigen. „Das Parzelleneigentum schließt seiner Natur nach aus: Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkräfte der Arbeit, gesellschaftliche Formen der Arbeit, gesellschaftliche Konzentration der Kapitale, Viehzucht auf großem Maßstab, progressive Anwendung der Wissenschaft.“[81]

Der für den Kapitalismus charakteristische Prozess des Wachstums des Großbetriebs und der Verdrängung des Kleinbetriebs weist jedoch in der Landwirtschaft gewisse Besonderheiten auf. Die kapitalistischen landwirtschaftlichen Großbetriebe entwickeln sich hauptsächlich durch Intensivierung der Wirtschaft. Oftmals ist eine flächenmäßig kleine Wirtschaft der Höhe ihrer Brutto- und Warenproduktion nach ein kapitalistischer Großbetrieb. Die Konzentration der landwirtschaftlichen Produktion in kapitalistischen Großbetrieben ist oftmals von einer zahlenmäßigen Zunahme der bäuerlichen Zwergwirtschaften begleitet. Die beträchtliche Zahl solcher Zwergwirtschaften in hoch entwickelten kapitalistischen Ländern ist dadurch zu erklären, dass die Kapitalisten an Tagelöhnern mit kleinen Landparzellen interessiert sind, die sie ausbeuten können.

Die Entwicklung des kapitalistischen Großbetriebs in der Landwirtschaft vollzieht sich auf der Basis einer verstärkten Differenzierung der Bauernschaft, einer zunehmenden Schuldknechtschaft, Verelendung und Ruinierung von Millionen kleiner und mittlerer Bauernwirtschaften.

Im zaristischen Russland waren vor der Oktoberrevolution 65% aller bäuerlichen Betriebe Wirtschaften armer Bauern, 20% Wirtschaften von Mittelbauern und 15% von Kulaken. In Frankreich ging durch die Expropriation der kleinbäuerlichen Parzellenwirtschaften die Zahl der Bodeneigentümer von 7-7 1/2 Millionen im Jahre 1850 bis auf 2,7 Millionen im Jahre 1929 zurück, während die Zahl des landwirtschaftlichen Proletariats und Halbproletariats bis zum Jahre 1929 auf rund 4 Millionen stieg.

Der landwirtschaftliche Kleinbetrieb behauptet sich um den Preis unglaublicher Entbehrungen, durch Raubbau an der Arbeitskraft des Bauern und seiner ganzen Familie. Obwohl der Bauer alle Kräfte anspannt, um seine scheinbare Selbständigkeit zu bewahren, verliert er seinen Grund und Boden und geht dem Ruin entgegen.

Bei der Vertreibung der Bauern vom Grund und Boden spielt die Hypothek eine große Rolle. Die Hypothek ist ein Darlehen gegen Sicherheit in Form von Grund und Boden und anderen Immobilien. Wenn der Bauer, der seinen eigenen Boden bewirtschaftet, für dringende Zahlungen (beispielsweise für Steuern) Geld braucht, bittet er die Bank um ein Darlehen. Oftmals wird ein Darlehen aufgenommen, um ein Stück Land zu kaufen. Die Bank verleiht einen bestimmten Geldbetrag gegen Sicherheit in Form von Grund und Boden. Wenn das Geld nicht fristgemäß zurückgezahlt wird, geht der Grund und Boden in das Eigentum der Bank über. In Wirklichkeit wird die Bank bereits vorher Eigentümer des Bodens, da der Schuldner ihr einen großen Teil seines Einkommens von diesem Bodenstück als Zins abgeben muss. In Gestalt der Zinsen zahlt der Bauer der Bank faktisch Grundrente für sein eigenes Landstück.

Eine große Anzahl hypothekarisch belasteter Farmen wird jährlich versteigert. Die ruinierten Farmer werden von Grund und Boden gejagt. Die zunehmende Verschuldung der Farmer ist ein Ausdruck dafür, dass sich das Grundeigentum von der landwirtschaftlichen Produktion trennt, dass es in den Händen großer Grundbesitzer konzentriert wird und dass der selbständige Produzent sich in einen Pächter oder Lohnarbeiter verwandelt.

Je nach Auflösungsgrad der vorkapitalistischen Gesellschaft ergeben sich unterschiedliche Formen der Bodenpacht. Eine sehr hohe Anzahl Kleinbauern pachtet von den großen Grundeigentümern kleine Bodenflächen zu knechtenden Bedingungen. Die ländliche Bourgeoisie pachtet Land, um darauf Erzeugnisse für den Markt zu produzieren und Profite zu erzielen.

