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Die Maschinenperiode des Kapitalismus

1. Der Übergang von der Manufaktur zur maschinellen Industrie.
2. Die industrielle Revolution.
3. Die kapitalistische Industrialisierung.
4. Die Quellen der kapitalistischen Industrialisierung.
5. Die kapitalistische Fabrik. Die Maschine als Mittel zur Ausbeutung der Lohnarbeit durch das Kapital.
6. Das Wachstum der Städte und der Industriezentren. Die Großindustrie und die Landwirtschaft.
7. Die kapitalistische Vergesellschaftung der Arbeit und der Produktion. Die Grenzen für die Anwendung der Maschine im Kapitalismus.
8. Die Formierung der Klasse der Proletarier.
9. Kurze Zusammenfassung

1. Der Übergang von der Manufaktur zur maschinellen Industrie.

Solange die Produktion wie in der Manufakturperiode auf manueller Arbeit beruhte, war der Kapitalismus nicht imstande, das gesamte Wirtschaftsleben der Gesellschaft von Grund aus zu verändern. Diese Umgestaltung vollzog sich mit dem Übergang von der Manufaktur zur maschinellen Industrie, die im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts zu entstehen begann und sich in den wichtigsten kapitalistischen Ländern Europas und in den USA während des 19. Jahrhunderts entwickelte. Die maschinelle Großindustrie ist die dritte, die höchste Stufe in der Entwicklung der kapitalistischen Produktion.

Der Übergang von der Manufaktur zur maschinellen Industrie war eine vollständige technische Umwälzung in der Produktion. Die materiell-technische Grundlage dieser Umwälzung war die Maschine.

Jede entwickelte Maschinerie besteht aus drei Teilen: 1. der Bewegungsmaschine, 2. dem Transmissionsmechanismus und 3. der Arbeitsmaschine.

Die Bewegungsmaschine wirkt als Triebkraft des ganzen Mechanismus. Sie erzeugt entweder ihre eigene Bewegungskraft (Dampfmaschine, Verbrennungs- und Elektromotoren), oder sie empfängt den Anstoß von einer schon fertigen Naturkraft außer ihr (Wind- und Wasserrad). Mit der Einführung der Elektrizität stand eine universell anwendbare Energieform zur Verfügung, die es ermöglichte, die Energiewirtschaft als einen eigenen Industriezweig zu entwickeln und damit die Bewegungsmaschine aus der unmittelbaren Produktion auszulagern.

Der Transmissionsmechanismus besteht aus verschiedenartigen Vorrichtungen (Transmissionen, Zahnrädern, Riemen, Hydraulik, elektrischen Getrieben usw.), die die Bewegung regeln und, wo es nötig, deren Form verwandeln (zum Beispiel aus einer gradlinigen in eine kreisförmige), sie verteilen und auf die Arbeitsmaschine übertragen. Die Bewegungsmaschine wie der Transmissionsmechanismus dienen dazu, der Arbeitsmaschine die Bewegung mitzuteilen. Seit einigen Jahrzehnten werden die mechanischen Vorrichtungen durch elektronische Steuerung ergänzt, vervollkommnet und z.T. ganz ersetzt.

Die Arbeitsmaschine wirkt unmittelbar auf den Arbeitsgegenstand ein und verändert ihn in Übereinstimmung mit dem gesteckten Ziel. Wenn wir uns die Arbeitsmaschine näher ansehen, finden wir, häufig freilich in sehr veränderter Form, im allgemeinen die gleichen Werkzeuge vor, die auch bei der Arbeit mit der Hand gebraucht werden. Auf jeden Fall aber sind dies nicht mehr Werkzeuge für die Arbeit mit der Hand, sondern Werkzeuge eines Mechanismus, mechanische Werkzeuge. Die Arbeitsmaschine war der Ausgangspunkt jener Umwälzung, die zur Ablösung der Manufaktur durch die maschinelle Produktion geführt hat. Nach dem die mechanischen Werkzeuge erfunden waren, vollzogen sich grundlegende Veränderungen in der Struktur der Bewegungs- und Transmissionsmechanismen.

Die Maschine ist das bedeutendste Mittel zur Steigerung der Arbeitsproduktivität unter kapitalistischen Bedingungen, also zur Verkürzung des notwendigen Arbeitstages und damit zur Ausdehnung der unbezahlten Mehrarbeit. 1. hat die Anwendung von Maschinen, die mit einer Vielzahl von Werkzeugen gleichzeitig wirken, den Produktionsprozess aus dem engen Rahmen herausgeführt, den die Unzulänglichkeit der menschlichen Organe bedingte. 2. bot die Anwendung der Maschine erstmals die Möglichkeit, im Produktionsprozess gewaltige neue Energiequellen – die Antriebskraft des Dampfes, des Gases und der Elektrizität – auszunutzen. 3. erlaubte die Anwendung von Maschinen, die Wissenschaft unmittelbar der Produktion dienstbar zu machen, damit die Macht des Menschen über die Natur zu vergrößern und immer neue Möglichkeiten für die Steigerung der Arbeitsproduktivität zu öffnen. Auf der Grundlage der maschinellen Großindustrie festigte sich die Herrschaft der kapitalistischen Produktionsweise.

2. Die industrielle Revolution.

Das Fundament für die maschinelle Großindustrie war in England geschaffen worden. In diesem Land bestanden günstige historische Voraussetzungen für eine rasche Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise: die frühzeitige Abschaffung der Leibeigenschaft und Beseitigung der feudalen Zersplitterung, der Sieg der bürgerlichen Revolution im 17. Jahrhundert, die gewaltsame Verjagung der Bauernschaft von Grund und Boden sowie die Akkumulation von Kapitalien mit Hilfe des entwickelten Handels und durch die Ausplünderung der Kolonien.