In den USA hat sich die Anzahl der Pächter gegenüber der Gesamtzahl der Farmer von 25,6% im Jahre 1880 auf 38,7% im Jahre 1940 vergrößert. Außerdem waren 10,1% aller Farmer „Teileigentümer“, d.h., sie mussten einen bestimmten Teil des von ihnen bebauten Bodens ebenfalls hinzupachten.

7. Die Vertiefung des Gegensatzes zwischen Stadt und Land.

Ein charakteristisches Merkmal der kapitalistischen Produktionsweise ist, dass die Landwirtschaft weit hinter der Industrie zurückbleibt und dass sich der Gegensatz zwischen Stadt und Land vertieft und verschärft.

„Die Landwirtschaft bleibt in ihrer Entwicklung hinter der Industrie zurück - eine Erscheinung, die allen kapitalistischen Ländern eigen ist und die eine der tiefsten Ursachen dafür ist, dass die Proportionalität zwischen den einzelnen Zweigen der Volkswirtschaft gestört wird, dass Krisen und Teuerung auftreten.“[82]

Die Landwirtschaft bleibt im Kapitalismus besonders in der Entwicklung der Produktivkräfte hinter der Industrie zurück. Die Technik entwickelt sich in der Landwirtschaft weit langsamer als in der Industrie. Maschinen werden nur in Großbetrieben angewandt, während die Bauernwirtschaften, die nur einen geringen Teil ihrer Produkte als Waren erzeugen, nicht in der Lage sind, sie anzuwenden. Gleichzeitig führt die kapitalistische Anwendung der Maschinen zur verstärkten Ausbeutung und Ruinierung des Kleinproduzenten. Die weitgehende Anwendung von Maschinen in der Landwirtschaft wird ferner durch den Umstand behindert, dass die Arbeitskräfte sehr billig sind, was auf die agrarische Übervölkerung zurückzuführen ist. Im Kapitalismus herrscht in der Landwirtschaft die manuelle Arbeit vor.

Im Kapitalismus hat sich das Zurückbleiben des flachen Landes hinter der Stadt auf dem Gebiet der Kultur bedeutend verstärkt. Die Städte sind Zentren der Kunst und Wissenschaft. Hier befinden sich die Hochschulen, Museen, Theater und Kinos. Den ganzen Reichtum dieser Kultur genießen aber die Ausbeuterklassen. Die proletarischen Massen haben nur in ganz geringem Maße Anteil an den Errungenschaften der städtischen Kultur. Die große Masse der bäuerlichen Bevölkerung ist in den kapitalistischen Ländern von den Kulturzentren abgeschnitten und lebt in Armut und Unwissenheit dahin.

Die ökonomische Grundlage des Gegensatzes zwischen Stadt und Land im Kapitalismus ist die Ausbeutung des flachen Landes durch die Stadt, die Expropriierung der Bauernschaft und die Ruinierung des größten Teiles der Landbevölkerung durch den ganzen Entwicklungsgang der kapitalistischen Industrie, des kapitalistischen Handels und Kreditsystems. Die städtische Bourgeoisie beutet zusammen mit den kapitalistischen Farmern und den Gutsbesitzern die Millionenmassen der Bauern aus. Die Formen dieser Ausbeutung sind mannigfaltig: die industrielle Bourgeoisie und die Kaufleute beuten das Dorf aus mittels hoher Preise für Industriewaren und relativ niedriger Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse; die Banken und Wucherer mittels Kreditgewährung zu knechtenden Bedingungen; der bürgerliche Staat mittels aller möglichen Steuern. Die Millionen und Milliarden, die sich die großen Grundeigentümer durch die Rente und den Landverkauf aneignen, die Zinsen, die die Banken für Hypotheken einstecken usw., fließen vom Lande in die Stadt, wo sie dem parasitären Verbrauch der Ausbeuterklassen dienen.

Die Ursachen für das Zurückbleiben der Landwirtschaft hinter der Industrie, für die Vertiefung und Verschärfung des Gegensatzes zwischen Stadt und Land liegen also im kapitalistischen System selbst.

8. Das private Grundeigentum und die Nationalisierung des Grund und Bodens.

Mit der Entwicklung des Kapitalismus nimmt das private Grundeigentum immer mehr einen parasitären Charakter an. Die Klasse der großen Grundeigentümer eignet sich in Form der Grundrente einen gewaltigen Teil der Einkünfte aus der Landwirtschaft an. Ein erheblicher Teil der Einkünfte wird der Landwirtschaft durch den Bodenpreis entzogen und kommt den Großgrundbesitzern zugute. All das hemmt die Entwicklung der Produktivkräfte, verteuert die landwirtschaftlichen Produkte und ist eine schwere Belastung der Werktätigen. Hieraus folgt, dass die „Nationalisierung des Grund und Bodens zur gesellschaftlichen Notwendigkeit“[83] geworden ist: Die Nationalisierung des Bodens bedeutet die Verwandlung des privaten Grundeigentums in staatliches Eigentum.

Bei der Begründung der Nationalisierung des Bodens ging Lenin davon aus, dass es zwei Arten von Monopolen gibt: das Monopol des privaten Grundeigentums und das Monopol am Grund und Boden als Objekt der Wirtschaft. Die Nationalisierung des Bodens bedeutet die Beseitigung des Monopols des privaten Grundeigentums und der damit zusammenhängenden absoluten Rente. Der Fortfall der absoluten Rente würde die landwirtschaftlichen Erzeugnisse verbilligen. Die Differentialrente würde aber weiterhin bestehen bleiben, da sie dem Monopol am Boden als Objekt der Wirtschaft entspringt. Im Kapitalismus würde die Differentialrente bei Nationalisierung des Bodens dem bürgerlichen Staat zufallen. Die Nationalisierung des Bodens würde eine Reihe von Hindernissen beseitigen, die der Entwicklung des Kapitalismus im Wege stehen und die eine Folge des privaten Grundeigentums sind. Die Bauern würden dadurch von den Überresten des Feudalismus befreit werden.

Die Kommunistische Partei erhob die Forderung nach Nationalisierung des Bodens bereits während der ersten russischen Revolution 1905-1907. Die Nationalisierung des Bodens sah entschädigungslose Enteignung (Konfiskation) aller gutsherrlichen Ländereien zugunsten der Bauern vor.

Lenin hielt eine Nationalisierung des Bodens in der bürgerlich-demokratischen Revolution nur bei Errichtung einer revolutionär-demokratischen Diktatur des Proletariats und der Bauernschaft für möglich. Die Nationalisierung des Bodens als Forderung der bürgerlich-demokratischen Revolution ist an sich keine sozialistische Maßnahme. Die Beseitigung des gutsherrlichen Grundeigentums festigt aber das Bündnis des Proletariats mit den breiten Massen der Bauernschaft und macht das Feld frei für den Klassenkampf zwischen Proletariat und Bourgeoisie. Die Nationalisierung des Bodens erleichtert in diesem Falle dem Proletariat im Bündnis mit der Dorfarmut den Kampf für das Hinüberwachsen der bürgerlich-demokratischen Revolution in die sozialistische Revolution.

Lenin, der die marxistische Rententheorie weiterentwickelte, wies nach, dass die Nationalisierung des Bodens innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft nur in der Periode bürgerlicher Revolutionen durchführbar ist und „bei starker Verschärfung des Klassenkampfes zwischen Proletariat und Bourgeoisie undenkbar ist“[84]. In der Epoche des entwickelten Kapitalismus, in der die sozialistische Revolution auf der Tagesordnung steht, kann die Nationalisierung des Bodens aus folgenden Gründen nicht im Rahmen der bürgerlichen Gesellschaft durchgeführt werden. 1. wagt die Bourgeoisie nicht, das private Grundeigentum zu liquidieren, da sie befürchtet, dass angesichts der wachsenden revolutionären Bewegung des Proletariats damit auch die Grundlagen des Privateigentums überhaupt erschüttert werden könnten. 2. haben die Kapitalisten selbst Grundeigentum erworben. Die Interessen der Klasse der Bourgeoisie und der Klasse der Gutsbesitzer verflechten sich immer mehr. Im Kampf gegen das Proletariat und die Bauernschaft handeln beide Klassen stets gemeinsam.