Die Entwicklung der gesellschaftlichen Produktion geht generell von den Produktionsinstrumenten als dem revolutionärsten Element der Produktionsmittel aus. Die industrielle Revolution ging daher von der Werkzeugmaschine aus. In der Mitte des 18. Jahrhunderts war England ein Land mit einer großen Anzahl von Manufakturunternehmen. Der wichtigste Industriezweig war die Textilproduktion. Hiervon ausgehend, vollzog sich die industrielle Revolution in England während des letzten Drittels des 18. und des ersten Viertels des 19. Jahrhunderts. In der Baumwollindustrie, die sich rascher als die übrigen Produktionszweige entwickelte, herrschte Handarbeit. Die Hauptoperationen sind das Spinnen und das Weben. Das Arbeitsprodukt des Spinners dient dem Weber als Arbeitsgegenstand. Das Steigen der Nachfrage nach Baumwollgeweben wirkte sich zunächst auf die Webereitechnik aus: im Jahre 1733 wurde das selbsttätige Weberschiffchen erfunden, das die Arbeitsproduktivität des Webers verdoppelte. Dadurch blieb die Spinnerei hinter der Weberei zurück. In den Manufakturbetrieben standen die Webstühle oft wegen Mangels an Garn still. Es ergab sich die dringende Notwendigkeit, die Spinnereitechnik zu vervollkommnen.

Diese Aufgabe wurde durch die Erfindung der Spinnmaschine (1765 bis 1767) gelöst, die zunächst mit 15 bis 20 Spindeln ausgerüstet war. Die ersten Maschinen wurden von den Menschen selber oder von Tieren angetrieben; später kamen Maschinen auf, die durch Wasserkraft angetrieben wurden. Die weiteren technischen Vervollkommnungen gestatteten es, nicht nur mehr, sondern auch besseres Garn zu produzieren. Ende des 18. Jahrhunderts gab es bereits Spinnmaschinen mit 400 Spindeln. Infolge dieser Erfindungen stieg die Arbeitsproduktivität in der Spinnerei erheblich.

In der Baumwollindustrie entstand nunmehr ein neues Missverhältnis: die Spinnerei hatte die Weberei überholt. Dieses Missverhältnis wurde durch die Erfindung des mechanischen Webstuhls im Jahre 1785 beseitigt. Nach mehrmaligen Verbesserungen fand der mechanische Webstuhl in England weite Verbreitung und hatte in den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts die Handweberei völlig verdrängt. Umwälzenden Veränderungen waren auch die bei der Bearbeitung der Baumwollgewebe anfallenden Prozesse wie Bleicherei, Färberei und Druckerei unterworfen. Durch Entwicklung chemischer Bearbeitungsmethoden gelang es, diese Prozesse zu verkürzen und die Qualität der Erzeugnisse zu verbessern.

Der zunehmende Einsatz von Werkzeugmaschinen verlangte eine zuverlässige, überall anwendbare und regelbare Antriebsquelle. Die ersten Textilfabriken wurden an Flussläufen errichtet; die Maschinen wurden mit Hilfe von Wasserrädern angetrieben. Infolgedessen waren der Anwendung der maschinellen Technik enge Grenzen gesetzt. Es bedurfte einer neuen, von Standort und Jahreszeit unabhängigen Antriebskraft. Diesen Anforderungen entsprach zunächst die Dampfmaschine, in noch viel größerem Maße aber die Anwendung von Verbrennungsmotoren und schließlich der Elektrizität.

Die Maschinen haben die Produktion in sämtlichen Industriezweigen revolutioniert. Maschinen wurden nicht nur in der Baumwollindustrie angewandt, sondern auch in der Woll-, Leinwand- und Seidenindustrie. Bald hatte man es auch gelernt, die Dampfmaschine für das Verkehrswesen nutzbar zu machen: 1807 wurde in den USA das erste Dampfschiff und 1825 in England die erste Eisenbahn gebaut.

Anfangs wurden Maschinen von Hand in Manufakturbetrieben gefertigt und waren teuer, wenig leistungsfähig und unvollkommen. Die Manufakturbetriebe waren nicht in der Lage, die von der rasch wachsenden Industrie benötigte Menge Maschinen herzustellen. Eine Änderung wurde hier erst durch den Übergang zur maschinellen Herstellung von Maschinen geschaffen. Es entstand ein neuer, sich rasch entwickelnder Industriezweig – der Maschinenbau. Die ersten Maschinen wurden in der Hauptsache aus Holz hergestellt. Später wurden die hölzernen Maschinenteile durch Metallteile verdrängt. Der Ersatz von Holz durch Metall erhöhte die Lebensdauer und Haltbarkeit der Maschine und ermöglichte es, mit einer bis dahin für gänzlich unmöglich gehaltenen Geschwindigkeit und Anspannung zu arbeiten. Anfang des 19. Jahrhunderts wurden mechanische Hämmer, Pressen und Werkzeugmaschinen für die Metallbearbeitung – Drehbank, später Fräsmaschine und Bohrmaschine – erfunden.

Zur Herstellung der Maschinen, Lokomotiven, Schienen, Dampfschiffe usw. waren große Mengen Eisen und Stahl erforderlich. Rasch entwickelte sich die Hüttenindustrie. Von großer Bedeutung hierfür war, dass man ein Verfahren fand, Eisen mit mineralischem Brennstoff statt wie bisher mit Holzkohle zu gewinnen. Die Hochöfen wurden immer mehr vervollkommnet. In den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts wurde damit begonnen, Heißwind statt wie bisher Kaltwind zuzuführen, wodurch der Hochofenprozess beschleunigt und viel Brennstoff eingespart werden konnte. Es wurden neue, vollkommenere Verfahren der Stahlgewinnung entwickelt. Die Verbreitung der Dampfmaschine und das Wachstum der Hüttenindustrie riefen einen großen Bedarf an Steinkohle hervor, was wiederum zu einem raschen Wachstum der Steinkohlenindustrie führte.

„Die große Industrie musste sich also ihres charakteristischen Produktionsmittels, der Maschine selbst, bemächtigen und Maschinen durch Maschinen produzieren. So erst schuf sie ihre adäquate technische Unterlage und stellte sich auf ihre eignen Füße.“[43]

Im Gefolge der industriellen Revolution verwandelte sich England in die industrielle Werkstatt der Welt. Bald nach England begannen auch die übrigen europäischen Länder sowie die USA die maschinelle Produktion zu entwickeln.

3. Die kapitalistische Industrialisierung.

Die industrielle Revolution legte den Grundstein für die kapitalistische Industrialisierung. Das Fundament der Industrialisierung ist die Schwerindustrie, die maschinelle Großproduktion von Produktionsmitteln.

Die kapitalistische Industrialisierung vollzieht sich anarchisch: ihre Triebkraft ist das Profitstreben der Kapitalisten. Sie beginnt gewöhnlich mit der Entwicklung der Leichtindustrie, d.h. der Zweige, die Gegenstände des persönlichen Bedarfs herstellen. In diesen Zweigen sind weniger Investitionsmittel erforderlich, hier schlägt das Kapital rascher um und bringt leichter Profit als in der Schwerindustrie, d.h. in den Zweigen, die Arbeitsinstrumente und sonstige Produktionsmittel wie Maschinen, Metalle und Brennstoffe herstellen. Die Schwerindustrie beginnt sich erst nach Ablauf einer längeren Frist zu entwickeln, innerhalb der die Leichtindustrie Profite akkumuliert. Diese Profite fließen allmählich in die Schwerindustrie. Somit stellt die kapitalistische Industrialisierung einen Prozess dar, der sich über viele Jahrzehnte erstreckt.

In England z.B. hat sich die Textilindustrie lange Zeit rascher als die übrigen Zweige entwickelt. Die ganze erste Hälfte des 19. Jahrhunderts über blieb sie der wichtigste, am höchsten entwickelte Zweig in der englischen Industrie. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann dann die Schwerindustrie die vorherrschende Rolle zu spielen. Diese Reihenfolge in der Entwicklung der Industriezweige war auch in den übrigen kapitalistischen Ländern zu beobachten.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzte sich die Entwicklung der Hüttenindustrie fort; die Technik des Metallschmelzens wurde verbessert, die Hochöfen wurden vergrößert. In England stieg die Roheisenerzeugung von 193000 t im Jahre 1800 auf 7873000 t im Jahre 1880; in den USA stieg sie von 41000 t im Jahre 1800 auf 3897000 t im Jahre 1880.

Bis ins letzte Drittel des 19. Jahrhunderts hinein blieb die Dampfmaschine die einzige Antriebskraft in der Großindustrie und im Verkehrswesen. Der Dampf war für die Entwicklung der maschinellen Industrie von kolossaler Bedeutung. Das ganze 19. Jahrhundert über wurden Verbesserungen an der Dampfmaschine vorgenommen; es wuchs deren Leistungsfähigkeit und erhöhte sich die Ausnutzung der Wärmeenergie. In den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts wurde die Dampfturbine konstruiert. Durch ihre Vorzüge verdrängte sie in einer Reihe von Industriezweigen allmählich die Dampfmaschine.

Je mehr aber die Großindustrie wuchs, desto rascher trat die Unzulänglichkeit des Dampfes als Antriebskraft in Erscheinung. Ein neuer Typ der Antriebskraft wurde erfunden – der Verbrennungsmotor, und zwar zunächst die Gaskraftmaschine (1877) und danach der Verbrennungsmotor für flüssigen Treibstoff, der Dieselmotor (1893). Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wurde eine neue leistungsfähige Antriebskraft für die Wirtschaft erschlossen, nämlich die Elektrizität, deren Anwendung die Produktion in noch größerem Umfange revolutionierte.

Im 19. Jahrhundert eroberte die maschinelle Technik einen Industriezweig nach dem anderen. Es entwickelte sich der Bergbau – die Förderung von Erz und Steinkohle. In Verbindung mit der Erfindung des Verbrennungsmotors vergrößerte sich die Erdölgewinnung. Ausgedehnte Entwicklung erfuhr die chemische Industrie. Mit dem raschen Wachstum der maschinellen Großindustrie ging der verstärkte Bau von Eisenbahnen einher.

4. Die Quellen der kapitalistischen Industrialisierung.

Die kapitalistische Industrialisierung wird verwirklicht sowohl durch Ausbeutung der Lohnarbeiter und Ruinierung der Bauernschaft des eigenen Landes als auch durch Ausplünderung der Werktätigen anderer Länder und besonders der Kolonien. Die kapitalistische Industrialisierung ruiniert Hausindustrie und Handwerk durch höhere Arbeitsproduktivität und damit Verbilligung der maschinell erzeugten Ware. Die kapitalistische Industrialisierung führt daher unausbleiblich zu einer Verschärfung der Widersprüche des Kapitalismus, zur Verelendung der Millionenmassen der Arbeiter, Bauern und Handwerker.