Der gesamte Verlauf der historischen Entwicklung des Kapitalismus ist eine Bestätigung, dass in der bürgerlichen Gesellschaft die breiten Massen der Bauernschaft, die von Kapitalisten, Gutsbesitzern, Wucherern und Händlern rücksichtslos ausgebeutet werden, unvermeidlich dem Ruin entgegengehen und verarmen. Die Kleinbauern können im Kapitalismus nicht auf eine Verbesserung ihrer Lage rechnen. Deshalb fallen die grundlegenden Interessen der breiten Massen der Bauernschaft mit den Interessen des Proletariats zusammen. Darin besteht die ökonomische Grundlage für das Bündnis zwischen Proletariat und werktätiger Bauernschaft in ihrem gemeinsamen Kampf gegen die kapitalistische Gesellschaftsordnung.

9. Kurze Zusammenfassung

1. Das kapitalistische System der Landwirtschaft ist dadurch gekennzeichnet, dass 1. der weitaus größte Teil des Grund und Bodens den großen Grundeigentümern gehört, die das Land verpachten; 2. betreiben die kapitalistischen Pächter ihre Wirtschaft auf der Grundlage der Ausbeutung von Lohnarbeitern; 3. sind Produktionsmittel, darunter Grund und Boden, auch Privateigentum einer zahlenmäßig starken Klasse kleiner und mittlerer Bauern. Die Landwirtschaft der bürgerlichen Länder ist, obwohl der Kapitalismus wächst, noch in hohem Maße in Betriebe kleiner und mittlerer bäuerlicher Bodeneigentümer zersplittert, die von Kapitalisten und Gutsbesitzern ausgebeutet werden.

2. Die kapitalistische Grundrente ist jener Teil des von den Lohnarbeitern in der Landwirtschaft geschaffenen Mehrwerts, der einen Überschuss über den Durchschnittsprofit darstellt und den der kapitalistische Pächter dem Grundeigentümer für das Recht der Bodennutzung zahlt. Die kapitalistische Grundrente hängt mit zwei verschiedenartigen Monopolen zusammen. Das Monopol der kapitalistischen Bodenbewirtschaftung ergibt sich aus der Beschränktheit des Bodens, aus dem Umstand, dass er von Einzelwirtschaften besetzt ist, und führt dazu, dass der Produktionspreis einer landwirtschaftlichen Ware durch die schlechtesten Produktionsbedingungen bestimmt wird. Der auf besseren Böden oder bei produktiverer Kapitalanlage erzielte Surplusprofit bildet die Differentialrente. Das Monopol des privaten Grundeigentums bringt, da die organische Zusammensetzung des Kapitals in der Landwirtschaft niedriger als in der Industrie ist, die absolute Rente hervor. Mit der Entwicklung des Kapitalismus wächst das Ausmaß aller Arten der Rente, steigt der Bodenpreis, der nichts anderes ist als kapitalisierte Grundrente.

3. In der Landwirtschaft verdrängt der Großbetrieb wie in der Industrie den Kleinbetrieb. Die maschinelle Großproduktion findet aber selbst in den entwickeltsten kapitalistischen Ländern in der Landwirtschaft unvergleichlich langsamer Verbreitung als in der Industrie. Um den Preis übermäßiger, alle Kräfte auszehrender Arbeit und eines äußerst niedrigen Lebensstandards des Kleinbauern und seiner Familie bleibt in den kapitalistischen Ländern eine Masse kleinbäuerlicher Wirtschaften bestehen, die sich durch eine außerordentlich geringe Stabilität auszeichnen.

4. Der Kapitalismus führt unvermeidlich zu einem immer stärkeren Zurückbleiben der Landwirtschaft hinter der Industrie, er vertieft und verschärft den Gegensatz zwischen Stadt und Land. Das Monopol des privaten Grundeigentums entzieht der Landwirtschaft in Form der Grundrente und unproduktiver Ausgaben für den Kauf von Grund und Boden riesige Mittel, die dem parasitären Verbrauch der Klasse der Grundeigentümer dienen, und hemmt die Entwicklung der Produktivkräfte in der Landwirtschaft.

5. Die breiten Massen der Bauernschaft sind im Kapitalismus zur Verelendung und zum Ruin verdammt. Die grundlegenden Interessen des Proletariats und der ausgebeuteten Massen der Bauernschaft fallen zusammen. Die werktätige Bauernschaft kann sich nur im Bündnis mit dem Proletariat und unter seiner Führung durch eine Revolution, die die kapitalistische Gesellschaftsordnung beseitigt, von Ausbeutung und Elend befreien.