Neben der Ausbeutung der Werktätigen des eignen Landes kennt die Geschichte folgende Methoden der kapitalistischen Industrialisierung: 1. die Eroberung und Ausplünderung von Kolonien. Nachdem z.B. England in allen Teilen der Welt Kolonien erobert hatte, presste es aus ihnen zwei Jahrhunderte lang ungeheure Gewinne heraus und investierte diese in der eigenen Industrie. 2. Krieg und Kontributionen. So hat Deutschland Frankreich nach der Niederlage im Deutsch-Französischen Kriege gezwungen, 5 Milliarden Franc als Kontribution zu zahlen, und diese dann in der eigenen Industrie angelegt. 3. knechtende Konzessionen und Anleihen, die eine ökonomische und politische Abhängigkeit der rückständigen Länder von den entwickelten kapitalistischen Ländern zur Folge hat. Das zaristische Russland z.B. vergab Konzessionen und nahm von den Westmächten knechtende Anleihen auf, um so allmählich zur Industrialisierung übergehen zu können. Dies bewirkte die Verwandlung des zaristischen Russlands in eine Halbkolonie. In der Geschichte der einzelnen Länder haben sich diese verschiedenen Methoden der kapitalistischen Industrialisierung miteinander verflochten und ergänzt. Z.B. die Großindustrie der USA wurde mit Hilfe von Anleihen und langfristigen Krediten aus dem Ausland sowie durch hemmungslose Ausplünderung der amerikanischen Urbevölkerung geschaffen.

5. Die kapitalistische Fabrik. Die Maschine als Mittel zur Ausbeutung der Lohnarbeit durch das Kapital.

Die kapitalistische Fabrik ist ein industrieller Betrieb, der auf der Ausbeutung von Lohnarbeitern basiert und ein Maschinensystem für die Produktion von Waren anwendet.

Als Maschinensystem bezeichnet man entweder die Zusammenfassung von Arbeitsmaschinen, die gleichartige Produktionsoperationen gleichzeitig ausführen (zum Beispiel gleichartige Webstühle), oder die Zusammenfassung verschiedenartiger, aber einander ergänzender Arbeitsmaschinen. Das System verschiedenartiger Maschinen ist eine Kombination von Teilarbeitsmaschinen, bei der die Produktionsoperationen auf die einzelnen Maschinen aufgeteilt sind. Jede Teilmaschine liefert der zunächst folgenden den Arbeitsgegenstand. Da alle diese Maschinen gleichzeitig wirken, befindet sich das Produkt fortwährend in den verschiedenen Phasen des Produktionsprozesses, indem es von einer Phase in die andere übergeht.

Der Mechanisierung der Arbeit liegt die Anwendung von Maschinen zugrunde. Sie gewährleistet eine gewaltige Steigerung der Arbeitsproduktivität und eine Verringerung des Warenwerts. Die Maschine macht es möglich, die gleiche Warenmenge mit einem um vieles geringeren Arbeitsaufwand herzustellen bzw. mit dem gleichen Arbeitsaufwand bedeutend mehr Waren zu produzieren.

Im 19. Jahrhundert erforderte die maschinelle Verarbeitung einer gegebenen Baumwollmenge zu Garn nur noch den 180. Teil der Arbeitszeit, deren es bei manueller Verarbeitung der gleichen Menge mit dem Spinnrad bedurft hatte. In der Kattundruckerei stellte ein erwachsener Arbeiter oder auch ein Jugendlicher mit der Maschine in der Stunde die gleiche Menge vierfarbigen Kattuns her wie früher 200 erwachsene Arbeiter bei manueller Arbeit. Im 18. Jahrhundert produzierte ein Arbeiter bei manufakturmäßiger Arbeitsteilung täglich 4800 Nadeln; im 19. Jahrhundert stellte ein Arbeiter, der 4 Maschinen gleichzeitig bediente, am Tage 600000 Nadeln her.

Die Fabrik ist die höchste Form der kapitalistischen Kooperation. Mit der allgemeinen Anwendung von Maschinen wird die gesellschaftliche Organisation der Arbeit zur technischen Notwendigkeit.

Jedoch schafft sich das Kapital mit dem Übergang zur Fabrik neben der technisch notwendigen eine besondere, die kapitalistische Arbeitsdisziplin. Diese kapitalistische Disziplin ist eine Disziplin des Hungers. Dem Arbeiter droht ständig die Gefahr, entlassen zu werden; er muss stets befürchten, sich in die Reihen der Arbeitslosen versetzt zu finden. Die kapitalistische Arbeitsdisziplin wird mittels ökonomischen Zwangs durchgesetzt.

An sich ist die Maschine ein mächtiges Mittel zur Erleichterung der Arbeit und zur Steigerung der Arbeitsproduktivität. Im Kapitalismus aber dient die Maschine als Mittel zur Verstärkung der Ausbeutung der Lohnarbeit.

Seit Anbeginn ihrer Anwendung wird die Maschine zum Konkurrenten des Arbeiters. Vor allem werden durch die kapitalistische Anwendung der Maschine Zehn- und Hunderttausende von Arbeitern, die nunmehr überflüssig sind, der Existenzmittel beraubt. Durch die Anwendung und Vervollkommnung der Maschine werden immer mehr Lohnarbeiter von der Maschine verdrängt und aus der kapitalistischen Fabrik hinausgeworfen. Diese Arbeiter vergrößern die industrielle Reservearmee der Arbeitslosen.

Die Maschine vereinfacht den Produktionsprozess; der Arbeiter braucht keine große Muskelkraft mehr aufzuwenden. Daher bezieht das Kapital mit dem Übergang zur maschinellen Technik in großem Umfang Frauen und Kinder in die Produktion ein.

Die Maschine eröffnet große Möglichkeiten für die Verringerung der zur Herstellung einer Ware erforderlichen Arbeitszeit und schafft damit die Voraussetzungen für eine Verkürzung des Arbeitstags. Indessen zieht die kapitalistische Anwendung der Maschine eine Verlängerung des Arbeitstags nach sich. In seinem Heißhunger nach Profit sucht der Kapitalist die Maschine so vollständig als irgend möglich auszunutzen. Je länger, erstens, die Maschine während des Arbeitstages ausgenutzt wird, desto rascher macht sie sich bezahlt. Je länger, zweitens, der Arbeitstag währt und je vollständiger die Maschine ausgenutzt wird, desto geringer ist die Gefahr, dass sie veraltet und dass es anderen Kapitalisten eher gelingt, in ihren Betrieben bessere bzw. billigere Maschinen anzuwenden und daher unter günstigeren Bedingungen zu produzieren. Deswegen ist der Kapitalist bemüht, den Arbeitstag maximal auszudehnen.

In der Hand des Kapitalisten dient die Maschine dazu, in einer gegebenen Zeiteinheit mehr Arbeit als vorher aus dem Arbeiter herauszupressen. Die übermäßige Arbeitsintensität, die Enge in den Fabrikräumen, der Mangel an Licht und Luft sowie das Fehlen von unbedingt erforderlichen Arbeitsschutzmaßnahmen bewirken, dass die Arbeiter in Massen unter Berufskrankheiten zu leiden haben, dass ihre Gesundheit untergraben und ihr Leben verkürzt wird.

Die maschinelle Technik bietet große Möglichkeiten dafür, die Wissenschaft im Produktionsprozess auszunutzen und die Arbeit so zu gestalten, dass sie zu einer Tätigkeit wird, bei der der Arbeitende seine geistigen Fähigkeiten gebraucht und sie schöpferisch anwendet. Die kapitalistische Anwendung der Maschine aber führt dazu, dass der Arbeiter in ein Anhängsel der Maschine verwandelt wird. Ihm fällt nichts anderes zu als einförmige, entkräftende körperliche Arbeit. Die geistige Arbeit wird zum Privileg einer speziellen Gruppe von Menschen, der Ingenieure, Techniker, Wissenschaftler. Die Wissenschaft trennt sich von der Arbeit und dient dem Kapital. Im Kapitalismus vertieft sich der Gegensatz zwischen der körperlichen und der geistigen Arbeit immer mehr.

Die Maschine bedeutet eine Vergrößerung der Macht des Menschen über die Naturkräfte. Durch Steigerung der Arbeitsproduktivität vermehrt die Maschine den gesellschaftlichen Reichtum. Dieser Reichtum fällt jedoch den Kapitalisten als den Eigentümern der Produktionsmittel zu; die Lage der Arbeiterklasse – der Hauptproduktivkraft der Gesellschaft – verschlechtert sich immer mehr.

Marx hat im „Kapital“ den Nachweis geführt, dass nicht die Maschine der Feind der Arbeiterklasse ist, sondern die kapitalistische Ordnung, in der sie angewandt wird. Er schrieb, dass “die Maschinerie an sich betrachtet die Arbeitszeit verkürzt, während sie kapitalistisch angewandt den Arbeitstag verlängert, an sich die Arbeit erleichtert, kapitalistisch angewandt ihre Intensität steigert, an sich ein Sieg des Menschen über die Naturkräfte ist, kapitalistisch angewandt den Menschen durch die Naturkraft unterjocht, an sich den Reichtum des Produzenten vermehrt, kapitalistisch angewandt ihn verpaupert.”[44]

Mit der Entstehung der kapitalistischen Verhältnisse beginnt sogleich der Klassenkampf zwischen den Lohnarbeitern und den Kapitalisten. Er zieht sich durch die ganze Manufakturperiode hin und erhält weite Ausdehnung und außerordentliche Schärfe mit dem Übergang zur maschinellen Produktion.

Erster Ausdruck des Protestes der unreifen Arbeiterbewegung gegen die verderblichen Folgen der kapitalistischen Anwendung der maschinellen Technik waren Versuche, die Maschinen zu zerstören. Die erste, im Jahre 1758 erfundene Schermaschine wurde von den Arbeitern, die durch die Einführung dieser Maschine arbeitslos geworden waren, in Brand gesteckt. Am Anfang des 19. Jahrhunderts entfaltete sich in den englischen Industriegebieten die breite Bewegung der “Maschinenstürmer”, die sich vor allem gegen die Einführung des Dampfwebstuhls richtete. Die Arbeiterklasse bedurfte einer bestimmten Zeit und Erfahrung, um zu erkennen, dass Unterdrückung und Elend nicht von den Maschinen an sich ausgehen, sondern eine Folgeerscheinung der kapitalistischen Anwendung der Maschinen sind.

Die Kapitalisten benutzen die Maschine weitgehend als eine wirkungsvolle Waffe zur Unterdrückung der periodischen Arbeiterunruhen, Streiks usw., die sich gegen die unumschränkte Herrschaft des Kapitals richteten. Nach 1830 wurde eine große Anzahl von Erfindungen in England unmittelbar durch die Interessen des Klassenkampfes der Kapitalisten gegen die Arbeiter ins Leben gerufen, nämlich durch das Bestreben der Kapitalisten, vermittels einer Verringerung der Anzahl der Beschäftigten und mit Hilfe der Verwendung von weniger qualifizierten Arbeitskräften den Widerstand der Arbeiter gegen das Joch des Kapitals zu brechen.

Also bewirkt die kapitalistische Anwendung der Maschine eine Verschlechterung der Lage der Arbeiter und eine Verschärfung der Klassengegensätze zwischen Arbeit und Kapital.

6. Das Wachstum der Städte und der Industriezentren. Die Großindustrie und die Landwirtschaft.

Die kapitalistische Industrialisierung führte zu einem raschen Anwachsen der Städte und der Industriezentren. Die Anzahl der Großstädte in Europa (mit mehr als 100000 Einwohnern) hat sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts versiebenfacht. Der Anteil der Stadtbevölkerung erhöhte sich unaufhörlich auf Kosten des Anteils der Landbevölkerung. In England war bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts und in Deutschland am Anfang des 20. Jahrhunderts mehr als die Hälfte der Gesamtbevölkerung in den Städten konzentriert.

Die Entwicklung der Großindustrie führte auch in der Landwirtschaft zur Anwendung von Maschinen. Die Möglichkeit der Anwendung von Maschinen ist einer der wichtigsten Vorteile der Großproduktion zur Steigerung der Arbeitsproduktivität in der Landwirtschaft. Die Maschine kann effektiv ausgenutzt werden im Großbetrieb bei Vorhandensein großer Anbauflächen, beim Anbau technischer Kulturen usw. In der Großwirtschaft, die auf der maschinellen Technik beruht, wird je Einheit des Produkts bedeutend weniger Arbeit aufgewandt als in der Kleinbauernwirtschaft, die auf rückständiger Technik und manueller Arbeit beruht. Infolgedessen kann die Kleinbauernwirtschaft nicht mit der kapitalistischen Großwirtschaft konkurrieren.

Unter kapitalistischen Bedingungen beschleunigt die Verbreitung der landwirtschaftlichen Maschinen die Zersetzung der Bauernschaft. „Die systematische Verwendung von Maschinen in der Landwirtschaft verdrängt den patriarchalischen ,mittleren’ Bauern mit derselben Unerbittlichkeit, wie der Dampfwebstuhl den ländlichen Handweber verdrängt.“[45] Der Kapitalismus hebt die landwirtschaftliche Technik auf eine höhere Stufe und treibt sie vorwärts, jedoch kann er das nicht anders tun als durch Ruinierung der Masse der Kleinproduzenten. Zugleich ist die Lohnarbeit in der Landwirtschaft so billig, dass in vielen Großwirtschaften nicht Maschinen angewandt werden, sondern die manuelle Arbeit bevorzugt wird. Dies hemmt die Entwicklung und Anwendung der maschinellen Technik in der landwirtschaftlichen Produktion.

In der Maschinenperiode des Kapitalismus vollendet sich die Trennung der Industrie von der Landwirtschaft, es vertieft und verschärft sich der Gegensatz zwischen Stadt und Land. Im Kapitalismus bleibt die Landwirtschaft in der Entwicklung außerordentlich stark hinter der Industrie zurück. Lenin wies nach, dass die Landwirtschaft in den kapitalistischen Ländern am Anfang des 20. Jahrhunderts ihrem technisch-wirtschaftlichen Niveau nach dem Manufakturstadium näher stand als dem Maschinenbetrieb der Industrie.

Die Einführung der maschinellen Technik in die Landwirtschaft geht im Kapitalismus bedeutend langsamer voran, als dies in der Industrie der Fall ist. Während die Dampfmaschine in der Industrie umwälzende technische Veränderungen möglich machte, fand sie in der Landwirtschaft nur in Form der Dampfdreschmaschine Verwendung. Die mechanische Dreschmaschine vereinigte später das Dreschen, Reinigen und Sortieren des Getreides. Erst im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts fanden von Pferden gezogene Erntemaschinen – die Mähbinder – Verbreitung. Der Raupentraktor wurde bereits in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts erfunden, der Rädertraktor Anfang des 20 Jahrhunderts; mehr oder weniger umfassende Verwendung fand der Traktor in den kapitalistischen Großwirtschaften jedoch erst seit den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts, und zwar hauptsächlich in den USA. Jedoch blieb das Arbeitsvieh die Hauptzugkraft in der Landwirtschaft der meisten Länder der kapitalistischen Welt; bei den Bodenbearbeitungsgeräten spielten nach wie vor von Pferden gezogene Pflüge, Eggen und Kultivatoren die Hauptrolle.

7. Die kapitalistische Vergesellschaftung der Arbeit und der Produktion. Die Grenzen für die Anwendung der Maschine im Kapitalismus.

Auf der Grundlage der maschinellen Technik wurde im Kapitalismus gegenüber der feudalen Produktionsweise ein großer Fortschritt in der Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkräfte erzielt. Die maschinelle Großproduktion führte eine äußerst tiefgreifende Umwälzung des gesamten Wirtschaftslebens herbei. Die breite Anwendung von Maschinen war ein revolutionierendes Moment, das die Gesellschaft umgestaltete.

„Der Übergang von der Manufaktur zur Fabrik manifestiert eine völlige technische Umwälzung, die die in Jahrhunderten erworbene Handfertigkeit des Handwerksmeisters verdrängt; auf diese technische Umwälzung aber folgt unvermeidlich die radikalste Umwälzung der gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse, eine endgültige Spaltung der verschiedenen an der Produktion beteiligten Gruppen, der vollständige Bruch mit der Tradition, eine Verschärfung und Ausdehnung aller düsteren Seiten des Kapitalismus und gleichzeitig eine umfassende Vergesellschaftung der Arbeit durch den Kapitalismus. Die maschinelle Großindustrie ist somit das letzte Wort des Kapitalismus, das letzte Wort seiner negativen und seiner ,positiven Momente'.“[46]

Auf der Grundlage der maschinellen Großindustrie vollzieht sich als elementarer Prozess eine umfassende Vergesellschaftung der Arbeit durch das Kapital.

1. konzentriert sich infolge der Anwendung von Maschinen die industrielle Produktion immer mehr in Großbetrieben. Die Maschine an sich fordert die gemeinsame Arbeit vieler Arbeiter.

2. entwickelt sich im Kapitalismus die gesellschaftliche Arbeitsteilung weiter. Es vergrößert sich die Anzahl der Produktionszweige der Industrie und der Landwirtschaft. Zugleich werden die einzelnen Zweige und Betriebe immer mehr voneinander abhängig. Bei weitgehender Spezialisierung der Produktionszweige wird zum Beispiel ein Fabrikant, der Stoffe herstellt, unmittelbar vom Garnproduzenten abhängig, und dieser wiederum vom kapitalistischen Baumwollproduzenten, vom Besitzer des entsprechenden Maschinenbaubetriebes, vom Eigentümer der Steinkohlengruben usw.

3. verschwindet die für die Naturalwirtschaft charakteristische Zersplitterung der kleinen Wirtschaftseinheiten: die kleinen Lokalmärkte verschmelzen zu einem riesigen nationalen Markt und internationalem Weltmarkt.

4. verdrängt der Kapitalismus mit seiner maschinellen Technik die verschiedenen Formen der persönlichen Abhängigkeit des Arbeitenden. Grundlage der Produktion wird der „doppelt freie“ Lohnarbeiter. Massen der Bevölkerung verlassen ihre alteingesessenen Wohnplätze, wodurch gewährleistet wird, dass ständig neue Arbeitskräfte in die wachsenden Industriezweige fließen.

5. entsteht mit der Ausbreitung der maschinellen Produktion eine Vielzahl von Industriezentren und Großstädten. Die Gesellschaft spaltet sich immer mehr in zwei antagonistische Hauptklassen, in die Klasse der Kapitalisten und die Klasse der Lohnarbeiter.

Die auf der Grundlage der maschinellen Technik erreichte Vergesellschaftung der Arbeit und der Produktion war ein bedeutender Fortschritt in der gesellschaftlichen Entwicklung. Die Interessen der Kapitalisten aber, die nach Profiten streben, setzen der Entwicklung der Produktivkräfte bestimmte Grenzen.

Vom gesellschaftlichen Standpunkt ist die Anwendung einer Maschine vorteilhaft, wenn die zur Herstellung der Maschine aufgewandte Arbeitsmenge kleiner ist als die Arbeitsmenge, die durch die Anwendung der Maschine eingespart wird, und wenn die Maschine die Arbeit erleichtert. Für den Kapitalisten aber ist weder die Einsparung von gesellschaftlicher Arbeit noch die Erleichterung für den Arbeiter maßgeblich, sondern vielmehr die Einsparung von Löhnen. Daher ist für den Kapitalisten die Grenze für die Anwendung von Maschinen viel enger gezogen. Sie wird bestimmt durch die Differenz zwischen dem Preis der Maschine und der Lohnsumme der von ihr verdrängten Arbeiter. Je niedriger der Lohn der Arbeiter, desto schwächer das Bestreben des Kapitalisten, eine Maschine einzuführen. Daher wird bis auf den heutigen Tag in der Industrie sogar der am weitesten entwickelten kapitalistischen Länder noch immer viel manuelle Arbeit angewandt.

Die maschinelle Großindustrie verschärfte den Konkurrenzkampf zwischen den Kapitalisten und verstärkte die Anarchie der gesellschaftlichen Gesamtproduktion. Die kapitalistische Anwendung der Maschine hat nicht nur bewirkt, dass sich die Produktivkräfte der Gesellschaft rasch entwickelten, sondern auch dazu geführt, dass die Unterdrückung der Arbeit durch das Kapital außerordentlich zunahm und sich alle Widersprüche der kapitalistischen Produktionsweise verschärften.

8. Die Formierung der Klasse der Proletarier.

In der Manufakturperiode des Kapitalismus stellten die Massen der Lohnarbeiter noch keine ausgeprägte Klasse von Proletariern dar. Die Anzahl der Manufakturarbeiter war verhältnismäßig gering, auch waren diese Arbeiter in hohem Grade mit der Landwirtschaft verbunden, über eine Vielzahl kleiner Werkstätten verstreut und durch mancherlei engstirnige Zunftinteressen entzweit.

Im Gefolge der industriellen Revolution und der Weiterentwicklung der maschinellen Industrie in den kapitalistischen Ländern formierte sich das industrielle Proletariat. Rasch wuchs die Arbeiterklasse, da sie unaufhörlich aus der ruinierten Bauernschaft und den Kreisen der Handwerker Zustrom erhielt.

Mit dem Wachstum der maschinellen Großindustrie überlebten sich allmählich die lokalen sowie die zunft- und standesbedingten Interessen und Vorurteile der ersten Arbeitergenerationen, überlebten sich ihre utopischen Hoffnungen auf eine Rückkehr zu der verlorenen Stellung des mittelalterlichen Handwerkers. Die Massen der Arbeiter verschmolzen zu einer einheitlichen Klasse, dem Proletariat. Die Formierung des Proletariats als Klasse charakterisierend, schrieben Marx und Engels im kommunistischen Manifest: „... entwickelt sich das Proletariat, die Klasse der modernen Arbeiter, die nur so lange leben, als sie Arbeit finden, und die nur so lange Arbeit finden, als ihre Arbeit das Kapital vermehrt."[47]

In England belief sich die Anzahl der Arbeiter in der Industrie und im Verkehrswesen im zweiten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts auf rund 2 Millionen Menschen; in den folgenden hundert Jahren hat sie sich mehr als verdreifacht.

In Frankreich waren in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts in der Industrie und im Verkehrswesen rund 2 Millionen Menschen beschäftigt; Anfang des 20. Jahrhunderts waren es rund 3,8 Millionen.

In den USA betrug die Anzahl der Arbeiter in der Industrie und im Verkehrswesen 1,8 Millionen im Jahre 1859 und 6,8 Millionen im Jahre 1899.

In Deutschland erhöhte sich die Anzahl der Arbeiter in der Industrie und im Verkehrswesen von 700000 im Jahre 1848 auf 6 Millionen im Jahre 1895.

In Russland ging der Prozess der Formierung der Arbeiterklasse nach der Aufhebung der Leibeigenschaft in schnellem Tempo vor sich. Im Jahre 1865 waren in den großen Fabriken und Werken, im Bergbau und im Eisenbahnwesen 706000 Arbeiter beschäftigt, im Jahre 1890 jedoch 1433000. Somit hat sich die Anzahl der Arbeiter in den kapitalistischen Großbetrieben im Verlauf von 25 Jahren mehr als verdoppelt. Ende der 90er Jahre des 19. Jahrhunderts war die Anzahl der Arbeiter in den Großbetrieben der 50 Gouvernements des Europäischen Russlands auf 2207000 und in ganz Russland auf 2792000 angewachsen.

9. Kurze Zusammenfassung

1. Der Übergang von der Manufaktur zur maschinellen Großindustrie bedeutete eine industrielle Revolution. Von großer Bedeutung für den Übergang zur maschinellen Industrie waren: die Erfindung der Dampfmaschine, die Verbesserung des Metallschmelzverfahrens und die Herstellung von Maschinen für den Bau von Maschinen. Die Maschine eroberte sich einen Produktionszweig nach dem anderen.

2. Mit dem Wachstum des Kapitalismus vollzieht sich die kapitalistische Industrialisierung der wichtigsten Länder in Europa und in Amerika. Die kapitalistische Industrialisierung beginnt gewöhnlich mit der Entwicklung der Leichtindustrie. Eine große Rolle bei der Industrialisierung der kapitalistischen Länder spielen die Ausplünderung der Kolonien und der besiegten Länder sowie die Aufnahme knechtender Anleihen. Die kapitalistische Industrialisierung beruht auf der Ausbeutung der Lohnarbeit und verstärkt die Ruinierung der breiten Massen der Handwerker und Bauern. Sie führt zum weiteren Anwachsen der gesellschaftlichen Arbeitsteilung, vollendet die Trennung der Industrie von der Landwirtschaft und verschärft den Gegensatz zwischen Stadt und Land.

3. Die kapitalistische Fabrik ist ein Großbetrieb, der auf der Aus­beutung von Lohnarbeitern beruht und ein Maschinensystem für die Produktion von Waren anwendet. Die Leitung in der kapitalisti­schen Fabrik trägt despotischen Charakter. In der kapitalistischen Gesellschaft ist die Anwendung der Maschine davon begleitet, dass die Arbeit für den Lohnarbeiter drückender wird, dass die Ausbeutung des Arbeiters zunimmt und dass Frauen und Kinder in den Produktionsprozess einbezogen werden, die einen erbärmlichen Lohn er­halten. Die kapitalistische maschinelle Produktion vollendet die Tren­nung der geistigen von der körperlichen Arbeit und verschärft den Gegensatz zwischen ihnen.

4. Die Entwicklung der maschinellen Großindustrie führt zum An­wachsen der Städte, zur Vermehrung der Stadtbevölkerung auf Kosten der Landbevölkerung, zur Formierung der Klasse der Lohn­arbeiter – des Proletariats – und zum Anwachsen der Reihen des Proletariats. Im Kapitalismus bleibt die Landwirtschaft außerordent­lich stark hinter der Industrie zurück. Die zunehmende Anwendung von Maschinen in der Landwirtschaft beschleunigt die Zersetzung der Bauernschaft.

5. Die maschinelle Großindustrie spielt, historisch gesehen, eine fortschrittliche Rolle, führt zur Steigerung der Arbeitsproduktivität und zur Vergesellschaftung der Arbeit durch das Kapital. Die Grenzen für die kapitalistische Anwendung der Maschine werden dadurch bestimmt, dass die Kapitalisten nur dann eine Maschine einführen, wenn deren Preis geringer ist als die Lohnsumme der durch die Maschine verdrängten Arbeiter.